Der Spiegel - 07.09.2019

(Ron) #1
wie unsere Demokratie zu einer bloßen
Worthülse wird.
Patricia Jessen, Viersen (NRW)

»Total durchgeknallt« – diese Bildunter-
schrift bringt es auf den Punkt. Was Herr
Ruch in den Feuilletons der Republik zum
Besten gibt, ist krauses Gedankengut, ge-
paart mit dem Anspruch, seinen Aktionis-


mus zu ästhetisieren. Feindbilder zuhauf
und dann auch noch die Chuzpe, aufrechte
Verteidiger der Menschenrechte wie Hein-
rich Böll für seine Postulate einzuspannen.
Die Geduld der SPIEGEL-Redakteure mit
der Verbalradikalität des vermeintlichen
Philosophen war beachtlich.
Gerd Spelling, Rohlstorf (Schl.-Holst.)

Der Künstler Ruch mag an der einen oder
anderen Stelle übertreiben, ist linksextrem,
aber das tut in der aktuellen Situation gut.
Vielleicht können wir in zehn Jahren über
seine Vision der rechten Machtübernahme
schmunzeln – oder aber er geht als Tuchol-
sky der Zehnerjahre in die Geschichte ein.
Jan Rohleder, Zürich

Diese Einschränkung persönlicher Freiheit
wird bei der Jugend durchaus akzeptiert.
Cristina Perincioli, Stücken (Brandenb.)

Wichtig wäre ein radikales Umdenken in
der Verkehrspolitik. Nicht nur im länd -
lichen Raum, auch in vielen kleinen und
mittleren Städten sind etliche Wohngegen-
den nur mit dem Auto erreichbar. Auf dem
Land muss man für die kleinsten Einkäufe
ins Auto steigen. Wenn betagte Menschen
ihr Leben lang gefahren sind, merken sie
oft nicht, dass sie schlechter werden. Des-
halb braucht man außer Tauglichkeitstests
einen verlässlichen, kurz getakteten
ÖPNV, überall, damit niemand – ob jung
oder alt – auf ein Auto angewiesen ist.
Dr. Gunhild Gutschmidt, Marburg (Hessen)

Der deutsche Auto-Fetisch macht mich wü-
tend. Es sind aber nicht die Politiker allein,
die hier versagen. Sie haben gelernt, dass
jede noch so winzige Einschränkung des
Autoverkehrs zu gewaltigem Widerstand
führt. Und gegen den Widerstand von
ganz Auto-Deutschland lässt sich nun mal

kein Privileg abschaffen. Es wird für uns
alle Zeit, den Pkw-Fetisch abzulegen und
uns als Bürgerin oder Bürger zu begrei-
fen – statt in erster Linie als Autofahrer*in.
Nathalie Golla, Essen

Es gibt definitiv Menschen am Steuer, die
schlechter sehen, hören oder reagieren, als
dies bei der Führerscheinprüfung gefordert
wird. In meiner Berufspraxis als Augen -
optiker begegnen mir solche Fälle zuhauf.
Ich habe aber keine Handhabe dagegen,
viele machen wider besseres Wissen wei-
ter. Eine Überprüfung der Fahrtauglichkeit
wird amtlicherseits (wenn überhaupt) erst
nach einem Unfall angeordnet. Zu spät.
Seh-, Hör- und Reaktionstests sind für we-
nig Geld schnell und einfach umsetzbar.
Die Untätigkeit der Verantwortlichen ist
unerträglich angesichts der Tatsache, dass
täglich unser Leben und das unserer Kin-
der aufs Spiel gesetzt wird. Es geht ja nur
um Menschenleben. Jeden Tag.
Ralf Thomas, Esslingen (Bad.-Württ.)

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Die Redaktion behält sich vor, Leserbriefe
([email protected])gekürzt
sowie digital zu veröffent lichen und unter
http://www.spiegel.dezu archivieren.

