Süddeutsche Zeitung - 20.09.2019

(Barré) #1
von christof kneer

D


iesmal erfolgte keine Einladung.
Im Oktober 2018 hatte der FC Bay-
ern die Medien noch offiziell an
die Säbener Straße gebeten, wobei der
Einladung nicht zu entnehmen war, dass
die Medien an der Säbener Straße dann
beschimpft werden würden. Beim FC Bay-
ern haben sie längst eingesehen, dass sie
in ihrer langen Klubgeschichte schon bes-
sere Ideen hatten als die Abhaltung einer
Veranstaltung, bei der der Reporter Uli
Köhler („Schlaumeier“) und der Ex-Bay-
ern-Profi Juan Bernat („Scheißdreck ge-
spielt“) mit einer besonders schwer ge-
bundenen Ausgabe des Grundgesetzes
ausgepeitscht wurden. Nicht bekannt
war bisher allerdings, dass die Bayern
aus dieser historisch verunglückten Ver-
anstaltung tatsächlich etwas gelernt ha-
ben: Sie schicken vorab keine Mails mehr
raus. Sie beschimpfen jetzt spontan.


Uli Hoeneß und sein FC Bayern sind
traditionell die mächtigste Stimme im
deutschen Fußball, was ja durchaus im
Sinne des deutschen Fußballs sein kann.
Natürlich denken Uli Hoeneß und sein
FC Bayern immer zuerst an Uli Hoeneß
und seinen FC Bayern, aber natürlich wis-
sen sie in München auch, dass sie von ei-
ner funktionierenden Nationalelf selber
profitieren. So haben die Bayern auch an
jenen Reformen beim DFB mitgebaut, im
Zuge derer Jürgen Klinsmann 2004 ins
Amt kam (den sie später, auch das ty-
pisch FC Bayern, mit brachialem Stolz als
Bayern-Trainer präsentierten, um ihn
ebenso brachial bald wieder zu verjagen).
Das, immerhin, ist der Unterschied
von Hoeneß’ aktuellem Auftritt zu jenem
vom Oktober, als er mit Karl-Heinz Rum-
menigge und Hasan Salihamidzic sehr
wütend, aber leider auch sehr unvorberei-
tet vor die Presse trat und, in Ermange-
lung von Argumenten, alle pauschal
durchbeschimpfte. Diesmal ist das Ziel
seines wilden Rittes wenigstens zu erah-
nen: Joachim Löw. Der Bundestrainer hat
sich mit seiner spontanen Klingelaktion
an der Säbener Straße massiv unbeliebt
gemacht, die überfallartige Ausbootung
der Spieler Hummels, Boateng und Mül-
ler in einer für den FC Bayern zentralen
Saisonphase war tatsächlich von impo-
santer Ungeschicklichkeit. So lässt sich
Hoeneß’ Ausbruch auch als Aufforderung
an Löw verstehen, seinen Laden in den
Griff zu bekommen – etwa durch eine Tor-
wart-Entscheidung, die so klar kommuni-
ziert wird, dass sich zum Beispiel der Tor-
wart ter Stegen keine Hoffnungen macht,
die Löw nicht erfüllen kann.
Man kann dem Vereinsgründer Hoe-
neß nicht vorwerfen, dass er ein Interes-
se daran hat, den Vereinstorwart Neuer
zu schützen, den seine Bayern so drin-
gend brauchen. Eines aber haben die Bay-
ern und ihr Vereinsgründer aus ihrer Pres-
se-auf-die-Fresse-Konferenz vom Okto-
ber immer noch nicht gelernt: dass, wer
klare Worte einfordert, auch selber klare
Worte sprechen sollte – klare, nicht laute.
Aber der Hoeneß’sche Schutzreflex wird
immer mehr zu einem Beißreflex, der Kol-
lateralwunden hinterlässt – etwa bei
„Herrn ter Stegen“ (Hoeneß), den man
„mal in die Ecke“ stellen solle, um ihm
„klar“ zu sagen, „dass es so nicht geht“,
wie Hoeneß selbst am Morgen danach
noch martialisch ergänzte. Dass ter Ste-
gen – vielleicht – nur sauer war, weil ihm
Löw – vielleicht – einen versprochenen
Einsatz vorenthielt? Man weiß das nicht
genau, für ein differenziertes Urteil wäre
es aber ganz nützlich, so was zu wissen –
nur sind Feinheiten wie diese nicht mehr
vorgesehen auf Bayerns rhetorischem
Trampelpfad, den man, wenn Namens-
wortspiele mit amerikanischen Präsiden-
ten nicht absolut verboten wären, auch
Donalds Trumpelpfad nennen könnte.
Als Hoeneß nach dem Spiel polterte,
hatte Juan Bernat übrigens gerade zwei
Tore für Paris Saint-Germain vorbereitet.


