das nach sich gezogen hätte. Und als Emilio vor dem ersten Gang wütend auf
sein Handy eintippte, war ihr klar gewesen, an wen die SMS ging.
Als Emilio und Federico noch auf demselben Kontinent lebten, hatten sie
ihre Zeit damit verbracht, sich gegenseitig wegzunehmen, was wegzunehmen
war: Spielzeug, Stifte, Spielkameraden, Freundinnen, Verlobte. Ilaria war
sehr viel jünger als sie, so dass die Rivalität ihrer Brüder quasi über ihren
Kopf hinweg ausgetragen worden war (manchmal auch tatsächlich mit
Schlägen oder Beleidigungen), ohne sie stark zu berühren. Wie jede
ordentliche Fehde war auch diese endlos und nicht durch vernunftgesteuerte
Ratschläge von außen zu befrieden. Wer mit ihr konfrontiert wurde, hielt sich
besser raus. Leider hatte es diverse Frauen gegeben mit ansehnlichem
Äußeren und der Neigung, Schmeicheleien ernst zu nehmen, die erst zu spät
begriffen hatten, dass sie lediglich als Schlachtfeld für den Brüderkampf
herhalten mussten. Federico und Emilio gingen aufeinander los, ein
unaufhörliches Duell mit Stichwaffen, dessen Verlauf mit Freundschafts- und
Beziehungsleichen gepflastert war. Gefangene wurden nicht gemacht. So war
es auch kein Zufall, dass Emilio erst heiratete und Kinder bekam, als der
ältere Bruder endlich Italien verlassen hatte. Wenn Ilaria sich in diesem Krieg
hätte positionieren müssen, wäre sie vielleicht eher auf Federicos Seite
gewesen. Denn der hatte sich wenigstens nie für diese raubtierhafte, primitive
Rivalität entschuldigt. Emilio hingegen stellte seine Eroberungen zu
Federicos Schaden, wie Freundinnen des älteren Bruders, die er schnell mal
gevögelt hatte, als legitime Verteidigung und gerechte Revanche dar für das,
was er hatte erleiden müssen. Das verlieh seinem Tun in Ilarias Augen einen
unangenehm weinerlichen Beigeschmack. Jedenfalls blieb bei all der
wütenden Aufmerksamkeit, die die beiden einander entgegenbrachten, für sie
selbst wenig übrig. Vielleicht verstanden Ilaria und ihr jüngerer Halbbruder
Attilio sich deswegen so gut: Beide fanden hier das Geschwisterverhältnis,
das sie sonst nicht hatten.
»Selbst die Krümel hast du noch weggeputzt!« Anita wies auf den leeren
Teller ihres Mannes, dem sie gerade ein dickes Stück Birnenkuchen serviert
hatte. Seit sie in Pension war, hatte sie im Großen und Ganzen drei
Hauptbeschäftigungen: enorme Mengen Nahrungsmittel einzukaufen, sie in
köstlichste Mahlzeiten zu verwandeln und Attilio vorzuwerfen, dass er sie
verzehrte. Er reagierte mit einer Mischung aus Gleichgültigkeit, aufgrund
seiner großen Müdigkeit, und dem vagen Gefühl des Kleinkindes, dem
jeff_l
(Jeff_L)
#1