kleine Attilio, der immer rannte, als sei das normale Gehen eine Kunst, die er
nicht beherrschte, verlangsamte seinen Schritt, wenn er die Frau in Schwarz
erblickte, und passte sich dem unsichtbaren Rhythmus ihrer ewigen Trauer
an.
Paolinas Mann hatte ein Jahr nach dem Tod des Sohnes seinen Trauerflor
abgelegt. Vor dem Krieg hatte Graf Enrico Baracca sich mehr durch seine
pedantisch gepflegte Kleidung hervorgetan als durch sonstige Verdienste.
Von dem faulen, duldsamen Charakter des Kartenspielers ging die Rede, er
habe sich nur einmal die Mühe gemacht zu streiten, nämlich als er mit seinem
Bruder schimpfte, weil dieser den groben Umhang eines Bauern trug anstelle
eines Mantels, der besser zu dem edlen Grundbesitzer gepasst hätte, der er
war. Wenn er den Pavaglione durchquerte, mit seiner Frau am Arm und dem
dichten, wohlgepflegten Schnurrbart, den langen Beinen, die er dem Helden
Francesco vererbt hatte, gutmütig und oberflächlich, fragte sich niemand,
warum die Orden nicht an der Brust des Vaters hingen. Die Antwort lag auf
der Hand: Neben der Trauer seiner Gattin wirkte das, was Graf Enrico zur
Schau trug, wie eine Modellskizze neben einem monumentalen Denkmal.
Doch im Italien des Jahres 1919 herrschte überall Trauer, und sie nahm
gefährliche Formen an. Viele Kriegsversehrte, für die man sich schämte, als
seien sie eine Schuld und nicht der enorme Preis, den der Krieg gefordert
hatte, fanden im Volkskampf den rechten Ausdruck für ihre tief empfundene
Empörung. Viele traumatisierte Rückkehrer, wie der Fahrkartenverkäufer
Rizzatello Beniamino, hatten ihre Angst in soziale Wut verwandelt. Über das
ganze Land zogen Stürme der Unzufriedenheit und Rebellion. Die Fabriken
wurden besetzt. Ernanis Kollegen in den Bahnhöfen der großen Städte
schlossen sich den Aufständen an. Auf einen ersten großen Streik im Januar
folgte der nächste am ersten Mai, danach blockierten die Eisenbahner in
proletarischer Solidarität die Eisenbahnwaggons, in denen die königlichen
Streitkräfte und Carabinieri saßen, welche die Arbeiterrevolten
niederschlagen sollten. Der Sturm der Revolte kam auch Lugo sehr nahe: Ein
Onkel des Grafen Baracca wurde von Bauern auf seinem Landgut in
Alfonsine umgebracht.
Um den gefährdeten sozialen Zusammenhalt zu festigen, brauchte es
daher ein Bindemittel von besonderer Kraft. Man fand es im Namen der
Gefallenen. Immer wieder wurde unermüdlich erklärt und wiederholt, dass
das vergossene Blut nicht nur heldenhaft und glorreich gewesen war, sondern
jeff_l
(Jeff_L)
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