noch Geldscheine, nur zwei Münzen. Er ging langsam, aber stetig, denn
niemand sollte merken, dass er nicht den geringsten Schimmer hatte, wohin
er ging.
Was nicht ganz stimmte. Er suchte das Auto, irgendwo musste es ja
stehen. Er würde wegfahren damit, allen eine Lektion erteilen, vor allem
denen, die ihn nicht ernst nahmen. Er würde nach Hause fahren, nach Lugo;
seine Mutter, ja, die behandelte ihn gut. Ein undeutlicher Schmerz stieg aus
seinem Solarplexus auf und erinnerte ihn gegen seinen Willen daran, dass
Viola vor vielen Jahren gestorben war, als sie noch jünger war als er jetzt. Sie
im Wettkampf besiegt zu haben bereitete ihm keine Befriedigung. Und noch
jemand anderen hatte es gegeben, der viel jünger, als er es war, gestorben war
und dessen Tod ihn traurig gestimmt hatte. Aber er konnte sich gerade nicht
daran erinnern, wer das gewesen war.
Wie jeden Sonntag war Sie heute Vormittag in die Kirche gegangen. In
den langen Jahren, in denen ihr Zusammensein der halben Welt verborgen
geblieben war, hatte Attilio nicht einen einzigen Feiertag mit Ihr verbracht.
Und auch später, als Eheleute, war Sie weiterhin allein zur Messe gegangen.
»Ich warne dich! Die Kirche toleriert nicht einen Hauch von Freiheit!«
Wie oft hatte Attilio dieses Motto, von wem auch immer es stammte, schon
zitiert, wenn Sie an den Feiertagen das Haus verließ. Doch nun war wieder
alles anders. Martina aus Moldawien besuchte sonntags immer den
Gesprächskreis der Pflegekräfte (im Seitenflügel des Bahnhofs Termini bei
Regen, bei Sonnenschein auf dem Piazzale dei Partigiani), und Anita wollte
Attilio nicht mehr allein lassen. Also war er heute, wie an allen Sonntagen
der vergangenen Wochen, mit Ihr in den hässlichen Kirchenbau ihres Viertels
gegangen. Und hatte die Predigt mit seinem Schnarchen unterlegt.
»Bewegend, was Don Giulio heute über das ewige Leben gesagt hat«,
meinte Anita zu ihrem Mann, während sie ihm die Kirchenstufen
hinunterhalf. »Schade, dass du es nicht mitbekommen hast.«
Attilio flatterte mit den Augenlidern, wie immer nach seinen kleinen,
geräuschvollen Nickerchen. »Ich habe es genau mitbekommen«, hatte er
leicht verärgert erwidert. »Die üblichen Ammenmärchen.«
»Das sind keine Märchen. Das ist die Heilige Schrift, die großen Trost
spendet. Immerhin müssen wir alle mal sterben.«
»Sprich für dich!«, hatte Attilio ausgerufen und sich dann in trotziges
Schweigen gehüllt. Die anderen drei Worte, die er sich mit neun Jahren
jeff_l
(Jeff_L)
#1