Süddeutsche Zeitung - 20.09.2019

(Barré) #1
Als Verkehrsunternehmen hat man es
imagemäßig nicht leicht. Läuft alles
glatt, nehmen es alle als selbstverständ-
lich hin. Läuft etwas schief – und das ge-
hört zum Alltag – granteln die Men-
schen, was das Zeug hält. Die Münchner
Verkehrsgesellschaft (MVG) feilt nun an
ihrem Image und will den Leuten zeigen,
was sie so alles leistet „Die Mobilitätsma-
cher“ heißt der neue Werbeslogan, der
den alten Spruch „Ganz einfach mobil“
ablöst. Damit will die MVG dem eigenen
Bekunden nach auch ihr „Selbstver-
ständnis als der städtische Mobilitäts-
dienstleister prägnant auf den Punkt“
bringen. Vier Themen sollen die neuen
Plakate abdecken: Da wäre der Klima-
schutz, der Ausbau und die Modernisie-
rung, das Verkehrsnetz von morgen und
die Digitalisierung.
Dass die neue Kampagne ausgerech-
net in der Großbaustelle am Sendlinger
Tor vorgestellt wurde, sei kein Zufall,
sagt Ralf Willrett, der Leiter des Mobili-
tätsmanagements bei der MVG. Denn an
diesem Verkehrsknotenpunkt dort be-
kommen täglich Tausende Menschen
mit, dass sich das Verkehrsunterneh-
men für die Zukunft wappnet. Bei der
Kampagne gehe es vor allem ums Ma-
chen, sagt Willrett. „Wir mögen Baustel-
len auch nicht. Deshalb bauen wir so
schnell wie’s geht“ wirbt die MVG zum
Beispiel. Oder: „Wir haben die Apps. Sie
das Smartphone. Passt!“ Ob das mor-
gens wirklich in überfüllten U-Bahnen

gute Stimmung hervorruft oder einen
einzigen Fahrgast tröstet, dem seine
MVG-App sagt, dass die Tram oder der
Bus zu spät kommen, sei dahingestellt.
Aber die MVG will sich eben nicht über ih-
re zahlreichen Störungen definieren,
sondern zeigen, dass sie den steigenden
Herausforderungen, die das Bevölke-
rungswachstum mit sich bringt, nicht ta-
tenlos zusieht. So betont das Unterneh-
men, dass es in den vergangenen fünf
Jahren eine Milliarde Euro in Erneue-
rung und Ausbau des Verkehrsnetzes in-
vestiert hat und in den nächsten fünf Jah-
ren weitere zwei Milliarden Euro ausge-
ben werde.
Unter anderem investiert die MVG in
eine neue Betriebszentrale, in neue Leit-
technik, einen neuen Trambetriebshof,
neue Züge für U- und Trambahn und ei-
niges mehr. Nur mit einem neuen digita-
len Leitsystem zum Beispiel wäre auf der
U-Bahn ein Zwei-Minuten-Takt mög-
lich. Vor Ende des nächsten Jahrzehnts
wird die Umstellung aber nicht abge-
schlossen sein. Von den Forderungen
nach einem kostenlosen öffentlichen
Nahverkehr hält die MVG übrigens
nichts. Denn einerseits würden ihr wohl
die Fahrgäste die Bude einrennen, gleich-
zeitig würde das Geld für den Ausbau
und Instandhaltung des ÖPNV sowie für
Gehälter fehlen. Dass sich bei einem kos-
tenlosen ÖPNV ein Fahrer ehrenamtlich
ans Steuer eines Busses setzt, ist eher un-
wahrscheinlich. andreas schubert

von heiner effern
und christiane lutz

R


ote und gelbe Kräne ragen in den
blauen Himmel über dem Viehhof-
gelände. Unter ihnen wächst rasant
das neue Volkstheater heran, das man mit
ein wenig gutem Willen schon als solches
erkennen kann. Der Rohbau soll bereits in
fünf Monaten fertig sein. Dass bisher alles
nach Plan läuft, hat Kulturreferent Anton
Biebl erst vergangene Woche bei einer Pres-
sekonferenz im alten Volkstheater zufrie-
den verkündet. Intendant Christian Stückl
und sein Team starten zwar gerade erst in
die neue Spielzeit, müssen sich aber jetzt
schon Gedanken über den Umzug und den
Start im neuen Haus im Herbst 2021 ma-
chen. Die wichtigsten Meilensteine hat die
Münchner Volkstheater GmbH, eine hun-
dertprozentige Tochter der Stadt, nun
auch der Politik vorgestellt. Der Kultur-
und der Kommunalausschuss haben den
Fahrplan und auch die Kosten dafür in
nicht öffentlicher Sitzung genehmigt.


