schmetterling

(Martin Jones) #1

seinetwegen war er tot.
»Wie hat sie ihn –«
»Kopfschuss.«
»Es tut mir so leid, Ruth. So unendlich leid.«
»Ja.« Wieder Schweigen. »Und du, du tust mir leid. Ich versuche mir
vorzustellen, wie die letzten vierundzwanzig Stunden für dich waren.«
»Alles existiert doppelt. Alles gibt es zweimal. Die ganze Welt, alles und
jeden. Und Nordvisk ist die Verbindung.«
»Wann hast du den Termin?«
»Um zwölf.«
»Ruf mich vorher noch mal an. Versuch zu schlafen. Irgendwie.«
Irgendwie –
Er schlägt sich Wasser ins Gesicht. Denkt an Jodie und auf welch
entsetzlicher Lüge ihre Beziehung jetzt gründet. Wie oft hat er an sie gedacht
während der letzten acht Jahre, morgens vor dem Spiegel, der ihm denselben
zeigte, der er in glücklicheren Tagen gewesen war: hochgewachsen, schwarz
wie sein ghanaischer Vater, mit ebenmäßigen Zügen und einem Körper, der
nur aus Muskeln zu bestehen schien. Ein Erbe, für dessen Erhalt er nie viel
tun musste. Kein Typ für subtile Attribute. Er schaut und lässt den Blick
jenseits der spiegelnden Fläche verloren gehen, in einem Raum ohne Kontur,
Fixpunkt, Gott oder einer vergleichbaren Instanz, von der Antworten zu
erwarten wären. Während all der dunklen Jahre hat er diesen gewaltigen
Körper wie ein zu großes Haus bewohnt, für dessen Fassadenpflege es gerade
noch reichte, nur dass man niemanden hineinbitten mochte. Unvermittelt
wird ihm eine zweite Chance geschenkt, doch um welchen Preis?
Sein Handy klingelt. Er geht zurück ins Schlafzimmer.
»Hey, Luther.« Der ermittelnde Sergeant. »Ich war nicht sicher, ob ich Sie
um diese Zeit anrufen kann, aber ich dachte, Sie schlafen eh nicht.«
»Da haben Sie richtig gedacht.«
»Geht’s Ihnen einigermaßen?«

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