Süddeutsche Zeitung - 18.09.2019

(Tina Sui) #1
Seit April 2018 liefert die Berner Mars-Ka-
mera„Cassis“ hochaufgelöste, farbige Bil-
der der Marsoberfläche. Ein Beispiel ist
diese Aufnahme von Dünenfeldern in der
Nordpolregion des Mars. Im Winter, wenn
es wegen der sehr dünnen Atmosphäre bit-
terkalt wird – teils unter minus hundert
Grad Celsius –, bildet sich eine rund einen
Meter dicke Schicht aus nahezu transparen-
tem Kohlendioxid-Eis. Wenn die Sonne im
Frühjahr wieder stärker wird, erwärmt sie
die Sandschicht darunter. Dabei entsteht
eine Art Druckofen: Das Kohlendioxid-Eis
verdampft an der Unterseite der Eis-
schicht, der Druck steigt und steigt, bis das
Gas das Eis in Form von Geysiren durch-
bricht. Dabei werden auch Sand und Staub
mit an die Oberfläche geschleudert, was als
dunkle Punkte und Streifen auf dem Bild
zu erkennen ist. „Das ist ein spannendes,
alljährlich zu beobachtendes Phänomen,
das es auf der Erde nicht gibt“, sagt Nicolas
Thomas vom Physikalischen Institut der
Universität Bern, unter dessen Leitung
„Cassis“ (Colour and Stereo Surface Ima-
ging System) entwickelt wurde. lauj

Frühling auf


dem Mars


von kathrin zinkant

A

ls der Gemeinsame Bundesaus-
schuss (G-BA) Anfang 2015 erstmals
durchblicken ließ, dass ein einfa-
cher Bluttest auf die sogenannte Triso-
mie 21 – allgemein bekannt als Down-Syn-
drom – für schwangere Frauen künftig von
der Kasse bezahlt werden könnte, lagen
die Nerven blank. Von Diskriminierung
war die Rede, manche sprachen gar von ei-
ner Ausrottung Behinderter. Über Jahre
wurden heftige Debatten um die ethische
Tragweite einer solchen Entscheidung ge-
führt. Im März dieses Jahres hat der G-BA
seine Beschlussvorlage für die Erstattung
durch die Kassen zur Diskussion gestellt,
am Donnerstag soll darüber entschieden
werden. Die wichtigsten Fragen und Ant-
worten zum heiklen Thema.

Um was für einen Test handelt es sich?
Das Verfahren, um das es am Donnerstag
geht, nennt sich nichtinvasive Pränataldia-
gnostik. Anstelle einer Probenentnahme
von Fruchtwasser oder Plazentagewebe
wird der Mutter lediglich Blut abgenom-
men. In diesem Blut lassen sich Fragmente
vom Erbgut des Ungeborenen nachweisen
und prüfen. Aus den Ergebnissen der Ana-
lyse kann auf eine Trisomie und auf Vertei-
lungsfehler der Geschlechtschromosomen

geschlossen werden, die zu schweren Ein-
schränkungen des Kindes nach der Geburt
führen. Nachweisbar ist zudem eine soge-
nannte Mikrodiletion, die ebenfalls zahlrei-
che Fehlbildungen des Babys verursacht.

Wer kann den Test nutzen?
Jede Schwangere, die über genetische Risi-
ken ihres ungeborenen Kindes Aufklärung
wünscht, kann den Test schon jetzt von ih-
rem Arzt durchführen lassen. Das Blut
wird eingeschickt und von den Testherstel-
lern analysiert. Nach vier Tagen erhält der
behandelnde Arzt das Ergebnis und teilt es
der Schwangeren mit.

Wer bezahlt den Test und was kostet er?
Die Kosten müssen die angehenden Eltern
bislang meist selbst tragen, nur wenige
Kassen bezahlen den Test im Einzelfall.
Der Preis hat sich in den vergangenen Jah-
ren jedoch stark reduziert. Kostete der so-
genannte PraenaTest vor sieben Jahren
noch 1300 Euro, beträgt der Preis für eine
Einfachuntersuchung auf das Down-Syn-
drom heute 130 Euro. Ein Test auf alle nach-
weisbaren Chromosomenstörungen kos-
tet beim Erfinder des Tests, Lifecodexx,
derzeit knapp 340 Euro.