München– An einem Abend der lauten Tö-
ne sprach Philippe Coutinho sehr leise. Uli
Hoeneß hatte gerade über alles Mögliche
geschimpft, da verließ der Brasilianer als
einer der ersten Spieler die Kabine. Ur-
sprünglich wollte er gar nichts sagen, aber
kurz vorm Ausgang blieb er dann doch ste-
hen. Halb hinter einem Stützpfeiler ver-
steckt, sagte er auf Englisch, dass er heute
schon gerne sein erstes Tor für Bayern
schießen wollte, das wäre ein schönes Ge-
fühl gewesen. Aber er habe kein Glück ge-
habt. Sprach’s und ging. Wichtiger seien so-
wieso der Sieg und das Team. Niko Kovac,
Coutinhos Trainer, hatte den Brasilianer in
einer Pressekonferenz als „bescheiden“ be-
schrieben – dem Eindruck mochte man
nicht widersprechen.

Das 3:0 des FC Bayern zum Champions-
League-Auftakt gegen Roter Stern Belgrad
war noch kein richtiges Coutinho-Spiel,
aber es deutete an, wie Coutinho-Spiele
beim FC Bayern aussehen könnten. Allein
die Anwesenheit des mit 1,72 Metern kleins-
ten Bayern-Profis sorgte für einen Schub

an Kreativität. Auf dem Feld tritt Coutinho
nicht bescheiden auf, er fordert die Bälle in
den schwierigen Zonen; und wo man bei an-
deren Spielern den Eindruck hat, dass sie
im Zentrum des Feldes mit der Enge über-
fordert sind, fand Coutinho mühelos Platz.
In Liverpool nannten sie ihn „Little Magici-
an“, kleiner Magier, und würde man den
Zauberfachbereich spezifizieren wollen,
wäre Coutinho als Entfesselungskünstler
am stärksten. Je dichter die Verteidiger um
ihn standen, desto eleganter schlüpfte er
durch deren Netz. Bei manchen Ballannah-
men, bei manchen Drehungen bekam man
eine Ahnung davon, warum dieser Brasilia-
ner mal der zweitteuerste Fußballer der
Welt war.
Trainer Niko Kovac sprach später von ei-
ner „anderen Dimension“, die Coutinho ins
Bayern-Spiel bringe, und so intergalak-
tisch übertrieben, wie sie zunächst klingt,
war die Aussage gar nicht. Der FC Bayern
agierte in der Robben-Ribéry-Ära traditio-
nell stark über die Flügel, unter Kovac litt
das Außenbahnspiel aber zuweilen darun-
ter, dass es nicht in Tempodribblings ende-
te, sondern in Flankenkaskaden. Mit Cou-
tinho hat Kovac wieder die Zehnerdimensi-
on zur Verfügung – was auch daran liegt,

dass Kovac mit Coutinhos Vorgänger auf
der Zehnerposition, James Rodriguez, dau-
erhaft fremdelte.
102 Ballkontakte hatte der neue Zehner
am Ende gegen Belgrad auf dem Statistik-
zettel stehen, dazu sechs Torschüsse, von
denen zwei richtig knapp am Kasten vor-
bei zischten. Außerdem noch ein Tor, das
wegen Abseits zu Recht nicht anerkannt
wurde. Das sind im Grunde nicht die Werte
eines Spielers, der Anschluss an eine Mann-
schaft sucht, und trotzdem sah man, dass
das sich schnell drehende Rädchen Coutin-

