Dieses Datum hatte der Duce, der sorgsam zwischen katholischer Kirche und
dem heidnischen Kult um den Faschismus, besser gesagt um sich selbst,
navigierte, nicht dem Zufall überlassen. Seit nunmehr fast zehn Jahren
wiederholte er: »Der Faschismus ist nicht nur ein Regime, es ist ein Glaube;
er ist nicht nur ein Glaube, sondern eine Religion, die die arbeitenden Massen
des italienischen Volkes erobert.« Seit Wochen appellierte er eindringlich an
die italienischen Frauen, den Abessinien-Krieg zu unterstützen, indem sie ihr
Gold dem Vaterland spendeten. Die Häuserwände waren gepflastert mit
Plakaten des dampfenden Tiegels, in dem die wichtigsten Schlagworte
eingeschmolzen wurden: KÜHNHEIT, MUT, WILLE, GLAUBE. Darunter
stand: »Im Tiegel des Faschismus verschmelzen die Werte der Sippe, und es
entsteht ein fester Barren des Sieges.« Der Glaube und der Trauring. Die
Ergebenheit an den Faschismus und der kleine goldene Ring, der die
Ergebenheit jeder Frau für ihren Mann bezeugt. Ein wirksameres Bild ist
kaum vorstellbar. Deshalb war die Hand, die in Zeitungen, Zeitschriften und
Plakatwänden anmutig den Ring in das Sammelbecken legte, stets eine
Frauenhand. Von den Ringen der Ehemänner war keine Rede, offensichtlich
wurde ihr Goldanteil in der Kriegsanstrengung nicht benötigt.
Opferbereitschaft und Einwilligung in den Krieg wurden nur von den
verheirateten oder verlobten Frauen verlangt. Es war eine Art umgedrehte
chemische Reaktion: vom Ehegold zum Kriegsgerät, von der ehelichen
Hingabe der Frau zur männlichen Kriegstugend. Vor allem versuchte man,
Italien zu verwandeln von einem weiblichen Land voll Schönheit und Milde
in die maskuline imperiale Potenz. Zu diesem Zweck brauchte es eine
niemals endende Propaganda.
In Lugo wie in ganz Italien war der Mittelpunkt der Ring-Zeremonie ein
großer Metallbehälter. Er stand auf einem Tisch unter einem Schutzdach,
verziert mit Liktorenbündeln und den Fahnen des faschistischen Parteibüros.
Vor dem Backsteingebäude neben dem Uhrturm hatten sich trotz des Wetters
Hunderte Menschen versammelt. Seit Tagen fiel ein grauer Regen auf Italien
herab, frustrierend und ohne das Pathos von Unwettern. Am Vorabend war
Ernani mit einer Erkältung und heißer Stirn zu Bett gegangen; am Morgen
war er nur schwer hochgekommen. Viola schob ihren Kopf näher an seinen
heran, nicht etwa aus einer Regung der Zuneigung, auf die ihr Mann schon
lange nicht mehr hoffte, sondern um sich unter seinem Regenschirm besser
vor der Nässe zu schützen.
jeff_l
(Jeff_L)
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