Die Welt Kompakt - 18.09.2019

(vip2019) #1

8 POLITIK DIE WELIE WELIE WELTKOMPAKTTKOMPAKT MITTWOCH,18.SEPTEMBER


Wadschdi al-Ghassaui

I


n Saudi-Arabien sitzen ge-
genwärtig mehr als 30 Jour-
nalisten im Gefängnis. Eini-
ge von ihnen verbüßen Haft-
strafen, die bereits unter dem
fffrüheren König Abdullah so-rüheren König Abdullah so-
wie dem Kronprinzen Salman
ausgesprochen wurden.
WWWadschdi al-Ghassauiadschdi al-Ghassauiist ei-
ner dieser Journalisten.


Der Moderator und Grün-
der des Fernsehsenders al-
Fadschr wurde im August 2012
fffestgenommen und zwei Jahreestgenommen und zwei Jahre
später von einem Gericht zu
zwölf Jahren Haft verurteilt.
AAAußerdem sprachen die Rich-ußerdem sprachen die Rich-
ter ein 20 Jahre währendes
AAAusreiseverbot gegen al-Ghas-usreiseverbot gegen al-Ghas-
saui aus. Laut Anklageschrift
wwwurde der Journalist wegenurde der Journalist wegen
„Unruhestiftung“ und „Diffa-
mierung des Staates und sei-
ner Institutionen“ verurteilt.
Angesichts der Tatsache,
dass Medienschaffende in Sau-
di-Arabien seit Jahren willkür-
lich inhaftiert werden, haben
Organisationen wie Reporter
ohne Grenzen jedoch Zweifel
an den Vorwürfen angemeldet.
Repressive Straf-, Anti-Terror-
und Internetgesetze erlauben
es dem saudischen Königs-
haus, kritische Stimmen zum
Schweigen zu bringen.
AAAuf der Rangliste der Pres-uf der Rangliste der Pres-
sefreiheit von Reporter ohne
Grenzen steht Saudi-Arabien
auf Platz 172 von 180 Ländern.


#FreeFree


them


all


FFFreeree


them all


In Kooperation mit
REPORTER OHNE GRENZEN


B


ei zwei Anschlägen in
Afghanistan sind min-
destens 46 Menschen
getötet worden. Selbstmor-
dattentäter der radikalislami-
schen Taliban griffen im Nor-
den des Landes eine Wahl-
kampfveranstaltung von Prä-
sident Aschraf Ghani und in
Kabul einen zentralen Platz
an, in dessen Nähe sich die
US-Botschaft und das Oberste
Gericht befinden. Die Bilanz:
Mindestens 24 Tote und 31
Verletzte in der Stadt Chari-
kar in der nördlichen Provinz
Parwan, 22 Tote und 38 Ver-
letzte in Kabul. Ghani blieb
bei dem Anschlag in Charikar
unverletzt.


4 6 Tote bei


Anschlägen in


Afghanistan


D

ie Demonstranten,
die seit Monaten vor
dem Parlament in
London für respekti-
ve gegen den Brexit demonstrie-
ren, hatten es am Dienstagmor-
gen nicht weit. Sie mussten nur
den Parlamentsplatz überque-
ren, um ihrem Unmut vor dem
Supreme Court Luft zu machen.
Dort begann um halb zehn Uhr
Ortszeit eine mindestens dreitä-
gige Anhörung. Diese soll klären,
ob Premierminister Boris John-
son die Abgeordneten vergange-
ne Woche rechtmäßig in die
ZZZwangspause schicken durfte. wangspause schicken durfte.

