Spezial
(^42) DONNERSTAG, 12. SEPTEMBER 2019, NR. 176
EINBLICK
Skeptischer
Blick in
die Zukunft
D
as Umfeld für die Macher
der IAA ist rau: Die Kon-
junktur flaut ab, der Autoab-
satz sinkt, Umweltschützer sorgen
mit Protesten rund um die Automes-
se für Gegenwind. Auch der Zu-
spruch der Aussteller lässt nach. Ka-
men im Jahr 2017 noch knapp 1 000
Unternehmen nach Frankfurt, sind
es dieses Mal nur noch gut 800.
Bernhard Mattes, Präsident des
Branchenverbands VDA, will sich
nicht beirren lassen, er strahlt Zu-
versicht aus: „Leitevent für individu-
elle, nachhaltige Mobilität zu sein,
kann man nicht an Quadratmetern
festmachen“, sagt er. Die IAA solle
mehr sein als eine Autoschau: Mat-
tes sieht sie als „Plattform für die in-
dividuelle Mobilität der Zukunft“.
Doch in diese Richtung blicken viele
in der Branche mit Sorge. Eine aus-
führliche Bestandsaufnahme der ak-
tuellen Gemütslage bietet die Bera-
tung Staufen. Sie hat in ihrem im
Sommer veröffentlichten „Change
Readiness Index“ 421 Topmanagern
deutscher Unternehmen den Puls
gefühlt – der Schwerpunkt lag auf
den Branchen Automobil, Maschi-
nenbau und Elektrotechnik. Viel
stärker als in den beiden anderen
Branchen sehen sich die Verant-
wortlichen im Automobilsektor
durch geopolitische Entwicklungen
wie den amerikanisch-chinesischen
Handelskonflikt oder den Brexit
zum Umsteuern gezwungen. Diese
Faktoren hätten „enorme Unsicher-
heit“ erzeugt. Auf dem vielverspre-
chenden Feld der E-Mobilität ma-
chen über 60 chinesische Hersteller
Druck: „Sie können auf ihrem Bin-
nenmarkt zu gefährlicher Größe he-
ranwachsen, die ihnen dann auch
Vorteile beim Export verschaffen
würde“, heißt es in der Studie. Fast
logisch, dass 57 Prozent der Auto-
manager den Wandel mit dem
Schlagwort „Unsicherheit“ verbin-
den – im Maschinenbau und der
Elektrotechnik sind es nur 34 und
32 Prozent. Der Blick nach vorn ist
von großer Vorsicht geprägt: „Fast
jede Automobilfirma sieht für die ei-
gene Branche – und damit letztlich
auch für sich selbst – eher skeptisch
in die Zukunft.“ Stefan Merx
Montage bei
Porsche: Alu-
minium senkt
das Gewicht.
picture alliance / dpa
Thomas Mersch Köln
B
eim neuesten Fahrwerk des Zuliefe-
rers Benteler stand ein Skateboard
Pate. So jedenfalls nennen die Techni-
ker ihre gemeinsam mit Bosch entwi-
ckelte Plattform für E-Auto-Hersteller.
Das Rollbrett, versehen mit Crash-Management, ist
modular aufgebaut – und setzt sich vom klassi-
schen Chassis deutlich ab. „Strombetriebene Fahr-
zeuge geben uns mehr Freiheiten“, sagt Marco
Kollmeier, verantwortlich für die Einheit Elektro-
mobilität bei Benteler. „Da der Verbrennungsmo-
tor vorne fehlt, können wir anders anordnen.“ Bat-
terie, E-Motor und Antriebsstrang sind in einem
flachen Design vereint. Das Potenzial für weitere
Gewichtsverringerung steigt – gut für den Strom-
verbrauch.
Nicht nur das Skateboard-Fahrwerk soll mit
Leichtigkeit glänzen. Bei einzelnen Bauteilen gebe
es ebenfalls viel Potenzial, sagt Kollmeier. Als Bei-
spiel nennt er festere Stähle: Dank der höheren
Stabilität lassen sich Komponenten verschlanken.