Briefe

MUSTAFAH ABDULAZIZ / DER SPIEGEL
Aktivist Ruch

JOANNA NOTTEBROCK / DER SPIEGEL
Vater Alessandro an der Unfallstelle

Neues SPIEGEL-Buch
Mutti baut ab, und Papa wird seltsam – so fängt es oft an, wenn die El-
tern pflegebedürftig werden. Für die Familien der Betroffenen bedeutet
dies einen enormen Kraftakt. SPIEGEL-Autoren, Pflegeexperten und Be-
troffene geben im vorliegenden Buch zahlreiche Tipps, wie man Eltern
im Alter unterstützt, die verschiedenen Phasen der Pflege organisiert
und finanziert und sich dabei selbst vor Überforderung schützt. Das
Buch »Die Eltern im Alter begleiten« kostet 20 Euro und hat 272 Seiten.

Den Auto-Fetisch ablegen
Nr. 35/2019 In Detmold fährt eine
85-jährige Frau einen Jungen tot – wann
sollte man aufhören, Auto zu fahren?

Soeben habe ich den Artikel über den Tod
des achtjährigen Julian gelesen. Das Schrei-
ben fällt mir schwer, weil ich noch Tränen
in den Augen habe. Aber ich habe nach
dem Schock im Internet recherchiert. Ich
kenne jetzt die Bedingungen für Rückmel-
defahrten – das ist der Fahreignungstest
für Senioren. Da ich mit 70 Jahren zu dieser
Gruppe zähle und relativ viel mit dem Pkw
unterwegs bin, werde ich mich am Montag
bei einer Fahrschule in meiner Nähe an-
melden. Die 59 Euro ist mir die Sicherheit

der anderen Menschen im Straßenverkehr
allemal wert. Ich rege alle Autofahrer ab
70 Jahren an, es mir gleichzutun.
Philipp Wachowiak, Kempen (NRW)

Ich bin Jahrgang 1938. Obwohl ich mich
gesund fühle, habe ich meinen schönen
Mercedes abgemeldet. Und merke: Es gibt
ein lohnenswertes Leben ganz ohne Auto.
Klaus Wellhardt, Essen

Natürlich ist jedes Todesopfer eines zu viel,
aber: Es kann doch nicht sein, dass die Bür-
ger bis 67 arbeiten sollen, ab 65 aber für
unfähig erklärt werden, ein Auto verant-
wortungsbewusst zu bedienen! Bekom-
men die an der Maschine dann zwei Jahre
lang einen Aufpasser?
Sibylle Fuchs, Wetzlar (Hessen)

Was passiert denn mit den mit-Handy-am-
Ohr-telefonierenden und WhatsApp-lesen-
den Fahrern, die mir viel öfter auf meiner
Spur entgegenkommen? Ich glaube, das
ist das größere Übel auf unseren Straßen!
Pietro Crescentini, Ilvesheim (Bad.-Württ.)

Meiner Erfahrung nach – ich arbeite mit
hochaltrigen Menschen – wird das Auto
zunehmend als Gehhilfe genutzt. Eine
Frau kreiste so lange um die Apotheke, bis
der Parkplatz direkt vor der Tür frei war –
aus Angst zu stürzen. So entsteht eine
Scheinmobilität, die jedoch durch das viele
Sitzen Gebrechlichkeit begünstigt. Hier
braucht es deutliche Worte sowie ein Zu-
sammenwirken von Fachleuten aus ver-
schiedenen Bereichen, um echte Mobilität
durch Bewegung zu erreichen. Diese min-
dert nämlich in Wahrheit den körperlichen
und geistigen Verfall.
Carola Schark, Trainerin für Sturzprophylaxe, Freiburg

Mein Vorschlag: Alle müssen ihren Füh-
rerschein mit 75 abgeben. Wer weiterfah-
ren will, muss eine Fahrprüfung ablegen.
Jene, die mit 75 auf das Auto verzichten,
bekommen ein Jahr lang freie Benutzung
des ÖPNV und dazu eine individuelle Be-
ratung. Denn herauszufinden, wie man
mit den Öffentlichen seine Ziele erreicht,
ist ja für alle Menschen eine Herausforde-
rung. Ich denke, für viele sehr Alte ist das
der Grund, warum sie am Führerschein
festhalten. Es gilt ja auch eine Altersgren-
ze, die uns vor Kindern am Steuer schützt:
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