Der Spiegel - 07.09.2019

(Ron) #1
Premium-Wohnmobil von Volkner: Zeitweise so unmodern wie Eierlikör

D


ie Geburt des Porsche aus dem
Bauch des Reisemobils »Volkner
Mobil Performance« ist schon ein
Spektakel. Der überdimensionale Lade-
raum lässt sich beliebig oft herausfahren
und wieder versenken, wie Mitarbeiter des
Wuppertaler Karosseriebauers vorführen.
Das Publikum auf der Düsseldorfer Messe
Caravan Salon staunt über das Ensemble
aus Last- und Sportwagen.
Die mobile Villa mit Bordgarage und
35 Quadratmeter Wohnfläche im Hoch-
parterre kostet 1 034 000 Euro – der
Porsche kostet extra. Das Luxuswohn -
mobil zählt zu den prächtigsten Modellen
einer Branche, die derzeit alle Grenzen
sprengt.
Mehr als 70 000 neue Wohnwagen und
Reisemobile werden jährlich in Deutsch-
land zugelassen. Seit 2010 hat sich der


Absatz mehr als verdoppelt; und Daniel
Onggowinarso, Geschäftsführer des Cara-
vaning Industrie Verbands, sieht keine An-
zeichen einer Marktsättigung.
Die naheliegende Erklärung für den
Boom – eine Generation kaufkräftiger
Ruhe ständler werde mehr und mehr
zur Landplage – missfällt ihm. »Sicher
kommt uns die Demografie entgegen«,
räumt der Verbandsvertreter ein, die Bran-
che habe jedoch »keinerlei Nachwuchs-
sorgen«. So sei die Renaissance des Wohn-
wagens – er war zeitweise so unmodern
wie Eierlikör – insbesondere einer neu
entflammten Begeisterung junger Famili-
en geschuldet. Was alle Menschen eine,
die mit Bord spüle und Chemieklo auf Rei-
sen gingen, so Onggowinarso, sei die
Sehnsucht nach »Natur, Freiheit und Un-
abhängigkeit«.

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Technik

Villa ohne Grenzen


FreizeitCampingmobile werden technisch aufwendiger und bieten
immer mehr Luxus. Auch junge Familien begeistern
sich jetzt für Wohnwagen. Wie ist der Boom zu erklären?

Dem mag auch Deutschlands prominen-
tester Wohnmobilproduzent nicht wider-
sprechen. Christian Bauer, Geschäftsfüh-
rer der Hymer GmbH & Co. KG, beobach-
tet einen »immer größeren Wunsch nach
Autarkie«, der die Menschen als Selbst-
versorger in die Ferne treibe.
Das Unternehmen aus dem schwäbi-
schen Bad Waldsee bedient diese Sehn-
sucht, seit die aus dem Flugzeugbau stam-
menden Ingenieure Erwin Hymer und
Erich Bachem 1957 einen Wohnwagen
(Projektname »Ur-Troll«) schufen und
damit den Grundstein des nach Erich Ba-
chem benannten Herstellers Eriba legten –
heute eine von 20 Marken im Produzen-
tenverbund der Erwin Hymer Group.
An seinem Heimatort hinterließ der
2013 verstorbene Firmengründer das Hy-
mer-Museum, ein weltweit beispielloses
Panoptikum mobiler Wohnkultur. Es be-
leuchtet fairerweise auch, dass die Camping -
pioniere Großbritanniens schon früher los-
legten, bald nach der Erfindung des Auto-
mobils. Die Deutschen entdeckten die
Wohnmobile erst mit drei Jahrzehnten
Verspätung.
»So etwas Ähnliches wie einen Zigeu-
nerwagen, in dem wir beide gemeinsam
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