VON STEFANIE BOLZEN
AUS LONDON

Eine äußerst heikle Frage, die
ein schottisches Gericht mit
Nein, ein englisches hingegen
mit Ja beantwortet hat. Sollte
der Oberste Gerichtshof sich
der schottischen Meinung an-
schließen, könnte das eine
schwere konstitutionelle Krise
auslösen und sogar Johnsons
Rücktritt bedeuten.
Die Verhandlung vor Großbri-
tanniens Obersten Richtern geht
aaaber weit über den konkretenber weit über den konkreten
Streitfall hinaus. Viele Briten zie-
hen generell in Zweifel, dass sich
die Justiz in politische Fragen
einmischen darf. In Deutschland
gilt das als eine Selbstverständ-
lichkeit - Stichwort „Verfassungs-
patriotismus“. In Großbritan-
nien hingegen herrscht in der
Frage keine Einigkeit.
Dabei ist zu bedenken, dass
die Briten keine schriftliche Ver-
fffassung haben. Ihre Rechtsspre-assung haben. Ihre Rechtsspre-
chung orientiert sich an Konven-
tionen. Zudem ist der Oberste
Gerichtshof, in dem am Dienstag
elf Richterinnen und Richter
Platz nahmen, eine ganz junge
Einrichtung. Vor gerade zehn
Jahren nahm er seine Arbeit auf.
Bis dahin fielen seine Aufgaben
einem im Oberhaus angesiedel-
ten Ausschuss zu, der mit in den
Lordstand erhobenen Juristen
besetzt war. Wegen der offen-
sichtlichen Vermengung zwi-
schen Judikative und Legislative
reformierte die damalige Labour-
Regierung dieses Konstrukt. Seit-
her entscheidet der Oberste Ge-
richtshof über Fragen, die für die
britische Politik relevant sind.
Wie hochpolitisch die in Frage
gestellte „Prorogation“ des Par-
laments ist, machte am Dienstag
gggleich zu Beginn die Vorsitzendeleich zu Beginn die Vorsitzende
Richterin deutlich. „Es ist wich-
tig zu betonen, dass wir uns nicht
mit den politischen Aspekten be-
fffassen, die den Kontext der juris-assen, die den Kontext der juris-
tischen Frage bilden,“ sagte
Brenda Hale. Damit wollte sie
klarstellen, dass die Richter sich
nicht in der Verantwortung se-
hen für die möglichen politi-

schen Folgen ihrer Entscheidung.
Dass eine vorsitzende Richte-
rin sich im Eingangsstatement zu
einer solchen Aussage genötigt
sieht, illustriert den öffentlichen
Druck, den die Justiz auf sich las-
ten sieht. Nicht nur seitens der
Brexit-Anhänger, sondern auch
der Regierung von Boris Johnson
selbst. Der hatte Ende vergange-
ner Woche seinen Brexit-Minis-
ter Kwasi Kwarteng in Interviews
sagen lassen, dass es bedenklich
sei, in welchem Ausmaß „sich
Richter in die Politik einmi-
schen“. Kwarteng warnte davor,

dass „viele Brexit-Anhänger, viele
Menschen im ganzen Land be-
ginnen, die Überparteilichkeit
der Richter infrage zu stellen“.
ZZZwar ruderte Premier John-war ruderte Premier John-
son kurz darauf zurück und be-
tonte, dass „die britische Justiz
unabhängig ist und wir deshalb
in der ganzen Welt bewundert
werden“. Es sei „enorm wichtig,
dass wir die Unabhängigkeit der
Justiz respektieren“. Aber der
VVVorwurf an die Richter, denorwurf an die Richter, den
KKKwarteng nicht als seinen eige-warteng nicht als seinen eige-
nen, sondern als Vorwurf der
Bürger verstanden haben wollte,

