Der Spiegel - 20.09.2019

(Barré) #1

E


in heißer Samstag-
nachmittag, ein Som-
merfest der FDP
in Stahnsdorf südwestlich
von Berlin. Es war August,
und Brandenburg steckte
mitten im Landtagswahl-
kampf.
Linda Teuteberg war ge-
kommen, seit April die
Generalsekretärin der Bun-
despartei. Ein Heimspiel
hätte es für sie sein können,
die kleine Stadt liegt in ih-
rem Wahlkreis für die Bun-
destagswahl. Doch die 38-
Jährige wirkte nervös, ihr
Lächeln, wie so oft in letz-
ter Zeit, mechanisch und
künstlich.
Vielleicht lag es an den
Prognosen, die der FDP
nichts Gutes für die Land-
tagswahl verhießen, viel-
leicht auch an Johannes Vo-
gel, der zuerst ans Mikro-
fon trat, jener Kollege aus
dem Bundestag, der sich
auch Chancen auf den Job
des Generalsekretärs der
Bundes-FDP ausgerechnet
hatte. Im Unterschied zu
Teuteberg hat Vogel als Ge-
neralsekretär der Liberalen
in Nordrhein-Westfalen be-
reits Wahlen gewonnen,
stolz erzählte er von den
Erfolgen der schwarz-gel-
ben Landes regierung am
Rhein. Er wünsche den
Brandenburgern, »dass ihr
Land auch in diese Situati-
on kommt«. Dann übergab
er das Mikro an »unsere
Chefwahlkämpferin, unse-
re Bundesgeneralsekretärin und Branden-
burgerin Linda Teuteberg«.
Wie man heute weiß, kam das Land
nicht in diese Situation. Weder in Branden-
burg noch in Sachsen schaffte die FDP den
Einzug in den Landtag. Zwar konnte die
Partei im Vergleich zu den letzten Land-
tagswahlen ihre Ergebnisse verbessern, die
Fünfprozenthürde meisterte sie aber nicht.
Am Ende wirkte das Ergebnis mehr als Nie-
derlage denn als Sieg. In Sachsen trat der
Landesvorstand der Liberalen zurück.


Bei der Suche nach den Verantwort -
lichen landet man zuerst bei Parteichef
Christian Lindner, dann aber sehr bald bei
Linda Teuteberg, der »Brandenburgerin,
Bundesgeneralsekretärin, Chefwahlkämp-
ferin«. Seit dem Wahlabend steht sie unter
verschärfter Beobachtung, denn ihre bis-
herige Bilanz wird in der Partei zuneh-
mend kritisch gesehen.
In den fünf Monaten als Generalsekre-
tärin hat Linda Teuteberg keine eigenen
Akzente gesetzt. »Was macht die eigent-

lich, die kommt ja kaum vor?«, fragen
selbst Wohlmeinende. Die Frau, die einst
mit Charme und Schlagfertigkeit den Pro-
Sieben-Politiker-Wettkampf »Absolute
Mehrheit« gewann, wirkt seltsam ge-
hemmt, seit ihr von Lindner überraschend
der Job angetragen wurde.
Teuteberg ist bislang weder durch inte-
ressante Interviews noch durch inspirie-
rende Papiere oder klare
Forderungen aufgefallen.
Dabei wäre ein Strategie-
wechsel für die Partei bitter
nötig. Zwei Jahre nach
ihrem fulminanten Wieder-
einzug in den Bundestag
verharrt die FDP auf Bun-
desebene in den Umfragen
unterhalb ihres Wahlergeb-
nisses von 10,7 Prozent.
Sie findet kein Rezept, von
den schwächelnden Volks-
parteien CDU und SPD zu
profitieren. »Wir verhar-
ren im Niemandsland der
Tabelle«, sagt ein Mitglied
des Fraktionsvorstands.
Die Erwartungen an
die neue Generalsekretärin
waren hoch. 92,8 Prozent
der Stimmen erhielt sie auf
dem Parteitag im April,
auch weil viele Delegierte
hofften, mit der Personalie
werde endlich ein Verspre-
chen der neuen FDP ein -
gelöst, das bislang nur auf
dem Papier existierte: fe-
mininer und empathischer
zu werden.
Teuteberg ist in der Par-
tei frühzeitig gewarnt wor-
den, dass die Landtagswah-
len im Osten mit ihr als
gebürtiger Brandenburge-
rin verbunden würden.
Als am Nachmittag des


  1. September die Progno-
    sen der Umfrageinstitute
    meldeten, dass es die FDP
    weder in Potsdam noch
    in Dresden ins Parlament
    schaffen würde, bekam
    Teuteberg von ihrer Par -
    teifreundin Marie-Agnes
    Strack-Zimmermann eine SMS: »Du
    machst einen Super-Job, lass Dich vom
    Wahlergebnis nicht verunsichern.« Einige
    würden jetzt die Messer wetzen und eine
    Personaldebatte anzetteln, so Strack-Zim-
    mermann. »Du kannst Dich auf mich hun-
    dert Prozent verlassen.« Strack-Zimmer-
    mann sagt, sie finde es empörend, die ver-
    lorenen Landtagswahlen Teuteberg in die
    Schuhe zu schieben.
    »Es ist doch naiv zu glauben, eine Ge-
    neralsekretärin könne innerhalb von fünf


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Deutschland

Die Unsichtbare


LiberaleFreundlich im Auftritt, hart in der Sache, so soll die neue
Generalsekretärin Linda Teuteberg die FDP aus
ihrer Sinnkrise bringen. Bislang ist davon wenig zu spüren.

Freidemokratin Teuteberg: »Süß oder nicht süß ist für mich keine Kategorie«

HANNES JUNG / LAIF
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