Abend, ohne eine einzige Minute zu verlieren, zu Ilaria ginge und ihr sagte:
»Sieh mich an, ich bin ein freier Mann, ich habe keine Frau mehr, keinen
Vater und auch nicht mehr die politische Karriere, die dich so anwidert, ich
will den Rest meines Lebens mit dir verbringen, und ich glaube, du willst das
auch.«
Plötzlich ist dieses Freiheitsgefühl kein theoretischer Zustand mehr,
sondern eine reale Möglichkeit. Eine Zukunft, die in der Natur der Dinge
liegt, wie als er acht Jahre alt war und Ilaria den ersten Kuss gab – einfach so,
denn den Mutigen hilft das Glück, nicht den Konsequenten.
Piero spürt eine Erleichterung in sich aufsteigen, ein Gefühl von Richtig
und Gut. Eine Entscheidung, die seit Monaten in ihm gereift ist, wie er erst
jetzt feststellt. Vielleicht ist es nicht nur möglich, glücklich zu sein, vielleicht
ist es sogar leicht.
»Und da man nur suchen muss«, sagt sich Ilaria, »wollen wir mal suchen.«
Während sie im Stau zwischen Flüchtlingsheim und Esquilin standen, hat
der Junge ihr nach der Geschichte von Ietmgetas Befreiung aus dem
Gefängnis auch noch von der aktuellen Lage in Äthiopien erzählt. Von der
Korruption, gegen die er, sein Cousin und viele andere junge Leute protestiert
und mit dem Tod oder dem Exil dafür bezahlt haben. Von einem geplanten
weiteren Staudamm weiter im Süden, im Tal des Omo, mit dessen Bau die
Regierung Meles wieder eine italienische Firma beauftragt hat. Wie zu Zeiten
des Derg sind Zwangsumsiedlungen, Umweltzerstörung, Hunger und Morde
vorprogrammiert. Journalisten, die gewagt haben, darüber zu berichten,
sitzen im Gefängnis oder sind verschwunden.
Ilaria gibt neue Schlagwörter ein: »Äthiopien«, »Italien« und »2010«.
Wieder werden unzählige Seiten mit Informationen angezeigt, alles, was sie
wissen will. In einem Artikel von vor wenigen Monaten liest sie Sätze, die
gut zu diesem zweiten Besuchstag von Oberst Gaddafi in Rom passen.
Vielleicht sollten wir uns auf dieselbe Szenerie einstellen wie im
Falle Libyens: Berlusconi wird Äthiopien für den Kolonialismus um
Verzeihung bitten und dem Regime Finanzhilfen als
Reparationszahlungen anbieten. Während das Leben der Äthiopier,
die an dem Staudamm wohnen, zerstört wird und jeder stirbt, der
protestiert.