gemethoden auf Strommasten, per Erd -
rakete oder mit Pflügen bei geringeren Tie-
fen scheitern oft, weil sie erst langwierig
durch kommunale Bauämter geprüft wer-
den müssen.
Der Chef des Bundesverbands Breit-
bandkommunikation, Stephan Albers, hat
deshalb eine ungewöhnliche Forderung:
Bitte nicht noch mehr Geld. »Dass die För-
derung mit der Gießkanne nicht die beste
Lösung ist, hat sich ausreichend gezeigt.
Geld allein baut keine Glasfasernetze.« Er
wünscht sich stattdessen schnellere Geneh-
migungsverfahren und mehr Kapazitäten
im Kabelleitungstiefbau.
An Schnelligkeit mangelt es auch bei
der Vergabe von Mitteln an Schulen. Mo-
nate dauert es, manchmal Jahre, bis das
Geld des Bundes ankommt. Bildung ist
Ländersache. Träger der Schulen sind aber
zumeist die Kommunen – das macht es
kompliziert. Erst prüfen die Länder, ob
Städte und Gemeinden die Förderkriterien
erfüllen. Dann kontrolliert der Bund, ob
die Länder die Mittel korrekt vergeben.
Und das kann dauern.
Ein Beispiel ist das sogenannte Schulsa-
nierungsprogramm. Der Bund hat es be-
reits 2017 aufgelegt, um für neue Toiletten,
Treppenhäuser oder Isolierfenster zu sor-
gen. 3,5 Milliarden sind vorgesehen. Ge-
rade einmal 2,4 Milliarden Euro sind ver-
plant. Gebaut wurde noch weniger. Von
3780 vorgesehenen Maßnahmen wurden
bis Ende März ganze 27 abgeschlossen.
Ähnlich könnte es beim »Digitalpakt
Schule« laufen. Fünf Milliarden Euro spen-
diert der Bund, damit die Schulen Lap-
tops oder Tablets kaufen und die Klassen -
zimmer ans Internet anschließen können.
Mitte August hatten erst 9 der 16 Bundes-
länder die nötigen Förderrichtlinien ver-
öffentlicht: In Berlin können von den 257
Millionen Euro, die für das Programm zur
Verfügung stehen, 2019 deshalb höchstens
38 Millionen Euro abgerufen werden.
Besonders trübe ist die Bilanz bei der
Förderung des sozialen Wohnungsbaus.
Auf dem Berliner Wohngipfel beschloss
eine Runde aus Politik und Wirtschaft vor
einem Jahr ein »historisch einmaliges Pa-
ket«, wie Kanzlerin Angela Merkel (CDU)
damals lobte. Die Bundesregierung stock-
te die Mittel für sozialen Wohnungsbau
für 2018 bis 2021 auf fünf Milliarden Euro
auf. Das Geld sollte für mehr als 100 000
zusätzliche Wohnungen reichen. Doch
potenzielle Investoren rufen die Mittel nur
zurückhaltend ab.
Noch so üppige Hilfen können die Bau-
wirtschaft offensichtlich nicht dazu bewe-
gen, in bezahlbaren Wohnraum zu inves-
tieren. »Wir stimmen nicht in den Kanon
ein, der lautet: Wir brauchen mehr finan-
zielle Förderung«, sagt Christian Bruch,
Bundesgeschäftsführer des Verbands Frei-
er Immobilien- und Wohnungsunterneh-
men, einer Vertretung von Mittelständlern
wie Bauträgern, Projektentwicklern oder
Architekten.
Deutlicher kann eine Absage an mehr
Staatsgeld nicht ausfallen. Wichtiger ist
nach seiner Meinung, auf andere Faktoren
einzuwirken, vor allem auf das Angebot
an Grundstücken.
Die Preise für Grund und Boden sind
zum Teil enorm gestiegen. Je mehr Geld
aber ein Investor hierfür einsetzen muss,
desto weniger rechnet sich für ihn der
Bau von Sozialwohnungen, da er mit ver-
gleichsweise niedrigen Mieten zu kalkulie-
ren hat. Da lohnt es sich mehr, das knappe
Gut Boden für frei finanzierte Wohnungen
zu nutzen.
Nun könnten die Kommunen mehr Bau-
land ausweisen und so Druck vom Grund-
stücksmarkt nehmen. Doch das Erarbeiten
neuer Bebauungspläne zieht sich oft über
Jahre hin, schließlich wollen alle mitreden:
Baumschützer, Brandschützer, Boden-
schützer. »Alle werden beteiligt, aber
nichts wird entschieden«, kritisiert Bruch.
