haben, auch weil wir alle jünger sind als er. Wenn heute jemand unter uns
wäre, der genauso alt ist wie er oder gar noch älter, nein, ich glaube nicht,
dass Attilio darüber froh wäre. Überhaupt nicht. Aber zum Glück hattet ihr
alle den Anstand, die Feinfühligkeit, nach 1915 geboren zu werden. Dafür
will ich mich in seinem Namen bedanken. Damit können wir heute offiziell
festhalten: Attilio Profeti hat den Wettkampf gewonnen.«
Ilaria schaut auf. Auf der anderen Seite des schmalen Hofes, im
gegenüberliegenden Fenster, stellt ein junger Mann mit rotbrauner Haut
behutsam einen Computer auf das Fensterbrett.
Tatsächlich hat ihr Vater in seinem Wettkampf eine Menge Leute
geschlagen. Oberst Gaddafi, um nur einen zu nennen, der viel jünger war als
er. »Sic transit gloria mundi«: So kommentierte sein guter Freund Silvio, der
mit dem Handkuss, die Bilder der Menge, die das Startzeichen für den
Lynchmord an dem Vater Libyens gab, indem sie ihm einen angespitzten
Stock ins Rektum schoben, in einer neuen Art des kaudinischen Jochs.
Ebenso hat Attilio Profeti Meles Zenawi geschlagen, das Schoßkind des
Westens unter Äthiopiens Führern, verantwortlich für die Massaker in Addis
Abeba von 2005, der wenige Tage zuvor einem Tumor erlegen ist. Er war
siebenundfünfzig, vierzig Jahre jünger als er – ein klarer Vorsprung, eine
unbestreitbare Revanche gegenüber dem Auftraggeber von Shimetas
Mördern, dem Sohn von Abeba und seinem Sohn. Wer noch lebt, ist
hingegen Haile Mariam Mengistu, der beinahe eine halbe Millionen
Menschen hat umbringen lassen und nun sein Alter in aller Ruhe im Exil in
Simbabwe verbringt. Es muss allerdings gesagt werden, dass im Rahmen des
Wettkampfs sein Überleben kein Schandfleck ist: Attilio Profeti war fast
zwanzig Jahre älter als er, sie spielten also nicht in derselben Liga. Und auch
Berhanu Bayeh lebt noch, doch vielleicht hätte er sich manchmal eine
schnelle Erschießung gewünscht, da er immer noch in der italienischen
Botschaft zusammen mit den anderen zwei früheren Derg-Ministern sitzt.
Seine einzige Beschäftigung in den letzten Jahren war das Pokerspiel, und die
Einsätze waren mal ein Apfel, mal zwei Zigaretten oder wer als Nächstes die
Musik auswählen darf, die auf dem alten Kassettenrekorder abgespielt wird.
»Ich will euch aber auch nicht verheimlichen, dass ich vor zwei Jahren
noch völlig andere Sachen über ihn gesagt hätte. Bis dahin glaubte ich
nämlich, ihn mehr oder weniger zu kennen, wie jedes erwachsene Kind
seinen alten Vater kennt, ich wusste, dass ich manches über ihn weiß, aber
jeff_l
(Jeff_L)
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