Frankfurter Allgemeine Zeitung - 12.09.2019

(Michael S) #1

SEITE 8·DONNERSTAG, 12. SEPTEMBER 2019·NR. 212 Zeitgeschehen FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG


A


m14. Oktober endet der Zwangs-


urlaub, in den Premierminister


Johnson die Unterhausabgeordneten


geschickt hat. Seine Begründung: Das


sei ein normaler Vorgang. Offenkundig


hält nicht nur die Opposition das für ei-


nen gänzlich unnormalen, die Rechte


des Parlaments beschneidenden Vor-


gang. Das höchste schottische Gericht


erklärte die Beurlaubung für gesetzwid-


rig, die Motive des Regierungschefs für


unlauter. Unabhängig von unmittelba-


ren Folgen ist das Urteil für Johnson an


Peinlichkeit kaum zu übertreffen. Er,


der (angeblich) die Souveränität des Kö-


nigreichs über dessen Belange wieder-


herstellen wollte, muss sich sagen las-


sen, er wolle das Parlament kaltstellen,


um keine Rechenschaft ablegen zu müs-


sen. Johnson (der gern mit dem Finger


auf andere zeigt) sollte jetzt Demut


üben. Die lange Suspendierung des Un-


terhauses sei ein Akt exekutiver Er-


mächtigung, hatte der Parlamentspräsi-


dent wütend ausgerufen. Das Gericht


urteilt ähnlich. Wer hätte gedacht, dass


die Brexit-Ultras sich am Parlament ver-


greifen würden, das sie sonst als Leucht-


turm der Demokratie anpreisen? Auch


daran wird man sich erinnern. K.F.


S


ofern hohe Mitarbeiter Donald


Trumps nach ihrer Entlassung über-


haupt auf die Frage eingehen, was sie


denn erreicht hätten, raunen die meis-


ten von lauter Katastrophen, die sie ver-


hindert hätten. Leute wie der frühere


Außenminister Rex Tillerson oder die


einstigen Generäle James Mattis und


John Kelly, die als Verteidigungsminis-


ter beziehungsweise Stabschef in Un-


gnade fielen, gaben bisher aber nicht


viele Details preis. Bei Sicherheitsbera-


ter John Bolton, den der Präsident am


Dienstag feuerte, kann er sich nicht auf


vornehmes Schweigen verlassen. Bol-


ton ist ein außenpolitischer Triebtäter


ohne erkennbare Selbstzweifel. Seine


Loyalität zu Trump endete immer an


der Grenze der eigenen Überzeugun-


gen: überall da, wo Trump „Deals“ mit


Feinden Amerikas schließen wollte


oder militärisch zauderte. Bolton dürf-


te schon bei Annahme der Position kla-


rer als Trump gewesen sein, wie klein


die Schnittmenge war; schnell lernte er,


dass sich Trump nicht von Beratern


steuern lässt. Für Amerikas Freunde


und Feinde ist es daher zweitrangig,


wen Trump nun zu seinem vierten Si-


cherheitsberater kürt. anr.


D


em Pontifikat von Franziskus, so


viel lässt sich schon jetzt sagen,


haftet ein gehöriges Maß an Tragik an.


Kaum eine der hochfliegenden Erwar-


tungen, die er selbst geweckt hat, ist bis-


her in Erfüllung gegangen: Die Kirche


ist nicht weniger autokratisch verfasst


und wird nicht weniger männerbün-


disch regiert als ehedem. Daher die in-


zwischen mit Händen zu greifende Rat-


losigkeit von Katholiken, die an den


feudalistischen Strukturen und der mo-


ralischen Lethargie ihrer Kirche ver-


zweifeln. Die Frage, wofür dieser Papst


eigentlich steht und wofür nicht, be-


wegt aber auch Katholiken, die die Er-


wartungen, die Franziskus geweckt hat,


von Beginn an als einen Angriff auf die


Integrität der Kirche und des Glaubens-


gutes interpretiert haben. Sie treiben


den Papst seit langem mit der ruchlo-


sen Behauptung vor sich her, Franzis-


kus arbeite auf eine Kirchenspaltung


hin, weil er die Grenzen zwischen drin-


nen und draußen verwische und tradi-


tionelle katholische Identitätsmarker


zur Disposition stelle. Wenn dem nur


so wäre! Stattdessen stiftet der Papst


mit fast jeder Äußerung nur noch mehr


Verwirrung über seine Absichten. D.D.


