schmetterling

(Martin Jones) #1

aufkochend wütet der Yuba dagegen an, zwängt sich durch das verengte Bett,
darüber die teilnahmslose Weite. Luther sieht all dies, und alles spricht der
Vorstellung Hohn, seine Zeit sei eine andere als die Zeit, beansprucht
fundamentale Gültigkeit und verweist seine Erinnerungen ins Reich bloßer
Phantasie.
Er läuft die Wildwestfassaden der Hauptstraße entlang. Auf der
Ankündigungstafel neben der Touristeninformation schuftet ein Goldsucher
samt Sieb vor einem grob gepinselten Bergpanorama, die Sonne wie eine
zwischen die Gipfel gespießte Orange. Seit Jahr und Tag müht er sich dort,
annonciert sind dieselben Talentshows und Wohltätigkeitsveranstaltungen
wie gestern. Neben dem Lebensmittelladen parkt derselbe Kühllaster,
Paletten mit Softdrinks werden ins Innere getragen, die Besitzerin, bis unters
Kinn bepackt, schafft es, ihm mit drei Fingern zuzuwinken, während ihre
Mutter alles Geschehen aus dem Schatten der Veranda verfolgt, das
Misstrauen des Alters im Blick. Die Morgenluft beginnt sich zu erwärmen,
moosbewachsene Eichen werfen Schatten auf die sonnenbeschienene Straße.
Hinter den Scheiben der Yuba Gallery ist einheimische Kunst ausgestellt,
Aquarelle und ein riesiges Foto, das Kähne auf einem Bergsee zeigt. Über der
verschlossenen Tür verheißt ein angenageltes Hufeisen dem Eintretenden sein
kleines Glück, daneben öffnet die alte Lady aus Deutschland zur selben Zeit
wie gestern ihren Souvenir-Shop, beispiellose Verdichtungen von Kitsch –
allein der porzellangewordene Streifzug durch die lokale Fauna, in der neben
glasierten Eichhörnchen, Enten und Schnecken auch Engel heimisch sind,
sucht seinesgleichen. Auf einer Häkeldecke wälzen sich lachende
Keramikbären, auch sie dieselben? Als Luther die deutsche Lady grüßt, meint
er in den Schnauzengesichtern plötzlich Häme zu erkennen. Er eilt weiter; in
grausiger Ausgelassenheit scheinen sie ihm hinterherzustarren. Das
unbehandelte Holz des Yuba Theatre noch dunkler als sonst, vollgesogen mit
nächtlichem Regen, Bette Jo und Frank Lang in A. R. Gurney’s Love Letters,

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