Eine Regenbogennation wollte Südafrika nach dem Abtritt der
Apartheidregierung 1994 werden. Nelson Mandela hatte die
Vision einer multiethnischen Gesellschaft, in der Menschen aller
Hautfarben friedlich zusammenleben. Doch das gilt ein Viertel-
jahrhundert später offenbar nur noch sehr eingeschränkt: In
dieser Woche kam es in Johannesburg und Pretoria zu Angriffen
gegen Einwanderer aus anderen afrikanischen Staaten. Geschäfte
wurden geplündert und niedergebrannt; es gab Tote und Ver -
letzte. Da Südafrika deutlich wohlhabender ist als viele Nachbar-
staaten, ist es ein Magnet für Einwanderer. Drei bis fünf Mil -
lionen Migranten sollen sich im Land aufhalten, genaue Zahlen
sind nicht bekannt. Sie kommen aus Krisenländern wie Somalia,
Simbabwe oder Mosambik.
Wie in Europa und in den USA haben Aggressionen gegen
Fremde zugenommen. Bereits 2008 starben bei Pogromen
62 Menschen. Die Hetze ist seit Jahren die gleiche. In den sozia-
len Medien werden Gerüchte gestreut, wonach die Einwanderer
kriminell seien und Einheimischen die Arbeitsplätze wegnäh-
men. Die Anfeindungen richten sich fast ausschließlich gegen
Personen mit dunkler Hautfarbe – mittlerweile haben sie sich zu
einer regelrechten Afrophobie ausgeweitet.
Häufig müssen die Einwanderer als Sündenböcke für eine
gescheiterte Politik herhalten. Arme Südafrikaner schieben
ihnen die Verantwortung für die wachsende Arbeitslosigkeit und
Ungleichheit im Land zu – und nicht der eigenen Regierung.
Auch Präsident Cyril Ramaphosa brauchte viel zu lange, um die
Gewaltexzesse in Johannesburg und Pretoria zu verurteilen –
und tat das dann nur halbherzig. Der Mob in den Großstädten
darf sich dadurch ermutigt fühlen, unerwünschte Ausländer wei-
terhin durch die Straßen zu jagen. Bartholomäus Grill
Analyse
Sündenböcke für die Politik
Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa muss entschlossener als bisher Gewalt gegen Fremde bekämpfen.
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Ausland
»Die drei taten mir wirklich sehr leid. Wir haben sie erschossen.«‣S. 78
DER SPIEGEL Nr. 37 / 7. 9. 2019
AHMAD AL-BASHA / AFP
Im jemenitischen Taizz kehren die Kinder nach den Sommerferien in ihre zerstörte Schule zurück. Der
Bürgerkrieg zwischen den von Saudi-Arabien unterstützten Regierungstruppen und den Huthi-Rebellen hat
die Stadt schwer beschädigt. Seit 2015 haben in dem Konflikt fast 100 000 Menschen ihr Leben verloren.