Der Spiegel - 07.09.2019

(Ron) #1

aber auch Preisrisiko ein. Nickel etwa hat
sich seit Jahresbeginn um mehr als zwei
Drittel verteuert. Die Agentur empfiehlt
Unternehmen, Alternativen zu suchen.
Eine Möglichkeit: auf andere Speicher-
materialien zu wechseln. CMBlu, vor fünf
Jahren im unterfränkischen Alzenau ge-
gründet, setzt auf Holz, genauer: auf des-
sen Lignin-Moleküle. Sie fallen massen-
haft bei der Papierherstellung an. »Dieses
Material ist im Millionen-Tonnen-Maß stab
vorhanden und wird sonst verbrannt«,
sagt Firmengründer Peter Geigle.
CMBlu nutzt das Prinzip der sogenann-
ten Redox-Flow-Batterie, auch Flussbatte-
rie genannt. Sie besteht aus zwei Tanks
mit einer Flüssigkeit, dem Elektrolyten.
Die Behälter sind verbunden und wandeln
elektrische in chemische Energie um.
Meist wird Vanadium, ein seltenes Metall,
in der Flüssigkeit gelöst. Das Unterneh-
men verwendet stattdessen das pflanzliche
Lignin. »Unser Vorbild ist die Natur«, sagt
Geigle, »sie speichert und transportiert
Energie nur mit organischen Molekülen.«
Derzeit stellt die Firma Prototypen her,
mit der Serienproduktion soll es in zwei
Jahren losgehen. Als Kunden hat Geigle
vor allem Energieversorger und Netz -
betreiber im Sinn, die immer mehr Strom
zwischenspeichern müssen. Den geplan-
ten milliardenteuren Ausbau der Strom -
trassen von Nord- nach Süddeutschland
könne man sich sparen, sagt Geigle, wenn
es nur genügend Großspeicher gäbe.
Weil es daran fehlt, bleiben enorme Ener-
giepotenziale bislang ungenutzt. Dies lässt
sich an den Entschädigungssummen für
Windradbetreiber ablesen, die in Zeiten
mit ausreichend Last im Netz ihre Anlagen
abregeln, also die Leistung verringern müs-
sen. Allein im ersten Quartal dieses Jahres
bekamen sie für die entgangenen Einnah-


men rund 364 Millionen Euro ersetzt, drei-
mal so viel wie in den ersten drei Monaten


  1. Das Geld zahlen am Ende die Strom-
    kunden.
    Redox-Flow-Batterien auf organischer
    Basis könnten helfen, überschüssigen
    Windstrom aufzunehmen. Auch JenaBat-
    teries, eine Ausgründung der Universität
    Jena, setzt auf diese Technologie, sie will
    im übernächsten Jahr mit der kommerziel-
    len Nutzung beginnen. Der Nachteil: Re-
    dox-Flow-Systeme benötigen Platz, klei-
    nere Exemplare haben die Ausmaße einer
    Schrankwand. Als stationäre Windkraft-
    puffer mögen sie geeignet sein, nicht aber
    als Speicher für ein kompaktes Elektro -
    auto oder gar für ein Kleinwerkzeug. Für
    solche Zwecke ist die Lithium-Ionen-Bat-
    terie, erfunden 1980, mit ihrer außeror-
    dentlich hohen Energiedichte noch immer
    die Technologie der Wahl.
    Mittlerweile indes arbeiten Wissen-
    schaftler an Systemen, die ihr zumindest
    nahekommen sollen. »POLiS« heißt ein
    Forschungsverbund aus Ulm, die Abkür-
    zung steht für »Post Lithium Storage«. Ein
    Team um Helmholtz-Experte Fichtner ex-
    perimentiert mit Natrium, Kalium oder
    Magnesium, die um ein Vielfaches günsti-
    ger sind als Lithium und keine Engpässe
    befürchten lassen. »Die Rohstoffe haben
    wir auch auf der Schwäbischen Alb«, sagt
    Fichtner.
    Um aus einer Natrium-Ionen-Batterie
    noch mehr Leistung herauszukitzeln, nut-
    zen die Ulmer Forscher Kompostabfälle
    für die Elektrode, zum Beispiel Apfelreste
    oder Eierschalen von Hühnern, zu Pulver
    fein zermahlen. Die Mikrostruktur ähnele
    einem zusammengestürzten Kartenhaus,
    das mache sie besonders speicherfähig.
    Ebenfalls »ganz wunderbar«, so Ficht-
    ner, funktionierten spezielle ringförmige
    Moleküle, sogenannte Porphyrine, als
    Speichermaterial für den Pluspol. Solche
    Verbindungen kämen überall in der Natur
    vor, in Blattgrün etwa – oder in dem blau-
    en Blut von Spinnen.
    Noch freilich reichen derart ge tunte
    Natrium-Ionen-Speicher nicht an die Leis-
    tung konventioneller Batterien heran, so-
    lange werden Elektroautos oder -geräte
    wohl weiter mit der Lithium-Variante
    bestückt. Genauso wie die Akkus in den
    Kellern Zigtausender Haushalte, die auf
    dem Dach Solar panels installiert haben.
    Selbst die rund 50 kommerziellen Groß-
    speicher in Deutschland, die die Versorgung
    von Firmen oder Stadtteilen absichern,
    verwenden nach wie vor Lithium-Ionen-
    Pakete. Zumindest bei solchen stationären
    Anlagen könnten umweltfreundliche Al -
    ternativen zum Einsatz kommen, findet
    Fichtner. »Dafür sollten wir die knappen
    Ressourcen nicht verschwenden.«
    Alexander Jung


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Wirtschaft

DER SPIEGEL Nr. 37 / 7. 9. 2019


Gehorteter Strom
Kapazität von Energie-
speichern, weltweit
in Gigawatt


9 1095


2018

2040
(Schätzung)

2018 2040 (Schätzung)

Quelle: Bloomberg
New Energy Finance


Solar- und Windenergie
Anteil am Strommix in Prozent


Europa

USA

China

Indien

14


9


8


7


73


29


40


40


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