Eigentlich sollte es der Tag des Minis-


terpräsidenten Shinzo Abe werden.


Der Nationalkonservative steht kurz da-


vor, der am längsten amtierende Regie-


rungschef Japans zu werden. Mit der


Kabinettsumbildung am Mittwoch ver-


sprach er Stabilität, aber auch Schwung


und Offenheit für Neues. Deshalb be-


rief Abe den Jungpolitiker Shinjiro Koi-


zumi erstmals ins Kabinett. So wurde


es der Tag des jungen Koizumi.


Mit 38 Jahren ist Koizumi der dritt-


jüngste Minister, den Japan seit 1945


hatte. Er ist Spross einer alteingesse-


nen Politikerdynastie. Sein Vater, Juni-


chiro Koizumi, war von 2001 bis 2006


einer der beliebtesten Ministerpräsiden-


ten, ein marktliberal-konservativer


Draufgänger, der Elvis Presley verehr-


te. Auch Shinjiros Großvater und Ur-


großvater dienten in der Regierung.


Bei der Wahl 2009 erbte Koizumi den


Parlamentssitz seines Vaters.


Der junge Koizumi wird als gutausse-


hend beschrieben und macht bei älte-


ren Wählerinnen viele Punkte. Er gilt


als guter Redner. Vor allem aber ist er


einer, wenn nicht der beliebteste Politi-


ker des Landes. In Umfragen über den


Nachfolger von Abe steht er regelmäßig


auf vorderen Plätzen. In der Regie-


rungspartei der Liberaldemokraten se-


hen ihn viele als künftigen Vorsitzen-


den, wenn auch vielleicht noch nicht so-


fort.


Spekuliert wurde über seinen Ein-


tritt in das Kabinett schon lange. Dass


Koizumi nun selbst dazu bereit ist,


zeigt, dass er sich auf Höheres vorberei-


tet und den Ausgleich mit Abe sucht.


2012 und 2018 hatte Koizumi bei der


Wahl des LDP-Vorsitzenden für einen


Rivalen gestimmt.


Koizumi hat trotz seiner Beliebtheit


nur wenige Erfolge in der Gesetzge-


bung vorzuweisen, die sich klar mit sei-


nem Namen verbinden. Er wird sich


jetzt beweisen müssen. Als Vorsitzen-


der einer Jungparlamentariergruppe


und zeitweise als Staatssekretär für den


Wiederaufbau gewann er Sympathien


und Erfolge im 2011 von einem Tsuna-


mi zerstörten Nordosten. Abe teilte


ihm jetzt das in Japan weniger wichtige


Umweltministerium zu und wünschte


sich neue Ideen für den Kampf gegen


den Klimawandel oder Plastikmüll in


den Ozeanen. Das Amt bringt Koizumi


in die schwierige Position, Abes Kurs


pro Kernenergie zu vertreten, obwohl


sein Vater Junichiro nach Fukushima


zum strikten Gegner wurde. Shinjiro


Koizumi hat Sympathien für einen Aus-


stieg geäußert, ist aber keine laute Stim-


me in der Debatte. Er hat, wie sein Va-


ter, den Yasukuni-Schrein besucht, in


dem der im Krieg Gefallenen und auch


einiger Kriegsverbrecher gedacht wird.


