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ein, wie ein mächtiger Banker sieht
Werner Hoyer wirklich nicht aus.
Mit offenem Hemdkragen, Jeans
und Turnschuhen empfängt der bärtige
Mann in seinem Büro in Luxemburg.
Hoyer ist gerade aus dem Urlaub in den
USA zurückgekommen, doch der Alltag
als Präsident der Europäischen Investi -
tionsbank (EIB) hat ihn schnell eingeholt.
Bevor das Gespräch beginnt, legt eine Mit-
arbeiterin rasch eine blaue Mappe auf den
Besprechungstisch, eine Erinnerung an
Hoyer, dass er gleich über die Ausgabe
einer neuen Anleihe entscheiden muss,
Größenordnung: drei Milliarden Euro.
In der Luxemburger Bank ist die Arbeit
mit Milliarden normales Geschäft, die EIB
gehört zu den wichtigsten Geldgebern der
Europäischen Union. Hoyer, 67 Jahre alt
und gelernter Volkswirt, ist seit Anfang
2012 Präsident der Bank, in seinem frühe-
ren Leben war er einmal Generalsekretär
der FDP. In Deutschland ist der Mann so
wenig bekannt wie das Finanzinstitut, das
er leitet.
Dabei ist die EIB mit einer Bilanzsum-
me von knapp 560 Milliarden Euro größer
als die deutsche Förderbank KfW. Ob Re-
gionalhilfen, große Infrastrukturprojekte
oder der »Juncker-Plan« für mehr Investi-
tionen, benannt nach dem scheidenden
Kommissionschef – für viele Projekte, an
denen die Sternenflagge der EU klebt, be-
sorgen die 3300 Mitarbeiter der EIB das
Geld. Effektiv, aber oft auch so diskret,
dass niemand etwas davon mitbekommt.
Das könnte sich bald ändern. Denn in
ihrer Bewerbungsrede vor dem Europa-
parlament stellte Ursula von der Leyen
nicht nur den Klimaschutz in den Mittel-
punkt, die künftige Kommissionschefin
wies Hoyers Institut dabei auch eine
Schlüsselrolle zu. Teile der EIB sollten in
eine »Klimaschutzbank« umgewidmet
werden, kündigte von der Leyen an.
Die Bank soll ihre Schatullen öffnen, da-
mit die Europäer die Klimaziele von Paris
erreichen, das ist der Plan.
Es geht um ein großes Versprechen: Bis
2030 will die EU ihre Klimagase um min-
destens 40 Prozent unter den Wert von
1990 drücken, so haben es die EU-Mitglie-
der in Paris zugesagt. Geht es nach Frank-
reichs Präsident Emmanuel Macron, sollen
die EU-Länder bereits 20 Jahre später
komplett klimaneutral wirtschaften.
Für die europäische Staatengemein-
schaft ist die Klimadebatte eine unverhoff-
te Chance. Die oft als bürgerfern geschol-
tene EU kann zeigen, dass sie just bei dem
Thema etwas bewirken kann, das für viele
Menschen zur Überlebensfrage geworden
ist, nämlich bei der Frage nach dem Stopp
der menschengemachten Erderwärmung.
»Wenn wir unsere Klimaschutzziele er-
reichen wollen, reden wir nicht mehr von
Milliarden, sondern von Billionen Euro«,
sagt Hoyer. Der Banker lässt sich in einen
Sessel in seinem gläsernen Büro auf dem
Luxemburger Kirchberg-Plateau fallen,
von der zum Teil mit harten Bandagen ge-
führten Klimadebatte ist man im neunten
Stock des ausladenden Bankgebäudes weit
entfernt. Mit dem SPIEGELspricht der
Banker erstmals über die sich abzeichnen-
den Pläne für sein Haus. Damit er auch
alle Details parat hat, hat er mehrere Be-
rater an den Konferenztisch gebeten.
»Die Klimapolitik wird Ursula von der
Leyens Präsidentschaft prägen«, sagt Hoy-
er. »Das trifft sich sehr stark mit unseren
Ambitionen – und mit denen von Emma-
nuel Macron.« Mit von der Leyen steht er
in engem Kontakt, beide kennen sich aus
dem schwarz-gelben Bundeskabinett, das
bis 2013 regierte: Der FDP-Mann war zu
Anfang Staatsminister im Auswärtigen
Amt, die CDU-Frau Bundesarbeitsminis-
terin.
Hoyer hat auch einen Draht zu dem
Mann, der großen Anteil an von der Ley-
ens Aufstieg zur Kommissionschefin hat:
Frankreichs Präsident Macron. Der Libe-
rale kennt Macron noch aus dessen politi-
scher Anfangszeit als Wirtschaftsberater
des damaligen Präsidenten François Hol-
lande. Macrons analytische Stärke und
Durchsetzungskraft seien ihm schon da-
mals aufgefallen, sagt Hoyer: »Wenn er
von etwas überzeugt ist, dann zieht er das
durch.«
In einem Brief an die EU-Bürger hat
Macron schon vor Monaten die Gründung
einer Klimabank vorgeschlagen, um den
ökologischen Wandel zu beschleunigen.
Von der Leyen hat das Schlagwort über-
nommen, und Hoyer ist ihr bei der Um-
setzung gern zu Diensten. »Warum sollte
man eine Klimabank neu erfinden, wenn
es sie bereits gibt?«, fragt er. Schon heute
flössen 28 Prozent der Darlehen der Bank
in Projekte, die dem Klimaschutz dienten.
»Ich will, dass es künftig 50 Prozent wer-
den«, sagt Hoyer.
Ein modernes Gasheizkraftwerk in Kiel,
Windparks in Spanien, die energieeffizien-
te Sanierung von städtischen Gebäuden
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Deutschland
Der Billionen-Hebel
EuropaEU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen und Frankreichs
Präsident Emmanuel Macron wollen die Europäische
Investitionsbank zum größten Klimaschutzfinanzier der Welt ausbauen.
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Verbündete Macron, von der Leyen: Ein großes Versprechen