ho noch nicht hundertprozentig in das gro-
ße Uhrwerk FC Bayern passt – was nicht
verwunderlich ist, wenn man bedenkt,
dass Coutinho erst seit vier Wochen beim
FC Bayern ist und davon eine Woche mit
seiner Nationalmannschaft durch die USA
tourte. „Vorne kennen wir unsere Optio-
nen noch nicht genau“, sagte Sportdirektor
Hasan Salihamidzic später. „Wir wissen
noch nicht: Was macht Philippe? Spielt er
Doppelpass? Steckt er durch?“
Eingespielt mit wirklich allem, was den
FC Bayern ausmacht, ist Coutinhos direk-
ter Konkurrent, Thomas Müller. Der traf
wie zum Beweis zum 3:0, weil er sich quasi
telephatisch mit Thiago verständigte, ge-
nau rechtzeitig nach dessen Freistoß loslief
und auch noch ein Tor machte bei seinem
Rekordspiel. Mit dem 106. Einsatz übertraf
er Philipp Lahm als Münchner mit den
meisten Champions-League-Partien.
Coutinho und Müller führen einen Kon-
kurrenzkampf um die Position in der Mit-
te. Gegen Leipzig spielte Müller, gegen Bel-
grad nun Coutinho. Aber im Gegensatz zu
anderen führen Müller und Coutinho ihr
Duell ruhig und zivilisiert. Müller sagte:
„Tatsächlich hat er super Fähigkeiten, da
müssen wir nicht drüber reden. Aber wir

drehen uns ja seit Wochen im Kreis. Ich
muss sagen, wie super der Philippe ist, und
der Philippe muss sagen, wie super ich bin.
Das kann nicht unsere Aufgabe sein. Des-
wegen ziehen wir alle an einem Strang, des-
wegen sind wir in einem Team.“ Beide inter-
pretieren ihre Rolle natürlich maximal ver-
schieden. Coutinho sieht sich als Ballma-
gnet, Müller als Spezialwaffe, die aus dem
Zentrum heraus auf nur ihr bekannten We-
gen den Ball und das Tor findet. Dass beide
ihre Talente zusammen zeigen, schloss
Niko Kovac am Donnerstag vorerst aus-
drücklich aus. Ein System mit Müller und
Coutinho – das ist ihm zu offensiv.

Bislang gleichen sich die Klasse von Cou-
tinho und die Erfahrung von Müller aus,
beide machten in dieser noch jungen Sai-
son je zwei Spiele von Beginn an. Am Wo-
chenende wird die Waage wieder in eine
eindeutige Richtung neigen. Es ist Oktober-
fest, und während Thomas Müller schon
mindestens 106 Einsätze in Lederhosen
hatte, kommt Coutinho bisher auf bloß ei-
nen Fototermin. martin schneider

München– DFB-Direktor Oliver Bierhoff
hat die Kritik des FC Bayern am Umgang
mit Torwart Manuel Neuer zurückgewie-
sen: „Die Vorwürfe überraschen mich, und
ich habe dafür auch kein Verständnis.“ Bier-
hoff sieht keine Veranlassung, dass Joa-
chim Löw die Rangfolge zwischen Kapitän
Neuer, 33, und Marc-André ter Stegen, 27,
vom FC Barcelona neu darlegen müsse:
„Der Bundestrainer hat schon Ende letzten
Jahres gesagt, dass er bis zur EM auf Manu
baut, wenn nichts Außergewöhnliches pas-
siert. Ich weiß nicht, ob man das ständig
wiederholen muss, zumal Manus gerade
zuletzt gezeigte Leistungen doch absolut
für ihn sprechen. Und gleichzeitig sehen
die Trainer auch die herausragenden Leis-
tungen von Marc-André ter Stegen, der sei-
ne Einsätze bekommen wird.“
Konfliktpotenzial fürs Nationalteam er-
kennt Bierhoff nicht: „Beide sind mensch-
lich wie fußballerisch absolute Bereiche-
rungen unseres Teams.“ Den Vorwurf feh-
lender Unterstützung für Neuer weist er zu-
rück: „Man muss sich da schon die Fakten
anschauen. Auf höchstem Level geht es in
erster Linie um Leistung, da reicht Dank-
barkeit allein als ausschlaggebendes Krite-
rium für eine Berufung in die National-
mannschaft sicher nicht aus.“ dpa


