Landschaft, die man vermessen und aufzeichnen konnte: Lage der
Nasenwurzel, Form des Nasenrückens (konkav oder gerade), der Nasenbasis
(erhöht, horizontal oder abgesenkt), Vorsprung der Nasenspitze. Danach
mussten alle notwendigen Körpermaße genommen und nach verschiedenen
Indices eingeordnet werden: das Skelett bei ausgebreiteten Armen,
Trochanter, Verhältnis Gliedmaßen – Trochanter, Akromion, Darmbein,
Abstand Darmbein – Akromion und Dutzende andere. Die Frauen mussten
aus den Ärmeln ihrer Kleider schlüpfen und sie bis zur Taille hinabschieben,
um die Form der Brust zu bewerten (zitzenförmig, konisch, schalenförmig
oder kugelig); auch das Abschlussfoto wurde mit entblößtem Busen gemacht.
Niemand hätte jemals gewagt, Ciprianis Leica anzufassen. Männer,
Frauen, Kinder wurden einer nach dem anderen vor eine weiße Leinwand
gestellt. Jedes Subjekt bekam von Bertoldi eine Nummer in die Hand, die er
mit einer knappen Beschreibung in sein Notizbuch schrieb: »Typ
Amhare/weiblich/ erwachsen«; »Typ Kunama/männlich/Kind«; »Typ
Baria/männlich/erwachsen«. Nach dem Namen wurde nicht gefragt.
Cipriani hasste die mangelnde Wissenschaftlichkeit der Porträts, die
manche reisenden Schwachköpfe, denen die Tropensonne der neuen
Kolonien das Hirn verbrannt hatte, aus einer Neigung zum Exotischen
anfertigten. Aus tiefster Seele verabscheute er die sexuellen Anspielungen,
mit denen die Frauen abgebildet wurden: zur Schau gestellt, zwischen
prächtigen Stoffen, die jugendlichen Brüste unter Blumenketten
hervorragend, dieses ganze gefährliche Spiel mit dem Sex zwischen den
Rassen und seinen grausigen Folgen, der Rassenmischung. Was es
stattdessen brauchte, war wissenschaftliche Strenge und methodologische
Klarheit.
Daher hatte Cipriani in die Anthropologie die moderne Technik der
Karteiführung eingebracht, wie sie seit einigen Jahrzehnten in den
Strafregistern der zivilisierten Welt für Verbrecher und psychisch Kranke
Usus war. Von den Subjekten wurden zwei Fotos im Halbporträt
aufgenommen, eins von vorne, eins im Profil.
Er wusste bereits, dass viele dieser Fotos in der Monatsschrift Die
Verteidigung der Rasse abgedruckt werden würden, die in Kürze erscheinen
sollte, gegründet von Telesio Interlandi, dem Herausgeber des Quadrivio,
und federführend bei dem Ziel, dem wissenschaftlichen Rassismus endlich
die ihm gebührende Verbreitung zukommen zu lassen. Dafür waren
jeff_l
(Jeff_L)
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