ist ein weiteres Element im Wer-
ben der Konservativen um die
WWWählergunst. Demnach habenählergunst. Demnach haben
Johnson und die normalen Bür-
ger den Brexit-Prozess satt und
wollen den EU-Ausstieg zum 31.
Oktober beenden. Das aber wird
von einem Establishment un-
möglich gemacht, in dem Rich-
ter, Politiker und EU-freundli-
che Medien kollaborieren.
Schon vor mehr als zwei Jah-
ren wurde dieses Narrativ von
den Brexit-Anhängern benutzt.
Die Anti-Brexit-Aktivistin Gina
Miller gewann damals ihre Kla-
ge vor dem Obersten Gerichts-
hof, in der Folge durfte das Par-
lament über die Auslösung des
Brexit-Prozesses abstimmen.
Denn auch Johnsons Vorgänge-
rin Theresa May hatte zuvor
versucht, die Abgeordneten aus
der Umsetzung des Brexit-Vo-
tums im Juni 2016 auszuschlie-
ßen. Viele britische Brüssel-
Gegner fühlen sich nach drei
Jahren zermürbender Verhand-
lungen und Blockaden daher
bestätigt, dass Politik und Jus-
tiz den EU-Ausstieg erfolgreich
zu unterminieren verstehen.
Wie aufgeladen das Verfahren
in London ist, beschrieb der Re-
porter-Veteran David Dimbleby
am Dienstag vor dem Gerichts-
gebäude so: „Ich habe die Suez-
Krise mitgemacht, die Streiks der
Bergarbeiter, die Demonstratio-
nen gegen den Irak-Krieg. Aber
ich habe unser Land noch nie so
gespalten gesehen wie heute.“
In den kommenden Tagen
muss das Gericht nun darüber
urteilen, ob ein Urteil über die
umstrittene Prorogation über-
haupt seine Angelegenheit ist.
Der High Court in London hatte
vor zwei Wochen entschieden,
dass die Zwangspause eine politi-
sche und keine juristische Ange-
legenheit sei. Stimmt das Obers-
te Gericht damit nicht überein,
dann muss es im nächsten
Schritt über die Rechtmäßigkeit
der Zwangspause entscheiden.
Am Dienstag wurde dazu zu-
nächst die Klägerseite angehört.
Gina Millers Anwalt David Pan-
nick sagte, Johnson habe die Ab-
geordneten in die Zwangspause
geschickt, um das „Risiko“ zu
umgehen, dass „das Parlament
in diesem Zeitraum Maßnah-
men ergreift, die die Politik sei-
ner Regierung durchkreuzen
oder beeinträchtigen“. Ein kon-
stitutioneller Grundsatz sei
aber: „Das Parlament ist souve-
rän und die Exekutive ist gegen-
über dem Parlament verant-
wortlich.“ Im Anschluss spra-
chen die Anwälte von Premier
Johnson. Sie wiesen darauf hin,
dass durch die Regierung ver-
ordnete längere Zwangspausen
seit Jahrzehnten Usus seien.
AAAm Mittwoch hören die Rich-m Mittwoch hören die Rich-
ter nochmals die Vertreter der
Regierung. Mit Spannung wird
am Donnerstag der Auftritt von
Johnsons Vorgänger und Partei-
fffreund John Major erwartet. Derreund John Major erwartet. Der
Ex-Premier hat sich der Klage
von Gina Miller angeschlossen.
Mit einem Urteil wird Ende die-
ser oder Anfang nächster Woche
gerechnet.

Richter als ärgste Feinde


derBrexit-Anhänger


In London urteilt das Oberste Gericht über die Zwangspause


Ein Demonstrant vor dem Supreme Court in London.
„Sulk“ heißt schmollen und ist ein Wortspiel mit Hulk

REUTERS

/ TOBY MELVILLE

Der CSU-Europapolitiker
Manfred Weberhat dem
britischen Premierminister
Boris Johnson im Brexit-
Streit auf ganzer Linie wi-
dersprochen. „Es gibt keinen
Fortschritt, das ist absolut
klar“, sagte der Fraktions-
chef der Europäischen
Volkspartei im EU-Par-
lament in Straßburg. John-
son hatte schon vor einem
Treffen mit EU-Kommis-
sionschef Jean-Claude Jun-
cker große Fortschritte auf
dem Weg zu einem geän-
derten Brexit-Abkommen
gemeldet und anschließend
gesagt, er sei nun noch ein
bisschen optimistischer. Die
EU-Seite wartet immer

noch auf konkrete britische
Vorschläge. Weber kritisier-
te auch Johnsons Absage
einer Pressekonferenz in
Luxemburg wegen einer
Gegendemonstration. Wer
wie Johnson provokant
seine Positionen vertrete,
müsse Widerspruch aus-
halten. „Insofern ist das
schon etwas dünnhäutig.“
Weber widersprach zudem
der Sicht, Johnson setze mit
seinem harten Brexit-Kurs
den Willen des Volkes durch.
Das Argument, man müsse
Volkes Wille notfalls sogar
gegen den Willen des Par-
laments durchsetzen, „ist
eine Entwicklung, die sor-
genvoll stimmen müsste“.

CSU-Vize Weber widerspricht Johnson scharf
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