von benedikt warmbrunn

München– „Grundsätzlich“, sagt Manuel
Neuer, „bin ich ein Mensch, der keine De-
batten führen will.“ Er führt das dann aus
mit wenigen Sätzen, mit denen er wirklich
in keinem Debattierklub bestehen würde,
so gewollt nichtssagend sind sie. Er sagt,
übrigens zur gesamtdeutschen Presse,
was später noch wichtig werden wird: „Für
mich reicht’s jetzt.“ Dann spricht er mit Ver-
tretern der mutmaßlich gesamtserbischen
Presse auf Englisch über Marko Marin.
Grundsätzlich war das ein interessanter
Ansatz, den Neuer am Mittwochabend ge-
äußert hat, gerade für einen, der Kapitän
ist in den zwei wichtigsten deutschen Fuß-
ballmannschaften, dem FC Bayern und der
Nationalauswahl. So mancher Debatte ist
Neuer in den vergangenen Monaten auch
geschickt ausgewichen, zum Beispiel jener
über Integration, die im Sommer 2018 auf
den Rücktritt von Mesut Özil aus der deut-
schen Nationalelf gefolgt war. Oder jener
im Frühjahr, in der es darum ging, ob Bun-
destrainer Joachim Löw zu Recht und vor
allem mit Stil Thomas Müller, Mats Hum-
mels und Jérôme Boateng aus der DFB-Elf
verabschiedet habe, alle drei langjährige
Mitspieler von Neuer in beiden Teams. Am
Mittwoch, kurz vor Mitternacht, aber ent-
kommt Neuer der Debatte nicht. Einmal
hat er sich in einer Frage klar positioniert,
und nun steckt er in dieser Debatte wie ein
Kieselstein in einem Schneeball, der einen
steilen Hang hinabrollt und dabei größer
und größer wird.
Wäre dieser Schneeball, der sich um das
Thema dreht, wer einen Anspruch auf den
Stammplatz im deutschen Tor hat, an die-
sem Mittwoch stecken geblieben, es wäre
kein Verlust für die Debattenkultur im
deutschen Fußball gewesen. Eine knappe
halbe Stunde, bevor am Mittwoch Manuel
Neuer spricht, kommt aber Uli Hoeneß,
drückt ordentlich Schnee auf den Schnee-
ball, und dann schubst er ihn den Hang hin-
unter, sodass der Ball in einer zuvor un-
möglich erscheinenden Geschwindigkeit
davonrollt. Vor allem rollt er auch Neuer da-

von, dem Torwart, der jede Schwingung so
genau wahrnimmt und der nun ganz gerne
wieder seine Ruhe gehabt hätte.
Vor knapp einer Woche hatte Marc-An-
dré ter Stegen, Torwart des FC Barcelona,
gesagt, dass es für ihn „ein harter Schlag“
gewesen sei, dass Neuer in den Tagen zu-
vor gegen die Niederlande und Nordirland
spielen durfte, und nicht zumindest ein-
mal er, ter Stegen. Am Samstag sagte Neu-
er, der in beiden Länderspielen stark ge-
spielt hatte, dass er die Anmerkungen sei-
nes Ersatzmannes als „nicht hilfreich“

empfunden habe. Für einen Menschen,
der keine Debatten führen will, war das ei-
ne bemerkenswert scharfe Aussage.
Ter Stegen fand das am Montag wieder-
um „unpassend“, allerdings klang er dabei
schon versöhnlicher. Am Dienstag wollte
dann Neuer nur noch sagen: „Wir reden im-
mer persönlich.“ Und damit war im Grun-
de alles gesagt.
Ter Stegen parierte am Dienstag beim
0:0 in Dortmund einen Elfmeter, 24 Stun-
den später traf gegen Neuer nicht einmal
der Kapitän von Roter Stern Belgrad, der
frühere deutsche Nationalspieler Marin.