Vier Minuten, sagt Intendant Stückl, län-
ger habe die Sitzung nicht gedauert. Er ist
sehr zufrieden mit dem Ergebnis. Das
neue Volkstheater, für dessen Bau allein
die Stadt nach aktueller Prognose etwa 139
Millionen Euro ausgeben wird, soll einer
der wichtigsten Bühnen Münchens völlig
neue Möglichkeiten eröffnen. Das gilt vor
allem für die Kapazität. Statt bisher zwei

wird das neue Haus drei Spielstätten ha-
ben, es wird Platz für Probebühnen im
Haus sein, auch für die Arbeiten hinter den
Kulissen, Montageräume, Werkstätten,
Garderoben und Maske. Intendant Stückl,
dessen Vertrag bis 2025 verlängert wurde,
will und muss den Spielbetrieb ausweiten.
In der Saison 2021/2022 sollen etwa
13 neue Produktionen entstehen, derzeit
sind es etwa zehn im Jahr, es wird weniger

Schließtage und mehr Vorstellungen ge-
ben. Dafür wird er deutlich mehr Personal
benötigen, auf künstlerischer, verwalten-
der und vor allem auf technischer Ebene.
Diese neuen Stellen hat der Stadtrat nun
auch genehmigt. So wird die Zahl der Voll-
zeitstellen im Volkstheater um die Hälfte
steigen, von jetzt 105 auf 155. Stückl will
zum Beispiel sechs Schauspieler zusätzlich
anstellen, das Ensemble wächst damit auf
22 Köpfe. Außerdem kann er zwei neue
Dramaturgen anstellen. Für die Technik er-
hält das Theater 30 weitere Stellen, für
Bühne, Werkstatt, Ton und Video, aber
auch für Kostüm, Requisite und Maske
wird es zusätzliches Personal geben.
Wen Stückl engagieren will, wisse er
noch nicht. Auch nicht, wie sehr sich das
neue Volkstheater vom alten unterschei-
den soll und wird. „Momenten hinterfra-
gen wir mal alles“, sagt Stückl, „aber wir
wollen schon mit der jetzigen Volkstheater-
DNA umziehen.“ Das neue Haus soll das al-
te bleiben, nur größer. Stückl will sich
künstlerisch auch weiterhin vor allem auf
junge Künstler verlassen. „Immer wieder
reizt es uns, mal große Regie-Namen zu ho-
len“, sagt er, „aber das machen ja die Kam-
merspiele und das Residenztheater schon.
Wir holen gute junge, also vor allem gute.“
Im jetzt genutzten Gebäude in der Brien-
ner Straße zu bleiben, war keine Option.
Das Haus gehört dem Bayerischen Fußball-
verband, der Mietvertrag läuft 2020 aus
und wird nur noch um ein paar Monate bis
zum Umzug verlängert. Der Ort war ohne-
hin noch nie wirklich theatertauglich und
dem Renommée des Volkstheaters auch
nicht angemessen. Dort spielt man bei-
spielsweise ohne Seitenbühnen und Büh-
nenturm, die für einen kreativen Einsatz
von Bühnenbildern eigentlich unerlässlich
sind.
Der Neubau ist auch ein Prestigeprojekt
der Stadt und einer der sehr seltenen Thea-
ter-Neubauten überhaupt. Die Stadt
kommt auch für die knapp acht Millionen
Euro für die Erstausstattung auf. Mehr als
die Hälfte machen dabei die Beleuchtung
und die Audio-Videotechnik aus. Das Licht
für die große Bühne wird komplett neu ge-
kauft und auf LED umgestellt. Weitere

zehn Millionen werden für das Ansteigen
der Betriebskosten des Theaters in den Jah-
ren 2020 und 2021 nötig sein. Diese fallen
zusätzlich zu den knapp zehn Millionen Eu-
ro an, mit denen die Stadt das Volkstheater
pro Jahr bezuschusst.
Wie hoch der Fehlbetrag vom Jahr 2022
an sein darf, hat der Stadtrat noch nicht be-
ziffert. Der Zuschuss für das Volkstheater
aber wird auch künftig unter dem für die
beiden größten städtischen Kulturinstituti-
onen bleiben. Die Philharmoniker sollen
2019 etwa 30 Millionen Zuschuss erhalten,
die Kammerspiele knapp 35 Millionen.