Der junge Koizumi studierte in Ja-


pan und an der Columbia-Universität


in New York Wirtschaft und Politik und


arbeitete in einer Denkfabrik in Wa-


shington, bevor er in die Politik wech-


selte. Zeitweise war er Privatsekretär


seines Vaters. Sein älterer Bruder Kota-


ro ist ein beliebter Schauspieler. Gera-


de erst heiratete Koizumi die franzö-


sisch-japanische Fernsehmoderatorin


Christel Takigawa. Ein Kind ist unter-


wegs. Im Spagat zwischen Modernität


und Pflichterfüllung sagte Koizumi,


dass er natürlich keine Kabinettssit-


zung ausfallen lassen werde, selbst


wenn er Vaterschaftsurlaub nehmen


werde. PATRICK WELTER


Unlautere Motive


Shinjiro KOIZUMI Foto EPA


SINGAPUR, 11. September


Es brodelt an der Peripherie: Mehrere


asiatische Länder sahen sich in den ver-


gangenen Wochen und Monaten mit so-


zialer Instabilität in Randgebieten kon-


frontiert, die von ethnischen und religiö-


sen Minderheiten bewohnt werden. Das


ist in den multikulturellen und multiethni-


schen Ländern nicht unbedingt neu. Aber


die jeweiligen Zentralregierungen reagie-


ren zunehmend mit den gleichen rigoro-


sen Maßnahmen. Zur Vorbeugung oder


im Zuge von Protesten blockieren sie das


Internet, schränken die Kommunikation


über die sozialen Netzwerke, die Mobilte-


lefone und das Festnetz ein. Dadurch sol-


len eine Ausweitung sozialer Unruhe so-


wie die Verbreitung von Falschnachrich-


ten und Gerüchten eingedämmt werden.


Doch die Menschen in den jeweiligen Ge-


bieten werden auch ihrer Stimme be-


raubt.


So haben die indischen Behörden die


Unruheregion Kaschmir seit dem 4. Au-


gust von der Massenkommunikation abge-


schnitten. Hintergrund war die Ankündi-


gung der Regierung, der mehrheitlich von


Muslimen bewohnten Region ihre autono-


men Sonderrechte zu streichen. Da schwe-


re Unruhen und Terroranschläge befürch-


tet wurden, hatte die Regierung nicht nur


Tausende zusätzliche Soldaten in die Regi-


on geschickt. Sie blockierte auch den Zu-


gang zu den Massenkommunikationsmit-


teln. Journalisten dürfen nur mit einer


schwer erhältlichen Sondergenehmigung


in die Region reisen. Zwar dringen Nach-


richten über vereinzelte Zusammenstöße


zwischen Demonstranten und Sicherheits-


kräften nach außen. Die Regierung be-


zeichnet die Berichte aber als falsch.


Überprüfen lässt sich das alles nicht.


Während der Rest der Welt über die


Entwicklungen in Kaschmir diskutieren


kann, sind die Einwohner des Gebietes


von diesem Diskurs komplett abgeschnit-


ten. Schon die Statusänderung der Regi-


on hatte die Zentralregierung in Delhi


durchgeboxt, ohne die dortige Bevölke-


rung einzubeziehen. Aber auch seither


hat diese kaum Kommunikationskanäle,


um ihre eigene Meinung kundzutun. Der


indische Außenminister rechtfertigte die


umfassende Blockade in einem Interview


so: „Wie durchtrenne ich die Kommunika-


tion zwischen Terroristen und ihren Hin-


termännern, aber halte das Internet offen


für andere Leute?“, fragte er nur rheto-


risch. Laut dieser Definition wird die Mas-


senkommunikation als Waffe wahrgenom-


men. Als einziger Ausweg erscheint das


Abschalten.


Ähnliche Aussagen hätten auch von


Vertretern einiger der Nachbarländer


kommen können. Denn es häufen sich die


Fälle, in denen Regierungen Unruhen mit


einem solchen Schritt beantworten. So


hat die Regierung in Jakarta den Internet-


zugang in den ostindonesischen Provin-


zen Papua und Westpapua eingeschränkt.


Dort gehen Menschen seit Wochen gegen


Rassismus und für Autonomie auf die


Straße. Es kam zu gewalttätigen Übergrif-


fen, bei denen Regierungsgebäude, Autos


und Geschäfte in Brand gesetzt wurden.


Die Behörden schickten Soldaten, nah-


men Aktivisten fest und schränkten den


Internetzugang ein. Jakarta will die Men-


schenrechtsanwältin Veronica Koman,


die Videos der Demonstrationen in den


sozialen Netzwerken geteilt hatte, per in-


ternationalem Haftbefehl suchen lassen.