Ab wann ist der Test einsetzbar?
Die Menge des fötalen Erbguts im Mutter-

blut reicht derzeit erst ab der siebten Wo-
che nach Einnistung des Embryos in die Ge-
bärmutter für einen Test aus. Das ent-
spricht der neunten Woche nach der letz-
ten Regelblutung, also der neunten
Schwangerschaftswoche (SSW). Die Treff-
sicherheit des Verfahrens nimmt in den
darauffolgenden Wochen der Schwanger-
schaft weiter zu.

Sind weitere Tests nötig?
Der Test gilt als sehr sicher, mehr als
99,9Prozent der Trisomien 21 werden rich-
tig erkannt. Dennoch kann es durch Fehler
während der Blutentnahme, der Behand-
lung der Proben oder deren Analyse zu fal-
schen Ergebnissen kommen. Nach einem
positiven Befund, also dem Nachweis einer
Chromosomenstörung, wird deshalb emp-
fohlen, das Ergebnis durch eine invasive Di-
agnostik abzusichern, also durch eine
Fruchtwasseruntersuchung oder eine Cho-
rionzottenbiopsie.

Gibt es Alternativen zum Test?
Pränatale Diagnostik zur Erkennung eines
Down-Syndroms oder anderer Fehlbildun-
gen des Fötus wird auch ohne den Test be-
reits angeboten und im Fall einer Risiko-
schwangerschaft auch von den Kranken-
kassen bezahlt. Als Risikoschwangere gel-
ten bislang Frauen ab 35 Jahren, aber auch

Schwangere, bei denen es Hinweise auf
Fehlbildungen des Ungeborenen gibt oder
die schon ein Kind mit Einschränkungen
zur Welt gebracht haben. Der sogenannte
Triple-Test und einschlägige Ultraschall-
untersuchungen wie die Nackentranspa-
renzmessung geben jedoch nur über die
Wahrscheinlichkeit Auskunft, ein Kind
mit Down-Syndrom zur Welt zu bringen.
Eine invasive Diagnostik ist anschließend
zwingend nötig, sollte die Schwangere Ge-
wissheit wünschen.

Was steht im Beschlussentwurf des G-BA?
Der Beschluss sieht vor, dass Risiko-
schwangere den Test auf Kosten der Kran-
kenkassen ab der 12. Schwangerschaftswo-
che durchführen lassen können. Dabei be-
tont der Entwurf jedoch, dass ein „statis-
tisch erhöhtes Risiko“ der Frau, also ihr Al-
ter, allein nicht ausschlaggebend für eine
Erstattung sein kann. Entscheidend sei die
„individuelle Situation“ der Schwangeren.
Die Patientenvertreter haben dem Ent-
wurf hinzugefügt, dass ein Test auf Kosten
der Kassen erst ab der 12. Schwanger-
schaftswoche erfolgen darf. Das hieße,
dass eine Abtreibung nach positivem Be-
fund nicht mehr innerhalb der Fristenlö-
sung möglich wäre, sondern durch eine
psychisch extrem belastende Spätabtrei-
bung.

Wird es zu mehr Abtreibungen von Föten
mit Down-Syndrom kommen?
Behindertenverbände befürchten dies, al-
lerdings ist eine Antwort auf die Frage spe-
kulativ. Das dichte Netz von Ultraschallun-
tersuchungen und Testangeboten sorgt
längst dafür, dass die meisten Kinder mit
Down-Syndrom vor der Geburt erkannt
werden. Die Mehrheit der Eltern entschei-
det sich nach der Diagnose einer Triso-
mie 21 zudem schon heute gegen die Ge-
burt des Kindes, in den meisten Fällen ist
dafür eine Spätabtreibung und damit eine
aktive Tötung des oft mehrere Monate al-
ten Fötus nötig. Der stark erniedrigte Preis
des Bluttests ermöglicht es aber immer
mehr Frauen und Paaren, eine frühe Dia-
gnose zu erhalten und einen Abbruch vor-
zunehmen, wie er nach der Fristenrege-
lung mehr als 100 000 Mal im Jahr stattfin-
det – und zwar gänzlich unabhängig vom
Gesundheitszustand des Ungeborenen.

Falls der G-BA den Entwurf beschließt, ist
er dann sofort wirksam?
Nein. Das Bundesministerium für Gesund-
heit muss den Beschlüssen des G-BA zu-
stimmen. Da der G-BA zudem eine Versi-
cherteninformation zur zwingenden Be-
dingung für die Kassenerstattung des
Tests machen will, wird die neue Regelung
nicht vor Ende 2020 zu erwarten sein.

