Handelsblatt - 12.09.2019

(lily) #1

Max Conze: Der Pro-7-Chef will einen Nachrich-
tensender nach Deutschland bringen.


ProSieben Sat1


Max Conze


Neuer deutscher


Nachrichtenkanal


WIEN Das Motto von
„ProSieben Sat1“- CEO,
Max Conze, heißt:
„Wenn nicht jetzt,
wann dann? Wenn
nicht du selbst, wer
sonst?“ In diesem Sin-
ne prüft die größte
deutsche TV-Gruppe
den Start eines Nach-
richtenkanals in
Deutschland. Vorbild
ist der Anfang Septem-
ber gestartete österrei-
chische Sender Puls



  1. „Wir haben das
    sehr bewusst in Öster-
    reich gemacht – auch
    als Testmarkt. Wir ha-
    ben die gleichen Am-
    bitionen in Deutsch-
    land“, sagte Conze in
    einem Interview mit
    eben jenem Sender.
    „Wir haben die Ab-
    sicht, wenn es erfolg-
    reich ist, Ähnliches in


Deutschland zu lancie-
ren.“ Für Pro 7 ist das
eine Kehrtwende: Vor-
gänger Thomas Ebe-
ling hatte den kon-
zerneigenen Kanal
N24 2010 noch ver-
kauft. Conze sieht das
anders: „Nachrichten,
die nicht Fake News
sind, sind von großer
Bedeutung in dieser
Welt“, sagte er.
Mit dem Start von Puls
24 zeigt sich die Pro-
7-Spitze indessen zu-
frieden. „Schon in den
ersten Tagen haben
wir 0,5 Prozent der
Zielgruppe der 12- bis
49-Jährigen erreicht“,
sagte Konzernspreche-
rin Corinna Milborn
dem Handelsblatt. Ziel
sei ein Prozent in zwei
Jahren. Hans-Peter
Siebenhaar

Thomas Hanke Paris


M

an muss wohl unbeugsamer
Gallier sein oder Idealist
oder beides, um wie Tho-
mas Piketty im September
2019 sagen zu können: „Ich
denke, dass eine langfristige Bewegung hin
zu einem demokratischen Sozialismus im
Gange ist.“ Die Wahlergebnisse von Sozialde-
mokraten stützen nicht unbedingt die These
des französischen Ökonomen. Aber Piketty
ist Gallier und Idealist, deshalb schleudert er
einen neuen Hinkelstein ins globale Dorf, ein
Buch mit 1 200 Seiten, dessen erklärtes Ziel
es ist, „die gerechte Gesellschaft“ ein Stück
näher zu bringen.
„Capital et idéologie“ heißt das Werk, das
der Autor selber als „Fortsetzung von ‚Das Ka-
pital im 21. Jahrhundert‘ “ sieht. Am Donners-
tag kommt das neue Werk in Frankreich in
den Buchhandel, im nächsten März soll eine
deutsche Ausgabe folgen. Zweieinhalb Millio-
nen Exemplare hat Piketty von dem Vorgän-
ger verkauft, ist zu einem der seltenen Öko-
nomen mit öffentlicher Wirkung geworden.
Im neuen Buch versucht er sich an einer
weltweiten Geschichte ungleicher Gesell-
schaften, von der frühen Feudalzeit bis heu-