Es ist dies ein Vorgehen, das vor eini-


ger Zeit vor allem autoritären Staaten wie


China vorbehalten war. Dort setzt die


Führung seit einiger Zeit Internetblocka-


den ein, um Aufruhr etwa in Tibet, in Xin-


jiang oder in anderen Provinzen zu be-


grenzen. Technisch haben die Länder si-


cherlich auch von Chinas „Großer Fire-


wall“ gelernt. Indien und Indonesien ge-


hören aber zu den ganz großen Demokra-


tien der Welt. Beide Länder verbinden


ein starkes Nationalgefühl und der große


Stellenwert, den sie der Unverletzbarkeit


ihres Territoriums beimessen. Den An-


sprüchen der Bevölkerungsmehrheit wird


dort mehr Bedeutung zugestanden als


den Wünschen von Minderheiten nach


Selbstbestimmung.


In beiden Ländern entdecken Bürger-


rechtler auch eine Tendenz, politische Op-


position mit einer Politik der zunehmend


harten Hand zu beantworten. Die beiden


Demokratien sehen sich dabei in Gesell-


schaft mit traditionell weniger offenen


Nachbarländern, die ihrerseits auch zu-


nehmend Gebrauch von Kommunikati-


onssperren machen. So hatte die burmesi-


sche Regierung jüngst das Internet in


dem Bundestaat Rakhine abgestellt. In


dem Gebiet kommt es seit einiger Zeit


wieder vermehrt zu Kämpfen zwischen


der Armee und einer Miliz aus Angehöri-


gen der Rakhine-Minderheit. Aus dem


Bundesstaat waren vor zwei Jahren auch


700 000 Rohingya vor der Gewalt des Mili-


tärs ins Nachbarland Bangladesch geflo-


hen. In den Flüchtlingslagern dort sind


sie nun mit einem neuen Problem kon-


frontiert: Die Regierung will sie von dem


Mobilfunk ausschließen. Sie begründete


dies ebenfalls mit der „öffentlichen Si-


cherheit“.


Von diesem Massenblackout könnten


bis zu eine Million Menschen betroffen


sein. Anstatt den Minderheiten Gehör zu


verschaffen, so wie sich das viele in der


Frühzeit des Internets von dem damals


neuen Kommunikationsmittel erhofft hat-


ten, entpuppt es sich immer häufiger als


ein Werkzeug, um die Minderheiten aus


dem Diskurs auszuschließen. Manche


werten dies auch als weiteres Zeichen,


dass sich die Demokratie in der Region


im Rückzug befindet. Die Sonderbericht-


erstatter der Vereinten Nationen für Men-


schenrechte sehen in den Maßnahmen


eine „Kollektivstrafe“ für die Menschen


in Jammu und Kaschmir. Nicht zuletzt


führt das Ganze auch zu erheblichen Kol-


lateralschäden. So sollen die Einschrän-


kungen in Kaschmir zu einem medizini-


schen Notstand geführt haben. Kranken-


häuser und Apotheken können keine Arz-


neien bestellen, und Patienten in ländli-


chen Regionen können sich keinen ärztli-


chen Rat per Telefon mehr holen.


Durch die Kommunikationssperre wis-


sen viele Menschen nicht, wie es ihren


Familienangehörigen in Kaschmir geht.


Dabei muss man die Gefahren, die von


der digitalen Kommunikation ausgehen,


nicht herunterspielen. Es ist durchaus


möglich, dass etwa die Internetblockade


nach den Anschlägen auf Kirchen und Ho-


tels in Sri Lanka am Ostersonntag weite-


re Attacken verhindern konnte. So ähn-


lich mag es auch in Kaschmir sein, wo die


Armee von den Versuchen militanter


Gruppen berichtet, aus Pakistan über die


Grenze zu gelangen. Aber das Argument


darf nicht missbraucht werden, um legiti-


men Protest und friedliche Meinungsäu-


ßerungen zu unterbinden. Denn sonst


könnte aus einem Mittel der Friedenssi-


cherung ein Instrument der Unterdrü-


ckung werden.