Stehen Grundstücke irgendwann bereit,
dauert es ewig, bis die Behörden Bau -
genehmigungen erteilen. Die Folge: Trotz
Wohnungsnot sinkt die Zahl der Bau -
genehmigungen seit Jahren, in der ersten
Hälfte 2019 waren es 2,3 Prozent weniger
als im Vorjahreszeitraum.
Der Antragsstau rührt daher, dass die
Zahl der Fachleute in den Behörden kon-
tinuierlich abnimmt. Die Ämter sind un-
terbesetzt, weil Unternehmen Architekten
und Ingenieure abwerben. In der Privat-
wirtschaft verdienen sie mehr. Viele Stellen
in den Ämtern sind vakant, die verbliebe-
nen Mitarbeiter überfordert. Sie haben
immer mehr Gesetze und Verordnungen
zu beachten. Experten sprechen vom
»Baustauland Deutschland«.
Auch im Energie- und Klimafonds blieb
viel Geld ungenutzt. Gespeist wird er
durch die Einnahmen des Bundes aus der
Auktion von Emissionszertifikaten und
Bundeszuschüssen. Die Bilanz: Von den
4,4 Milliarden Euro, die 2018 zur Verfü-
gung standen, wurden 1,87 Milliarden
Euro nicht abgerufen. Trotz der trüben Bi-
lanz will die Bundesregierung den Fonds
mit weiteren Milliarden aus der geplanten
CO 2 -Abgabe aufstocken.
Der Wildwuchs bei Sondertöpfen und
Schattenhaushalten mitsamt dem damit
einhergehenden Ausgabestau hat auch
schon den Bundesrechnungshof auf den
Plan gerufen. In einem Gutachten vom
- August, das die Planungen des Bil-
dungs- und Forschungsministeriums von
Anja Karliczek (CDU) unter die Lupe
nimmt, monieren die Prüfer unverhohlen
die Vorliebe der Bundesregierung, Mittel
außerhalb der einschlägigen Haushaltstitel
zu parken und auszugeben: »Der Bundes-
rechnungshof hat wiederholt kritisiert,
dass die Einrichtung von Sondervermögen
die fachliche Steuerung erschwert und
die Transparenz des Bundeshaushalts ein-
schränkt.« Im Klartext: Extrahaushalte
sind keine Garantie dafür, dass die Mittel
schnell und zielsicher abfließen.
Die Bundesregierung will dennoch wei-
termachen wie bisher. So will sie etwa mit
zwei Milliarden Euro ein neues Sonder-
vermögen einrichten, um die Ganztages-
betreuung von Schulkindern zu finanzie-
ren. Ob die Mittel irgendwo ankommen,
bleibt fraglich.
Die Ursachen für den Investitions- und
Geldstau sind vielfältig. Mal fehlt es an
Kapazitäten für Planung, mal an denen
für die Genehmigung, mal an beidem zu-
sammen. Häufig treffen die staatlichen
Aufträge auf eine gut ausgelastete Bauwirt-
schaft. Dieses Problem dürfte sich aller-
dings von selbst lösen, wenn die Konjunk-
tur tatsächlich einbricht.
Viele der Engpässe lassen sich nicht über
Nacht beseitigen, manches, etwa für aus-
reichend Planungs- und Genehmigungs -
kapazitäten zu sorgen, bleibt Dauerauf -
gabe des Staates. Bevor die Regierung
angesichts einer drohenden Rezes sion da-
rangeht, die Ausgaben aufzustocken, sollte
sie in der Lage sein, ihr Budget auszu -
schöpfen.
Alexander Jung, Christian Reiermann,
Marcel Rosenbach, Michael Sauga,
Gerald Traufetter
(^68) DER SPIEGEL Nr. 37 / 7. 9. 2019
Wirtschaft
33,533,5
tatsächlich investiert
laut Haushaltsplan
34,834,8
38,138,1
36,1
34,0
35,0
33,2
29,929,9
29,3
29,929,9
29,6
39,839,8
Quelle: Bundesfinanzministerium
2013 2014 2015 2016 2017 2018
1,3
Differenz, nicht investiert
0,6 0,3 1,8 2,1 1,7
Geld sucht Aufgaben
Investitionsausgaben des Bundes
in Milliarden Euro