R. Tyborski, J. Koenen, A. Höpner
Frankfurt, München
K
laus Rosenfeld macht
bereits vor Beginn ei-
ner Diskussion beim
Internationalen Club
der Frankfurter Wirt-
schaftsjournalisten am Dienstag-
abend klar, worüber er nicht reden
will: Continental. Der Chef des fränki-
schen Zulieferers Schaeffler, der auch
im Aufsichtsrat von Continental sitzt,
will sich an Spekulationen über den
Dax-Konzern nicht beteiligen.
Das Verhältnis von Schaeffler und
Continental ist diffizil. Einst hatten
die Schaefflers sich an der Übernah-
me des größeren Konkurrenten Con-
tinental fast verhoben. Heute verwal-
tet die Familienholding die Beteili-
gungen an beiden Unternehmen.
Auch wenn die direkten Verbindun-
gen zwischen beiden Unternehmen
überschaubar sind, haben sie derzeit
gemeinsame Probleme: Die Krise der
Automobilindustrie trifft Schaeffler
und Continental gleichermaßen – und
damit die Familie, der die Mehrheit
an der Schaeffler AG und eine Beteili-
gung von 46 Prozent an Conti gehört.
Manche spekulierten, die Schaeff-
ler-Holding könne – womöglich von
finanziellen Zwängen getrieben – hin-
ter den Plänen für einen kompletten
Spin-off der Antriebssparte von Con-
tinental stecken, statt des ursprüng-
lich geplanten Teilbörsengangs. Im
Umfeld beider Unternehmen wurde
dies zurückgewiesen. Gesucht werde
die beste Lösung für Continental.
Rosenfeld wollte nur über sein Unter-
nehmen sprechen. Er sieht den frän-
kischen Zulieferer trotz einer Reihe
von Gewinnwarnungen für den Wan-
del der Branche gut vorbereitet.„Ich
und auch unsere Gesellschafter sehen
diese Veränderung und Transformati-
on in der Automobilindustrie eher als
eine Chance als ein Risiko“, sagte er.
Zwar ist der Konzern ein Feinmecha-
nik-Spezialist und noch zu mehr als
der Hälfte vom Verbrennungsmotor
abhängig. Doch in dieser Ausrichtung
sieht Rosenfeld die große Zukunfts-
chance. „Unsere Kernkompetenz ist
Präzisionsmechanik. Das ist eine Kom-
petenz, die wird nicht durch Waymo
ersetzt“, ist sich der Schaeffler-Chef si-
cher. Auch die Chinesen könnten das
nicht. Waymo ist die auf autonomes
Fahren spezialisierte Schwester des In-
ternetkonzerns Google.
In Herzogenaurach sind sie zuver-
sichtlich, dass beide Unternehmen
insgesamt auf gutem Weg sind. Das
Sagen hat inzwischen Georg Schaeff-
ler, auch wenn er laut Industriekrei-
sen oft den Rat der Mutter Maria-Eli-
sabeth Schaeffler sucht. Die Mehrheit
der Anteile an der Schaeffler AG ist
schon seit Längerem in seiner Hand,
er führt auch den Aufsichtsrat an. Er
sei in die Aufgabe hineingewachsen,
meint ein anderer Kontrolleur. Mut-
ter Maria-Elisabeth hat sich ein Stück
weit zurückgezogen, sie feierte kürz-
lich in Kitzbühel ihren 78. Geburts-
tag. Rosenfeld wiederum war einst
vonseiten der Gläubigerbanken zu
Schaeffler gekommen und hatte als
Finanzvorstand die Schulden von Un-
ternehmen und Familie restruktu-
riert und verringert. Die Familie ist
ihm zu Dank verpflichtet. Als er inte-
rimistisch die Führung übernahm,
setzte er sich in einem Machtkampf
gegen den designierten CEO Klaus
Deller durch und wurde zum festen
Vorstandsvorsitzenden.
Seither versucht er, mit einer Reihe
von Effizienzprogrammen das Unter-
nehmen fit zu machen für die kom-
menden Voraussetzungen. Im ersten
Halbjahr sank der Schaeffler-Umsatz
leicht auf 7,2 Milliarden Euro. Die
operative Umsatzrendite (Ebit) vor
Sondereffekten konnte sich mit 7,
Prozent im Branchenvergleich noch
immer sehen lassen, sie lag aber
deutlich unter dem Niveau des Vor-
jahres von elf Prozent.