TEL AVIV, 11. September


D


ie letzte Wahlkampfwoche vor der


Parlamentswahl hatte schon


schlecht für Benjamin Netanjahu


begonnen. Dabei blieb es nicht. Vielmehr


scheint es zusehends weiter bergab zu ge-


hen. Zwar hat es der israelische Minister-


präsident geschafft, die Palästina-Frage


wieder in den Wahlkampf zu bringen, die


jedoch immer weniger Israelis wirklich in-


teressiert. Doch dies verlief nicht unbe-


dingt so, wie er sich das erhofft hat. Zu-


nächst verkündete Netanjahu, er werde


das gesamte Jordantal im Westjordanland


annektieren, wenn er nur wiedergewählt


würde. „Aus Respekt vor Präsident


Trump“ warte er damit jedoch, bis der


amerikanische Präsident seinen Friedens-


plan vorgelegt habe. Ob es dazu jemals


kommen wird, ist nach dem Rücktritt des


dafür zuständigen Nahostbeauftragten Ja-


son Greenblatt noch ein Stück ungewis-


ser geworden. Die Opposition jedenfalls


tat Netanjahus Worte als gegenstandslose


Rhetorik ab: Die Frage kam auf, warum


Netanjahu, der nunmehr zehn Jahre am


Stück regiert und Annexionen auch schon


in vergangenen Wahlkämpfen verspro-


chen hatte, dies nicht schon vorher ver-


wirklicht habe. Avigdor Lieberman, der


Vorsitzende des nationalistischen Yisrael


Beitenu, äußerte, Netanjahu werde das


Jordantal erst dann annektieren, „wenn


er zuvor israelische Souveränität über die


Sahara verhängt hat“.


Und anders als vor der Wahl im April


bekam Netanjahu für seine Worte dies-


mal keine öffentliche Unterstützung aus


dem Weißen Haus. Sogar Saudi-Arabien,


das sich in der Palästina-Frage heute


gleichgültiger verhält als früher, verurteil-


te Netanjahus Ankündigung als „ungeheu-


erliche Verletzung der UN-Charta und


der Prinzipien internationalen Rechts“.


Dies konterkariert gleichzeitig Netanja-


hus Bemühungen, die im Hintergrund


möglicherweise verbesserten Beziehun-


gen zwischen Israel und den Golfstaaten


öffentlich zu bewerben.


Später trat Netanjahu dann auf einer


Wahlkampfveranstaltung in Ashdod auf.


Doch gerade als er zu sprechen begonnen


hatte, riss ihn ein Raketenalarm aus der


Rede. Mobiltelefone filmten, wie Netanja-


hu von seinen Leibwächtern von der Büh-


ne geholt wurde. Eine Demütigung. „Der


islamische Terror hätte sich keine größe-


ren Siegesbilder wünschen können“, kom-


mentierte der Journalist Nahum Barnea.


Anstatt über die Annexion des Jordantals


zu diskutieren, die laut Netanjahu Israels


Ostgrenze sichern sollte, verbreiteten


sich die Abgangsbilder des Ministerpräsi-


denten aus Ashdod im Internet. Vergeb-


lich löschte der Likud ein Video des Auf-


tritts von seiner Internetseite. Zwar wur-


den die Raketen abgefangen, doch der po-


litische Schaden für den Wahlkämpfer


Netanjahu blieb.


Die Opposition nahm die Gelegenheit


dankend an. „Heute haben wir gesehen,


wie auf große Worte keinerlei Handlung


folgt“, sagte Benny Gantz vom Blau-


Weiß-Bündnis. Anstatt leere Erklärungen


zum Jordantal abzugeben, „werden wir


unsere Souveränität im Süden sichern“.


Man werde keinen Raketenbeschuss


mehr akzeptieren, so Gantz. Dessen si-


cherheitspolitische Positionen sind eher


härter als die Netanjahus. Im Süden, im


Gazastreifen, regieren die Hamas und der


Islamische Dschihad. Niemand glaubt,


dass der Raketenabschuss auf Netanjahus


Wahlkampfort zufällig geschah. Zwar


griff die israelische Luftwaffe daraufhin


wie üblich Ziele im Gazastreifen an –


doch die Islamisten feierten ihren Propa-


gandaerfolg auf den Straßen.