Nach offiziellen Angaben gibt es noch zwei
Orte aufder Welt, an denen Pockenviren
gelagert werden: In den Labors der ameri-
kanischen Seuchenschutzbehörde CDC in
Atlanta und im russischen Pendant, dem
Vector-Labor südöstlich von Nowosibirsk.
Dort soll am Montag ein Feuer ausgebro-
chen sein.
Auf seiner Webseite veröffentlichte das
Labor am Montag eine spärliche Stellung-
nahme, laut der ein Gastank im fünften
Stock des Gebäudes während Renovie-
rungsarbeiten explodiert war. Der Brand
sei auf 30 Quadratmetern in einem Be-
reich ausgebrochen, in dem keine biologi-
schen Materialien gelagert werden und sei
schnell unter Kontrolle gebracht worden,
berichten russische Staatsmedien. Ein
Mann sei mit Verbrennungen in ein Kran-
kenhaus eingeliefert worden. Eine Gefahr
für die Bevölkerung bestehe laut Behörden-
angaben nicht. Die lokale Feuerwehr be-
trachtete das Feuer zunächst als Routine,
stufte den Brand jedoch zu einem „schwe-
ren Vorfall“ hoch, nachdem klar war, in
welcher Art von Einrichtung das Feuer
ausgebrochen war. Auch am Tag nach der
Explosion war die genaue Ursache des
Vorfalls noch unklar. Russische Behörden
untersuchen den Unfall nun.


Das Pockenvirus gilt als einer der gefähr-
lichsten Krankheitserreger. Es wird nicht
nur leicht von Mensch zu Mensch übertra-
gen, es ist auch besonders gefährlich. Je
nachdem, mit welchem Virus-Typ sie sich
infiziert haben, sterben bis zu 75 Prozent
der Patienten. Während des Kalten Krieges
suchten beide Supermächte nach Metho-
den, Pockenviren als Biowaffen einzuset-
zen. Seit Beginn der 1980er-Jahre gelten
die Pocken dank wirkungsvoller Impfstof-
fe weltweit als ausgerottet. Sie existieren
nur noch in den amerikanischen und russi-
schen Hochsicherheitslabors. Inwieweit
dort noch mit den gefährlichen Erregern
gearbeitet wird, ist nicht bekannt. Bislang
konnten sich die USA und Russland nicht
darauf einigen, ihre Pockenproben zu ver-
nichten.
Auch an Ebola, HIV und Milzbrand wird
im Vector-Labor gearbeitet. Zuletzt ent-
wickelten die Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler dort einen Impfstoffkan-
didaten gegen das Ebola-Virus, der zurzeit
erprobt wird. Während des Kalten Krieges
arbeiteten Schätzungen zufolge bis zu
60 000 sowjetische Wissenschaftler an
Bakterien und Viren, mit dem Ziel, sie für
den Einsatz in Biowaffen infektiöser und
aggressiver zu machen. So wurde zum
Beispiel versucht, Gene vom Ebola-Virus
auf Pocken zu übertragen, um diese noch
gefährlicher zu machen. Die Programme
wurden 1992 beendet, nachdem der dama-
lige russische Präsident Boris Jelzin ein-
geräumt hatte, dass diese Arbeiten die in-
ternationale Biowaffenkonvention verletzt
haben. Experten bezweifeln jedoch, dass
weltweit die staatliche Forschung an Bio-
waffen tatsächlich ruht. Im Jahr 2004
starb eine Vector-Forscherin, nachdem sie
sich durch eine verunreinigte Kanüle mit
dem Ebola-Virus infiziert hatte. Bei einer
Untersuchung im Jahr 2016 stuften Mitar-
beiter der WHO das russische Labor zu-
letzt als sicher ein. hanno charisius


Heikles Wissen


Diesen Donnerstag soll entschieden werden, ob Krankenkassen künftig einen Bluttest auf das Down-Syndrom


