Zusammenbruchs. An sein gnadenloses Selbstmitleid, genährt durch die
unheilvolle Beschreibung der semitischen Verschwörung gegen die
rechtschaffenen Italiener. Ihr fiel das abschätzige Lächeln ein, mit dem ihre
achte Klasse reagierte, wenn in der Geschichtsstunde die Rede auf das von
Mussolini vielbeschworene Plutokraten-Juden-Freimaurer-Komplott kam,
mit dem der Duce das faschistische Regime zum Opfer stilisiert hatte. Sie
fragte sich, ob sie es genauso lustig gefunden hätten, wenn sie noch eine
vierte Gruppe hinzugefügt hätte: die Chinesen. Oder besser die »Gelben«, um
auf die rassistischen Beleidigungen noch eins draufzusetzen.
Erst als Ilaria schon jahrelang in der Gegend wohnte, war ein Freund mit
klassisch italienischem Heiligennamen und chinesischem Nachnamen
gekommen, der als geborener Römer mit starkem Trastevere-Einschlag
sprach, dabei aber komplett asiatisch aussah, und hatte ihr erklärt, dass hinter
den gespenstischen chinesischen Läden eine sehr viel banalere Realität
steckte: eine Art illegale Kabotage, klein, aber mit Durchschlagskraft. Es
waren Show-Rooms für die Großhändler neben der Autobahn – eine
kaufmännische Aktivität, die im Stadtzentrum nicht erlaubt war, gegen die
aber kein Bürgermeister sich die Mühe gemacht hatte vorzugehen. Und
natürlich reichte auch niemals ein benachbarter italienischer Kaufmann, auch
nicht der stolze Patriot mit seinen Haushaltsgeräten, eine Petition für mehr
Steuerkontrollen ein. Von wegen gelbe Invasion: Die Lage auf dem Esquilin
hatte sich im typischen Grauton eingependelt, irgendwo zwischen legal und
illegal, was viel mehr als Ocker und Amarant seit eh und je die heimlich
dominierende Farbe Roms war.
Als Ilaria an diesem Tag nach Hause ging und an die Worte »ihr von
außerhalb« dachte, fiel ihr ein, was Lina am Tag von Ilarias Einzug gesagt
hatte.
»Weißt du, das ist ein bunt gemischtes Viertel hier«, und der Stolz der
alteingesessenen Mieterin sprach aus ihrer Stimme, während sie den ersten
Kaffee einschenkte. Das war fünf Jahre her, nur einen Wimpernschlag vor
dem Tornado der neuen Zeit, dem Fall der Mauer, den unaufhaltsam und
skrupellos fließenden globalen Waren- und Menschenströmen, die den
Planeten und den Bezirk Esquilin neu durchmischen würden. Also noch vor
der Ankunft der Chinesen, Bangladescher, Nigerianer, Senegalesen,
Afghanen und Marokkaner. »Hier, Ilà, gibt es Leute, die von sehr weit
herkommen: Frosinone, Rieti, den Abruzzen, sogar aus den Marken. Selbst
jeff_l
(Jeff_L)
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