„Unsere Kunden fordern von uns permanent inno-
vative Lösungen, damit sie ihre Gewichtsziele er-
reichen können“, sagt Kollmeier. Für die Entwick-
ler eine Art Puzzlespiel: „Viele optimierte Teile
können in Summe einige Prozentpunkte bringen.“
Auch in der Fertigung von Diesel- und Benzinautos
ist das gefragt. 85 Prozent des Portfolios von Ben-
teler sind unabhängig von der Antriebsart.
Gesetzgeber macht Tempo
Ob Verbrennungsmotor oder E-Antrieb – Autoher-
steller und Zulieferer forcieren den Einsatz dafür,
dass die Fahrzeuge abspecken. Der Druck ist hoch.
Denn die Akzeptanz von E-Autos hängt stark von
ihrer Reichweite ab, schwerere Modell müssen frü-
her an die Ladesäule. Beim Verbrennungsmotor
setzen verschärfte EU-Höchstwerte für den
CO 2 -Ausstoß die Hersteller unter Druck. „Leichtbau
ist antriebsübergreifend ein enorm wichtiges The-
ma“, sagt Stefan Bratzel, Direktor des Center of Au-
tomotive Management (CAM) in Bergisch Gladbach.
„Es geht um jedes Gramm, das man sparen kann.“
Als Weightwatcher zeigen sich auch die Veran-
stalter der Automesse IAA, die heute in Frankfurt
beginnt. Die Messemacher geben innovative Mate-
rialien und Fertigungsverfahren als einen Schwer-
punkt an. Auch Kokos und Reis sowie der
3D-Druck werden beleuchtet. Doch erst gepaart
mit Produktionsexpertise entfalten verbesserte
Werkstoffe ihre ganze Wirkung: „Oftmals setzen
konventionelle Fertigungstechniken dem Leicht-
bau enge Grenzen“, schreiben die IAA-Macher.
Um beim Leichtbau voranzukommen, rücken
Hersteller, Zulieferer und Rohstoffhersteller zusam-
men. „Wir kooperieren in der Entwicklung eng“,
sagt Benteler-Manager Kollmeier. Im Bereich von
crashrelevanten Teilen konstatiert er einen zuneh-
menden Aluminiumanteil. „Das bietet eine deutli-
che Gewichtseinsparung.“ Allerdings ist oft ein grö-
ßeres Umsteuern nötig, wenn Werkstoffe ausge-
tauscht werden: „Man muss regelmäßig Design
und Prozesstechnik optimieren“, sagt Kollmeier.
Ein Benteler-Spezialgebiet sei der „hybride Ver-
bau“, also die Kombination verschiedener Materia-
lien, in erster Linie Stahl und Aluminium. Doch
selbst Kunststoffe habe man als Option für eine
Leichtbau
Autos auf Diät
Innovative Werkstoffe und Designs
verbessern die Ökobilanz und Effizienz
im Fahrzeugbau. Der Kurswechsel zur
E-Mobilität bringt dabei neuen Schwung.
IMPRESSUM
Redaktion: Thomas Mersch,
Stefan Merx
Automanager unter Druck
Umfrage: Was sind die Treiber für
den Wandel in diesen Branchen*?
Technischer Fortschritt
Rechtliche Vorgaben
Geopolitische Entwicklungen
Automobil-
bau
Maschinen-
bau
Elektro-
industrie
HANDELSBLATT
*Nur Befragte, die einen starken Wandel für ihr
Unternehmen erwarten (289 von 421 Firmen)
Quelle: Staufen 2019
80 % 80 % 81 %
39 % 13 % 14 %
41 % 25 % 14 %
Concept Car
von Sekisui:
Die Japaner
präsentieren auf
der IAA ihr
„Color Carbon“.
Sekisui