Neue Plakate, bekannte Themen: Es geht bei der MVG beispielsweise um Klima-
schutz oderDigitalisierung. FOTO: ROBERT HAAS

13 Jahre ist es her, dass Alexandra K. ihren
Mann verlor: Er starb am 25. Oktober 2006
bei einem Unfall auf der A 94 nahe der Aus-
fahrt Zamdorf. Sein Ferrari fuhr in einen
Mercedes Sprinter, durchbrach die Leit-
planke und wurde an einem Baum ausein-
ander gerissen. 13 Jahre hat es gedauert,
bis der Fall vor Gericht kam: Am Donners-
tag wurde am Landgericht zum ersten Mal
über die Schadenersatzklage von Alexan-
dra K. verhandelt. Sie fordert 400 000 Eu-
ro von Ferrari, weil eine schadhafte – und
vor dem Einbau nicht ausreichend geprüf-
te – Bremsscheibe der Auslöser des Unfalls
gewesen sein soll.


Die lange Zeit zwischen Ereignis und
Prozess erklärt sich dadurch, dass es zuvor
schon ein anderes Verfahren gegeben hat:
Die Vollkasko-Versicherung des Autobesit-
zers hatte zunächst für das zerstörte Auto
gezahlt, anschließend aber ihrerseits ge-
gen Ferrari geklagt, um sich das Geld zu-
rückzuholen. Der italienische Autobauer
verlor vor dem Landgericht und in der Be-
rufung vor dem Oberlandesgericht, der
Bundesgerichtshof ließ die Revision nicht


zu. Ausschlaggebend für die jeweiligen Ur-
teile war das Gutachten eines Sachverstän-
digen: Er war zu der Überzeugung gelangt,
dass die linke vordere Bremsscheibe des

Wagens fehlerhaft war. Die Scheiben wer-
den vor dem Einbau einem Tauchtest un-
terzogen, also in ein Wasserbecken gelegt;
wenn dabei die richtige Menge an Wasser
verdrängt wird, gilt das Stück als einwand-
frei. Der Gutachter aber meinte, bei dieser
Methode könne nicht festgestellt werden,
ob im Inneren der Carbon-Scheibe nicht
doch Hohlräume vorhanden sind, was sie
im Gebrauch gefährlich machen würde.
Die Klage der Witwe ruhte bis zum Ab-
schluss des anderen Verfahrens. Nun aber
bezweifelt der Ferrari-Anwalt die Richtig-
keit des Gutachtens, das drei Instanzen
überstanden hat. Der Richter am Landge-
richt zog ihm diesen Zahn aber relativ
schnell: Ferraris Zustimmung, mit diesem
zweiten Verfahren zunächst zu warten –
unter anderem mit der Formulierung „zur
Vermeidung einer doppelten Beweisauf-
nahme“ – wertete er als stillschweigenden
Abschluss eines so genannten „Prozessver-
trags“, wodurch das ursprüngliche Gutach-
ten auch in dem jetzigen Prozess herange-
zogen werden könnte. Der Einwand des An-
walts, das Gutachten sei fehlerhaft, ließ er
nicht gelten: „Davon konnten Sie weder
das Oberlandesgericht noch den Bundesge-
richtshof überzeugen.“ Nun haben die An-
wälte beider Seiten noch einmal Zeit, sich
schriftlich zu äußern, der Prozess wird im
Februar fortgesetzt. stephan handel

Geld für große Dramen


Der Stadtratbewilligt das Budget für den Umzug und die Inbetriebnahme des neuen Volkstheaters
im Schlachthofviertel im Herbst 2021. Die Bühne bekommt eine bessere Ausstattung und deutlich mehr Personal

Ein modernes Haus für anspruchsvolle Inszenierungen: Im Herbst 2021 zieht das
Volkstheater in sein neues Domizil im Schlachthofviertel. SIMULATION: LRO-ARCHITEKTEN


Im Neubau wird es
weniger Schließtage und
mehr Vorstellungen geben

Tödlicher Unfall im Ferrari


Landgerichtverhandelt nach 13 Jahren über 400 000 Euro Schadenersatz


Eine Witwe klagt nach dem Unfall ihres
Mannes gegen den Autobauer Ferrari auf
Schadenersatz. FOTO: AFP

Ein Gutachter kam zum


Schluss, dass die linke


Bremsscheibe fehlerhaft war


In fünf Monaten soll der Rohbau für das neue Volkstheater fertig sein. FOTO: CATHERINA HESS


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Künftigwirbt das Unternehmen als „Mobilitätsmacher“ für sich



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