Der FC Bayern gewann 3:0, und es erinner-
te sich auch kaum noch einer daran, dass
Neuer einmal den Ball ins eigene Toraus ge-
treten hatte (allerdings nach einem opti-
mistischen Rückpass von Joshua Kim-
mich). Es lief also wieder alles seinen Lauf.
Aber noch hatten die Bayern-Bosse ja
nichts gesagt zu dieser Debatte.
Am Mittwoch traten sie auf in einer Rol-
le, die sie besonders gerne spielen: als Be-
schützer der eigenen Spieler, aber weil ih-
nen das noch nie gereicht hat, auch gleich
noch als Beschützer des Anstandes.

Vor dem Spiel gegen Belgrad sagt Rum-
menigge: „Was mir nicht gefällt in der Ge-
schichte, ist das Verhalten des DFB. Da
wird nie so richtig Klartext gesprochen. In
der Öffentlichkeit lässt man das wabern,
und es wird zum Teil auf dem Rücken von
Manuel ausgetragen. Das finde ich nicht
fair.“ Der Vorstandsboss des FC Bayern for-
dert daher „ein Stück Dankbarkeit einem
Mann gegenüber, der 90 Mal für Deutsch-
land gespielt und alles gewonnen hat“.
Und so rollt der Schneeball doch noch
nicht aus. Im Gegenteil, denn dann kommt
Hoeneß und tritt die Lawine los.

Ende August erst hatte er angekündigt,
dass er sich von seinen Ämtern als Präsi-
dent sowie Vorsitzender des Aufsichtsra-
tes zurückziehen werde, damit verbunden
sagte er aber auch: „Sie brauchen sich kei-
ne Sorgen zu machen: Von mir wird noch
was zu hören sein.“ In den zweieinhalb Wo-
chen danach hat sich diese Sorgen keiner
gemacht, vermutlich nicht einmal Hoeneß
selbst. Nachdem er am Mittwoch ein paar
Minuten lang über das Duell im deutschen
Tor gesprochen hat, dürfte auch endgültig
klar sein: Diese Sorgen muss sich in den
nächsten Jahren auch keiner machen.
„Na“, sagt Hoeneß, angesprochen auf
ter Stegen, „ich finde das einen Witz.“
Dann demonstriert er, warum er so gerne
Debatten führt: Er verwirrte erst mit aben-
teuerlichen Ausführungen, um dann bei
seiner Botschaft anzukommen. Zuerst das
Abenteuerliche: die Rolle der Medien. „Die
Münchner Presse finde ich nicht in Ord-
nung. Die westdeutsche Presse unterstützt
den Marc ter Stegen extrem, wie wenn er
schon 17 Weltmeisterschaften gewonnen
hätte. Von der süddeutschen Presse sehe
ich gar nichts, gar keine Unterstützung.“
Wer Hoeneß in diesem Moment zuhört,
der erwartet, dass gleich Rummenigge
ums Eck kommt, um das Grundgesetz zu zi-
tieren, so wie auf jener unvergesslichen
Pressebeschimpfungskonferenz im ver-
gangenen Herbst, bei der es auch darum ge-
gangen war, eigene Spieler – darunter Neu-
er – zu schützen. Damals aber hatten Hoe-
neß und Rummenigge zu sehr das Grund-
gesetz zitiert und selbst zu sehr gepoltert,
sodass nicht ganz klar war, was sie eigent-
lich hatten sagen wollen. Am Mittwoch-
abend spricht Hoeneß ruhiger und weni-
ger emotional, er überholt daher auch
nicht seine Botschaft: seine Kritik am DFB.
Hoeneß sagt: „Ich hätte mir vom DFB
auch mehr Unterstützung gewünscht. Wir
kriegen ständig vom DFB Theater. Zuerst
die unmögliche Ausbootung, die Art und
Weise, wie die drei Spieler hier schlecht be-
handelt wurden. Und jetzt dasselbe wieder
mit Manuel Neuer.“ Hoeneß’ Ton wird nun
doch schärfer, jedes dritte, vierte Wort