te, und der Ideologien, die sie rechtfertigen
sollten, von französischen Bischöfen des 11.
Jahrhunderts bis zum chinesischen Partei-
herrscher Xi Jinping. Diesmal hebt Piketty al-
lerdings hervor, dass es keine Zwangsläufig-
keit ungerechter Verhältnisse gebe: Nach
dem Zweiten Weltkrieg sei von Europa bis
Amerika dank entschiedener Politiken zur
Umverteilung die extreme Konzentration von
Vermögen und Einkommen korrigiert wor-
den. Gleichzeitig sei dies die dynamischste
Phase wirtschaftlicher Entwicklung in den
betreffenden Ländern gewesen.
Die intellektuelle Auslaugung der Sozialde-
mokratie, ihre mangelnde Antwort auf die
Globalisierung, die Enttäuschung über den
Kommunismus und dessen Ende in einem
„kleptokratischen Hyperkapitalismus“ macht
Piketty dafür verantwortlich, dass es seit En-
de der 80er-Jahre wieder zu einer Verschär-
fung der Ungleichheit und einer Rückkehr
des Nationalismus kommen konnte. Die Apo-
logeten einer „Heiligsprechung des Eigen-
tums“ hätten freie Bahn gehabt. Das offiziell
kommunistische China sei „innerhalb kurzer
Zeit viel ungleicher geworden als Europa, ein-
deutig ein Scheitern des Regimes“, schreibt
Piketty mit detaillierten Statistiken als Beleg.
Insgesamt aber fällt der Part über die post-
kommunistischen Staaten viel zu kurz aus.
Ausführlich behandelt der 48-Jährige dage-
gen seine Alternative, den „partizipativen So-
zialismus“. Mit ihr dürfte er sich fast alle zum
Feind machen, von den Anhängern eines rei-
nen Kapitalismus bis zur harten Linken, die
ihn umworben hat und deren Wahlkampa-
gnen er in den letzten Jahren öfters unter-
stützt hat. Piketty spricht zwar von der
„Überwindung des Kapitalismus“, doch sein
Rezept bedient sich ausdrücklich einiger Ele-
mente der deutschen Sozialen Marktwirt-
schaft, besonders der paritätischen Mitbe-
stimmung. Ausdrücklich verteidigt er das Pri-
vateigentum an Unternehmen, das sei
notwendig, „um eigene Träume und Projekte
zu verwirklichen“. Positiv bezieht er sich auf
den liberalen Philosophen John Rawls. Für
Pikettys intellektuelle Geradlinigkeit, die kei-
ne Rücksicht auf linke oder rechte Freunde
und Befindlichkeiten nimmt, muss man dem
Ökonomen alle Anerkennung zollen.
Der Sozialismus à la Piketty ist eine Kombi-
nation aus einer weiterentwickelten Mitbe-
stimmung, progressiven Vermögens- und
Erbschaftsteuern und einem chancengerech-
ten Bildungssystem unabhängig von der so-
zialen Herkunft. Hinzu kommt eine andere
Parteienfinanzierung, die den Einfluss finanz-
starker Interessen auf die Demokratie stop-
pen soll. Schließlich will er Besteuerung und
Parlamentarismus möglichst auf eine trans-
nationale Ebene heben – „ein ideales, idylli-
sches Szenario“, wie er selbst einräumt.
Mit seiner Lebensgefährtin Julia Cagé, de-
ren Arbeiten er ausführlich zitiert, habe er in
den letzten Jahren „die Welt neu erfunden“,
schreibt Piketty in der Danksagung. Hundert-
tausende Leser werden am Ergebnis teilha-
ben wollen. Ob der Idealist auch politischen
Erfolg hat, steht auf einem anderen Blatt.

Thomas Piketty


Der unbeugsame


Gallier


Mehr als 1 200 Seiten hat das neue Werk des Pariser Ökonomen,
mit dem er sich Feinde in allen politischen Lagern macht.

Thomas Piketty: Hin-
kelstein ins globale
Dorf geschleudert.

Julien Faure/Opale/Leemage/laif


Kinner Lakhani


Neuer Strategiechef


für die Credit Suisse


ZÜRICH Die Deutsche
Bank verliert einen re-
nommierten Analys-
ten an die Schweizer
Credit Suisse: Kinner
Lakhani wird Strate-
giechef bei dem
Schweizer Institut. Bei
der Deutschen Bank
hatte Lakhani zuvor
als Leiter zweier Re-
search-Abteilungen
gearbeitet. Lakhani
hat Versicherungsma-
thematik an der Lon-
don School of Econo-
mics studiert und
auch für die Banken
ABN Amro und Mor-
gan Stanley gearbei-
tet. Zudem war er Mit-
glied einer Arbeits-
gruppe für Aufsichts-
politik und Finanzsta-


bilität der Europäi-
schen Zentralbank
(EZB).
Bei der Credit Suisse
soll er nun neue
Wachstumsmöglich-
keiten prüfen. Er gelte
als eine der „respek-
tiertesten Stimmen in
der Finanzindustrie“,
heißt es aus Zürich.
Lakhani soll direkt an
Bankchef Tidjane Thi-
am berichten. Thiam
hat Aktionären mehr
Wachstum verspro-
chen, nachdem die
Bank ein dreijähriges
Restrukturierungspro-
gramm hinter sich
hat. Die Deutsche
Bank steckt dagegen
mitten im Umbau.
Michael Brächer

Bestseller


2,5


MILLIONEN
Exemplare hat Thomas
Piketty von seinem Buch
„Das Kapital im 21. Jahr-
hundert“ verkauft.
Quelle: HB-Recherche

Namen


des Tages


(^46) DONNERSTAG, 12. SEPTEMBER 2019, NR. 176

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