bei ungeborenen Kindern bezahlen. Das Thema ist ethisch hoch umstritten


Explosion im


Sicherheitslabor


In derrussischen Einrichtung
lagern Pocken- und Ebolaviren

Seit Anfang der 1980er-Jahre


sind Pocken in der Natur


weltweit ausgerottet


14 HF2 (^) WISSEN Mittwoch,18. September 2019, Nr. 216 DEFGH
FOTO: ESA, ROSCOSMOS, CASSIS
Lösungen vom Dienstag
835
7
65 3
78
49
43
46
23
1
9
2
1
7
6
Die Ziffern 1 bis 9 dürfen pro Spalte und Zeile
nur einmalvorkommen. Zusammenhängende
weiße Felder sind so auszufüllen, dass sie nur
aufeinanderfolgende Zahlen enthalten (Stra-
ße), deren Reihenfolge ist aber beliebig. Weiße
Ziffern in schwarzen Feldern gehören zu kei-
ner Straße, sie blockieren diese Zahlen aber in
der Spalte und Zeile (www.sz-shop.de/str8ts).
© 2010 Syndicated Puzzles Inc. 18.9.
SZ-RÄTSEL
Firouzja – Pashikian (Tarrasch-Verteidigung)
Vom 9.September bis 4. Oktober geht im sibiri-
schen Khanty-Mansiysk der FIDE World Cup 2019
über die Bühne. 128 Spieler aus 47 Ländern liefern
sich dramatische Mini-Matches auf zwei Partien,
bei Gleichstand entscheidet ein Tiebreak im
Schnell – und Blitzschach. Da auch zwei Plätze für
das Kandidatenturnier um den Herausforderer
des Weltmeisters vergeben werden, sind viele
Spieler der obersten Weltelite am Start. Besonde-
res Interesse richtet sich auch auf einige der größ-
ten Nachwuchshoffnungen, wie den 16-jährigen
iranischen Großmeister Alireza Firouzja, der
schon die magische Grenze von 2700 Elopunkten
übersprungen hat und in folgender Partie aus der
ersten Runde sein großes taktisches Talent de-
monstriert:1.Sf3 d5 2.e3 Sf6 3.c4 e6 4.Sc3 c5 5.
cxd5 exd5 6.d4 Sc6 7.Lb5 cxd4 8.Sxd4 Ld7 9.0–
Ld6 10.Sf3 Le6 11.b3 0–0 12.Lb2 Tc8 13.Tc1 Se5 14.
Sd4(dieser Stellungstyp mit isoliertem schwar-
zen Damenbauern birgt viel taktisches Potential,
hier kann die kleinste Nuance einen entscheiden-
den Unterschied machen und die Aktivität der Fi-
guren spielt eine zentrale Rolle)14...a6 15.Le
Lb8 16.Sa4 Dd6 17.f4(verschärft das Spiel und
zwingt den Gegner zu schwierigen Entscheidun-
gen)17...Sed7 18.Lf3 b5 19.Sc3 Sc5 20.Sce2 Ld
21.Sg3(dieses feine Manöver verschafft Weiß die
Initiative)21...Tfe8(schwach wäre 21...g6 22.
Sde2 Tfe8 23.Dd4 Kg7 24.Sc3)22.Sdf5 Lxf5 23.
Sxf5 De6 24.g4 Ld6 25.Sxd6 Dxd6 26.g5 Sfe
27.Le5 Dd8 28.Lg4 Ta8 29.Dd4 f6(der erste klare
Fehlgriff, erforderlich war das aktive 29...Txe
30.fxe5 Dxg5 31.Tf4 h5 bzw. 30.Dxe5 Sd3)30.gxf
gxf6 Diagramm 31.Txc5(behält den Überblick im
taktischen Verwirrspiel)31...Sxc5(danach ist es
vorbei, nur 31...fxe5 32.Dxd5+ Dxd5 33.Txd5 exf
34.Txf4 Sc3 35.Td7 Tad8 gab Überlebenschancen)
32.Lxf6 Dd6 33.Le5 Dg6 34.f5 Df7 35.Lf3 Se
36.Lxe4 dxe4 37.Kh1 Te6 38.Dd5(Schwarz gab
auf, denn schreckliche Materialverluste stehen
ins Haus, z.B. 38...Tee8 39.Tg1+ Kf8 40.Ld6+ Te
41.Dxa8+). stefan kindermann
Sudokuschwer
3964 5 1287
4528 7 3196
8172 69345
7 3518296 4
9 215467 3 8
64 83975 1 2
2697 1 8453
1746 35829
5839 24671
5 3 4
1 2 8 7
4 2
7 6 4 9
8
1 9
1 7 3 5
9 3 7
2 3 1 5
Str8ts: So geht’s
TaktischesTalent
Str8tsleicht
a 8 7 6 5 4 3 2 1
bcdef gh
Position nach 30...gxf
21 43 89
154 32 798
23 756
34 87965
43 768 12
79586 43
876 23
768 43125
89 54 76
65
4
1
9
3
Schwedenrätsel

Free download pdf