Klarheit bis Jahresende
In Schaeffler-Aufsichtsratskreisen heißt
es, die Familie stehe voll hinter Rosen-
feld. „Da gibt es eine große Unterstüt-
zung von der Familie.“ Es gebe „keinen
Grund zur Panik“. Von der Branchen-
krise seien alle Zulieferer gleicherma-
ßen betroffen, es gebe kein spezielles
Schaeffler-Problem. Der Konzern, der
kürzlich Kurzarbeit für den Bereich
Sondermaschinenbau am Standort
Frauenaurach einführen musste, profi-
tiere vielmehr von den Fortschritten in
der Industriesparte, die Rosenfeld auf
Vordermann gebracht habe.
Auch Continental befindet sich im
Umbau. Ziel ist eine Holdingstruktur,
wobei für die Antriebssparte – die in
Vitesco umbenannt wurde – ein Teil-
börsengang vorgesehen war. Zu-
nächst wurde dieser für Mitte 2019
geplant, anschließend auf Anfang
2020 verschoben. Aber auch dieser
Termin dürfte kaum einzuhalten
sein, da es nicht danach aussieht,
dass sich mittelfristig etwas am der-
zeit negativen Marktumfeld ändern
wird. Zuletzt gab Continental nun be-
kannt, dass ein sogenannter Spin-off
in Erwägung gezogen wird – und
heizte damit die Spekulationen an.Im
Fall eines Spin-off würde Vitesco
komplett abgespalten und an die Bör-
se gebracht. In einem solchen Fall be-
kämen die Aktionäre, allen voran
Schaeffler, zusätzlich zu ihrer Conti-
nental-Aktie eine Vitesco-Aktie in ih-
rem Portfolio gutgeschrieben und
könnten dann selbst entscheiden,
welche Anteile sie behalten. Bei ei-
nem Teilbörsengang wäre der Emissi-
onserlös im einstelligen Milliardenbe-
reich dagegen bei Continental ver-
blieben.
Auf der IAA gab Continental-Chef
Elmar Degenhart eine vage Begrün-
dung ab, warum nun eine komplette
Abspaltung vorgenommen werden
könnte. „Wir wollen ... bis Ende des
Jahres Klarheit haben, wie unser Pro-
duktivitäts-Verbesserungsprogramm
aussehen wird – auch im Interesse un-
serer Mitarbeiter.“ Klar sei: „Wenn
Wettbewerbsprobleme existieren,
werden wir mit Segmenten oder
Standorten konsequenter umgehen
als in den letzten Jahren, als wir es uns
vielleicht leisten konnten, den einen
oder anderen mit durchzufüttern.“
Vitesco-Chef Andreas Wolf sieht in
einem möglichen Spin-off letztlich ei-
ne weitere Option, die Antriebssparte
zu verselbstständigen. „ Derzeit ist die
ganze Branche im Umbruch, und als
Antriebssparte müssen wir agiler
werden“, sagte Wolf dem Handels-
blatt am Rande der IAA. „Möglicher-
weise auch um Märkte zu konsolidie-
ren und mehr mit anderen Firmen
zusammenarbeiten zu können.“ Das
alles könne man besser, wenn man
eine gewisse Selbstständigkeit habe
und dadurch mehr Agilität. Für Wolf
hat die Selbstständigkeit von Vitesco
daher oberste Priorität. „Die Art und
Weise, wie diese Selbstständigkeit er-
reicht wird, ist zweitrangig.“
Zulieferer
Continentals Antriebsproblem
Der Autozulieferer ringt mit seiner Antriebssparte und prüft eine Abspaltung.
Hinter den Plänen wird Contis größter Aktionär vermutet: die Schaeffler-Familie.
Messebesucher
passieren den
Conti-Stand:
Die Branche ist
in Bewegung.
Continental AG
Ich und
auch unsere
Gesellschafter
sehen die
Transforma -
tion in der
Automobil -
industrie
eher als
eine Chance.
Klaus Rosenfeld
Schaeffler-CEO
Unternehmen & Märkte
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(^18) DONNERSTAG, 12. SEPTEMBER 2019, NR. 176