schmetterling

(Martin Jones) #1

Abstand. »Ich weiß nicht, wann Tamy kommt.«
Ein Schlüssel dreht sich im Schloss.
Ihr brecht in Gelächter aus, das ist nun wirklich wie aus einem miesen
Film. Du bist verwirrt, erregt, enttäuscht, erleichtert. Aber hier kommt deine
Tochter, und sie trägt einen Gitarrenkoffer. »Daddy!« statt Luther, sagt diese
Tamy immer Daddy? Stürmische Umarmung. Redefluss. Probe mit der Band.
Klingen immer mehr wie Blondie. Debbie Harry, großes Vorbild. Die Tamy
in Loyalton? Steht mehr auf Alt-J. Musikeridole? Fehlanzeige, aber sie spielt
ja auch keine Gitarre. Alles erfährst du, ohne Fragen stellen zu müssen.
Kommende Woche treten sie auf, im Yuba Theatre, du selbst hast das
eingestielt, Tamy und drei Mitschüler, Cover-Versionen, Eigenes. Hätte da
nicht ein Plakat hängen müssen? Besser nicht fragen. Tamy kommt schon
morgen zum Soundcheck. Du schaust auf die Uhr. Viertel vor zehn.
»Ich muss noch arbeiten. Wegen Palo Alto. Seid nicht böse –«
»Wir hätten dich ohnehin rausgeworfen«, sagt Jodie mit gekünsteltem
Gähnen. »Ich muss in aller Herrgottsfrühe zum Zikkurat. Übernachtest du
wieder im Rodeway Inn?«
»Ja.«
Sie bringen dich zur Tür. Tamy erdrückt dich fast mit Zuneigung. In Jodies
Augen liest du Ratlosigkeit, warum sie fühlt, was sie fühlt – und eben dieses
Gefühl.
An Ratlosigkeit könnt ihr es miteinander aufnehmen.


Der Himmel jetzt saphirblau, voller Sterne.
Als Luther auf den fast leeren Parkplatz einbiegt, strahlt das Rodeway Inn
die Heimeligkeit eines Asyls aus. Entlang der Fassade verteilen sich die
Außenlampen wie freundliche kleine Sonnen, die Türen laden ein, in sich
selbst zu verschwinden. Keinem muss man hier in die Augen schauen. Allein
auf seinem Bett liegend, kann man sicher sein, von niemandem belästigt zu
werden als von sich selbst.

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