peitscht er in die Mikrofone der süddeut-
schen und westdeutschen, womöglich so-
gar in die der ostdeutschen und norddeut-
schen Presse: „Dass man das zulässt, dass
ein Mitspieler in die Öffentlichkeit geht für
ein Thema, das er nur mit dem Jogi Löw zu
besprechen hat, das ist nicht in Ordnung.“
Hoeneß dimmt seinen Ton wieder run-
ter, doch das lässt seinen nächsten Satz
noch bedrohlicher klingen: „Wir werden
uns das nicht mehr gefallen lassen, dass un-
sere Spieler hier beschädigt werden – ohne
Grund.“ Und so verlängert er eine Debatte,
die bis zu seinem Auftritt am Mittwoch-
abend schon an Schwung verloren hatte,
gleich mal in die nächsten Wochen.

Die erste Konsequenz: Dass sich ein
Mensch, der gar keine Debatten führen
will, zu Hoeneß’ Beitrag äußern muss. Neu-
er sagt: „Unterstützer zu haben, ist immer
gut.“ Er habe aber „einmal was gesagt, weil
ich drauf angesprochen worden bin“; nun
wolle er „hier nicht großartig eine Debatte
führen und darüber reden, was wer wie gut
kann“. Es soll ein Machtwort des Kapitäns
sein. Wie aber Hoeneß weiter vorgehen
will, falls die Debatte nicht enden sollte?
„Wir werden den Leuten schon mal bisserl
Feuer geben, ja?“, sagt der und fügt hinzu,
ganz leise: „Das können wir ja.“
Wie gut oder schlecht, das führte er so-
gleich am Tag danach vor, bei einem Bas-
ketball-Termin in der Münchner Arena.
„Er beschädigt hier einen völlig untadeli-
gen Sportsmann wie Manuel Neuer“, holte
Hoeneß erneut aus, forderte von ter Stegen
eine Entschuldigung und nahm „die han-
delnden Personen beim DFB“ in die
Pflicht. Er erwarte jetzt, „dass man den
Herrn ter Stegen schon mal in die Ecke
stellt und ihm klar sagt, dass es so nicht
geht“. Ob bei dieser Attacke die Verhältnis-
mäßigkeit noch gewahrt ist, wäre wohl in
der Ecke nebendran zu besprechen.

DEFGH Nr. 218, Freitag, 20. September 2019 HF3 27


ULI HOENESS / JOGI LÖW

Auf dem


Trampelpfad


Bislangkommt Coutinho erst
auf einen Einsatz in Lederhose

„Kein Verständnis“
Bierhoff kontert Vorwürfe des FC Bayern

Die ersten Tricks des Magiers


Noch gelingt nicht alles, aber der Brasilianer Coutinho deutet gegen Belgrad an, wie das Spiel des FC Bayern mit ihm künftig aussehen könnte


Der Bundestrainer hat sich in


München unbeliebt gemacht


Polterabend nach dem 3:0


Im Anschluss an den Champions-League-Sieg tritt Uli Hoeneß als Anwalt von Manuel Neuer auf. Der Bayern-Präsident kritisiert Löw und den DFB.
Er kommt zu dem Schluss, dass man es sich nicht mehr gefallen lassen werde, dass „unsere Spieler hier beschädigt werden – ohne Grund“

Je dichter die Abwehr stand, desto
eleganter schlüpfte er hindurch

Hoeneß pocht auf Entschuldigung.
Und dass der DFB ter Stegen
„schon mal in die Ecke stellt“

Der dritte und letzte Streich: Thomas Müller vollendet in der ihm exklusiv eigenen Körperhaltung den von Thiago per Strafraum-Lupfer inszenierten Freistoßtrick. FOTO: ALEXANDER HASSENSTEIN / GETTY

SPORT


Bescheidener Zehner: FC-Bayern-Zugang
Coutinho FOTO: ALEXANDER HASSENSTEIN / GETTY

Unterwegs in einem Reizklima: Manuel Neuer bedankt sich beim Münchner Publi-
kum fürsKommen, Jubeln und jede sonstige Unterstützung. FOTO: HASSENSTEIN/GETTY
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