MF-MT

(Darren Dugan) #1
Kapitel 13 | Street-Fotografie 251

überall sehen, gibt es genügend Wege, diese Hürde zu umschiffen oder zu
überwinden.


Viele Kollegen handeln bis heute nach dem Motto „wo kein Kläger, da kein
Richter“ und fotografieren Menschen auf der Straße ohne deren Kennt-
nis oder deren Erlaubnis. Auch veröffentlichen sie die Bilder im Internet,
drucken sie in Büchern ab oder hängen sie in Ausstellungen. Und ich bin
immer wieder verwundert, wie selten sich jemand beim Fotografen meldet
und sein Recht am eigenen Bild geltend macht. Selbst wenn das geschieht,
reicht es in den meisten Fällen, das Bild nicht mehr öffentlich zu zeigen
und das digitale Negativ zu vernichten. Aber ich möchte Ihnen von dieser
Methode abraten und stattdessen erzählen, wie es auch anders geht.


Da die Street-Fotografie von der Authentizität des Augenblicks lebt, ver-
bietet es sich natürlich, dass Sie die Menschen auf der Straße zunächst
ansprechen, um Erlaubnis bitten und dann fotografieren. Denn sobald sich
Menschen bewusst sind, dass sie fotografiert werden, verhalten sie sich
anders und selbst wenn Sie sie bitten, einfach das weiterzumachen, was sie
gerade tun, erhalten Sie keine ungestellten Aufnahmen mehr.


Also gehen Sie einen anderen Weg: Machen Sie Ihr Foto. Gehen Sie danach
auf das unfreiwillige Modell zu und erklären Sie, dass Sie ein Foto gemacht
haben und möglichst auch, zu welchem Zweck. Besonders praktisch bei
der digitalen Fotografie ist es, dem Modell das Bild auch direkt zeigen zu
können. In der Regel freuen sich die Menschen über ein schönes Foto,
oft biete ich auch an, das Bild per E-Mail zuzusenden. Ich kann mich an
keinen Fall erinnern, wo der Abgebildete nicht geschmeichelt war und die
Erlaubnis verwehrt hat. Manchmal reicht auch schon ein kurzer Blickkon-
takt mit der Person, die Sie fotografieren möchten. Zeigen Sie dabei die
Kamera, häufig zeigt das Modell mit einem kurzen Lächeln sein Einver-
ständnis. Warten Sie aber dann ein wenig ab und beobachten Sie weiter
die Situation. Machen Sie Ihr Foto erst dann, wenn sich die Menschen
wieder unbeobachtet fühlen.


Können Sie Street-Fotografie planen?


Darauf gibt es nur eine Antwort: nein. Denn genau dies ist es, was das
Fotografieren auf der Straße so reizvoll macht. Sie wissen nicht, was auf Sie
zukommt. Welche Motive sich bieten, was passiert. Also spannender, als
alle anderen Genres, die Sie bisher kennengelernt haben. Was Sie jedoch ein
wenig planen können, ist die technische Qualität Ihrer Aufnahme.


Zunächst dachte ich, der Straßenmusiker auf
den Hamburger Landungsbrücken hätte mich
entdeckt. Doch wenn man genau hinschaut,
geht sein Blick an mir vorbei. Kamera: Fujifilm
FinePix S2Pro mit 70-200 mm f/2.8er Objektiv –
Belichtung 1/2000 Sek. bei f/2.8 – Brennweite 300
mm – ISO 100. Foto: Carina Meyer-Broicher
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