schmetterling

(Martin Jones) #1

sich die schlanken Triebe der Unterwasserpflanze, tasten suchend umher,
verhaken sich in den Kadaver und beginnen ihn von seinem Platz in den See
zu zerren, und Luther erkennt, dass er die ganze Zeit über die aus dem
Wasser ragenden Beine eines riesigen Insekts gesehen hat, das dort kopfüber
hängt, den Blicken entzogen, lauernd in seiner Blase. In stummer
Übereinkunft hasten sie zum Gleiter, springen auf die Sitze, während sich
etwas aus dem See erhebt, das keiner von ihnen später wird beschreiben
können, weil ihre ganze Aufmerksamkeit darauf abzielt, dem
unausdenkbaren Dschungel zu entkommen, doch dass Säugetiere in dieser
Welt nicht mehr die größten und tödlichsten Räuber sind, ätzt sich Luther für
alle Zeiten ein.
Als sie starten, wirft keiner noch einen Blick nach unten.
Niemand wird hierher zurückkehren.


»Kenny? Da ist was!«
Phibbs hockt vor den Stufen. Zumindest glaubt er, dass es Stufen sind,
zwar überwachsen von der allgegenwärtigen Kristallschicht, jedoch weniger
dick, sodass sich ihre Konturen durchdrücken. Zwischen einer Ansammlung
schlanker Minarette hat er sie entdeckt, nachdem er bestimmt zehnmal an der
Stelle vorbeigelaufen ist.
»Kenniboy? Hierher!«
Sein Hemd klebt am Körper. Ein dünner Film aus Dunst ist aufgezogen,
die Sonne darin eine gleißende Lache. Jedes Zeitgefühl ist ihm
abhandengekommen – wäre da nicht der Mercedes, der immer mal wieder
hinter den Kuppeln, Nadelzinnen und Auftürmungen in Sicht gerät, hätte er
sich wohl längst schon hoffnungslos verlaufen. So vielfältig die Landschaft
im Detail, so gleichförmig erscheint sie auf einer größeren Skala. Seine alte
Timex ist zu einer unsinnigen Zeit stehen geblieben, außerdem ist das Glas

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