In Israel dagegen wird die Frage immer


lauter, warum Netanjahu mit den Islamis-


ten in Gaza faktisch ein fragiles Auskom-


men gefunden habe und gegen den Rake-


tenbeschuss vergleichsweise zaghaft vor-


gehe, aber Millionenzahlungen aus Qatar


nach Gaza zulasse, um dort eine Ruhe zu


erhalten, die Israelis nicht als solche wahr-


nehmen. Gleichzeitig aber ignoriert Net-


anjahu die gemäßigte Autonomiebehörde


in Ramallah, deren Sicherheitskräfte in


der Terrorbekämpfung eng mit israeli-


schen Behörden zusammenarbeiten, na-


hezu völlig.


Bislang hatte Netanjahu solche Kritik


unter Verweis auf die größere strategi-


sche Lage ableiten können, die er gemein-


sam mit den Vereinigten Staaten im Griff


habe. Doch im Gegensatz zum israeli-


schen Wahlkampf im vergangenen April,


als Präsident Trump die israelische Anne-


xion der Golanhöhen deklaratorisch aner-


kannte, ist Washington jetzt bislang still


geblieben. Auf Netanjahus Annexionsver-


sprechen im Jordantal hieß es aus dem


Weißen Haus lediglich, es gebe „derzeit


keine Veränderung in der amerikani-


schen Politik“. Und es kam noch schlim-


mer für Netanjahu.


Der Abgang des amerikanischen Sicher-


heitsberaters John Bolton bedeutet nicht


nur einen Verlust seines wohl wichtigsten


Verbündeten im Weißen Haus: Bolton


drang auf härtere Sanktionen gegen Iran


und hatte Trump dazu gebracht, doch


noch amerikanische Truppen in Syrien zu


halten. Boltons Abgang wird auch in Isra-


el so gedeutet, dass nun ein Hindernis be-


seitigt ist, das einem Treffen Trumps mit


dem iranischen Präsidenten Rohani bis-


lang im Wege stand. Für Netanjahus


Wahlkampf wäre das ein verheerendes Si-


gnal. Und es machte seinen Abend nicht


besser, als Außenminister Pompeo sagte,


„sicherlich“ sei Trump zu einem Treffen


mit Präsident Hassan Rohani bereit. Den


Schulterschluss mit Trump insbesondere


im Kampf gegen Iran hat Netanjahu in


den Mittelpunkt seiner Wahlkampagne


gestellt. Auf die Likud-Zentrale ließ Net-


anjahu ein hausgroßes Plakat von sich


selbst neben Trump hängen. Jetzt scheint


es, als verlasse Netanjahus wichtigster


Verbündeter ihn ausgerechnet an der


Wegscheide seiner politischen Zukunft.


Netanjahus Image stärkt das nicht,


neue Wähler dürfte ihm die jüngsten Er-


eignisse nicht in die Arme treiben. Doch


Wählerwanderungen zwischen den politi-


schen Lagern erkennen Demoskopen


schon seit Monaten nicht. Und so sucht


sich Netanjahu andere Partner. Auf der


Rückseite der Likud-Parteizentrale hängt


längst auch ein anderes Fassadenposter.


Es zeigt Netanjahu mit Wladimir Putin.


Für Donnerstag kündigte Israels Minister-


präsident kurzfristig ein Treffen mit dem


russischen Präsidenten Wladimir Putin


an. Dazu werde er nach Sotschi fliegen


und dort auch mit Verteidigungsminister


Sergej Schojgu zusammenkommen. Man


werde „regionale Themen besprechen“,


teilte Netanjahus Büro mit. Auch in So-


tschi können Überraschungen nicht aus-


geschlossen werden. Netanjahu gibt nie-


mals auf.


Verhinderer


Verwirrender Papst


Manndes Tages


Inhaltsleere Rhetorik?


Der Wahlkämpfer Benjamin Netanjahu gerät in Schwierigkeiten / Von Jochen Stahnke


Leben im Blackout


Regierungen in Asien blockieren immer häufiger das Internet – für den „sozialen Frieden“ / Von Till Fähnders


Politisches Traumpaar – jetzt getrennt:JohnBolton und Benjamin Netanjahu Foto dpa


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