Die Weltwoche - 05.09.2019

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20 Weltwoche Nr. 36.
Bild: Screenshot Vimeo (Daniel Maurer)

E


igentlich sorgt der Kanton Zürich vorzüg-
lich für seine Pension: Der im Mai zurück-
getretene FDP-Regierungsrat Thomas Heini-
ger erhält nach eigener Aussage 186 000 Franken
Rente. Damit er sich voll seinem Amt widmen
konnte und seine wertvolle Arbeitszeit im
Staatsdienst nicht verschwenden musste, um
Pöstchen und Ämtchen für den Lebensunter-
halt nach dem Rücktritt zu verschwenden.
Mittlerweile wird klar, dass sich Heiniger gegen
Ende seiner Amtszeit ganz schön ins Zeug
gelegt hat, um sich möglichst viele lukrative
Mandate für die Zeit «danach» zu schnappen.
Da ist Thomas Heinigers Verwaltungsrats-
präsidium bei der von ihm gegründeten Axsana,
Anbieter eines elektronischen Patienten-
dossiers. Derzeit schuldet Axsana dem Kanton
1,8 Millionen Franken. Obwohl Heiniger dieses
Amt ex officio als Gesundheitsdirektor beklei-
det hat, klammert er sich über den Rücktritt
hinaus ans Präsidium. Und lässt sich neu 30 000
Franken auszahlen. Zur «Vernetzung» und
zum «Beziehungsaufbau». So viel sollten die
Handynummern von Alain Berset und Ignazio
Cassis schon wert sein. Dazu kommen 750
Franken pro Halbtagssitzung. Angesichts der
unruhigen Lage von Axsana liegen da locker
nochmals 20 000 Franken drin.
«Freiwilligkeit ist gelebte Menschlichkeit»,
propagiert das Schweizerische Rote Kreuz:
«Schenken Sie Ihre Zeit, Ihr Wissen, Ihre Kom-
petenzen und Ihre Erfahrungen anderen Men-
schen.» All das will Thomas Heiniger partout
nicht verschenken. Für das Präsidium des Roten
Kreuzes nimmt er 32 000 Franken pro Jahr. Er
könnte ja sonst wie Henry Dunant im Armen-
haus enden. Der Vorsitz der Spitex Schweiz
bringt ihm weitere 36 000 Franken ein. Die Oase
Holding AG für den Bau von Alterswohnungen
lässt ihrem Verwaltungsrat Heiniger 15 000
Franken zukommen. Und für das Präsidium der
Psychiatrie Baselland darf Heiniger zusätzlich
das Sümmchen von 60 000 Franken einstecken.
Plus Mitgliedschaft in deren zwei Ausschüssen.
Macht nochmals 8000 Franken.
Als Zürcher Regierungsrat hat Thomas
Heiniger 330 000 Franken verdient. Heute be-
tragen allein die Rente und die von ihm be-
kannten Mandate 387 000 Franken. «Zusam-
mengezählt verdienen Sie heute mehr als
früher als Regierungsrat», hat der Tages-Anzeiger
im Interview festgehalten. «Nein», beteuerte
Heiniger hoch und heilig. «Wo wir hören
heil’ge Schwüre / Steht die Lüge vor der Türe.»

D


er Schweiz droht wirtschaftlich ein schwe-
rer Einbruch. Dies nicht zuletzt wegen des
viel zu starken Schweizer Frankens. Die Aufhe-
bung des Mindestkurses war, ist und bleibt ein
Fehler.
Die NZZ will die beginnende Krise verschär-
fen und fordert ein Kursziel von 1.05 Franken.
Unsere beiden für die Wirtschaft zuständigen
Bundesräte sind auf Tauchstation. Die Parteien
ihrerseits auf Würmersuche. Einzig Serge Gail-
lard hat klar gegen die Überbewertung des
Frankens Stellung bezogen.
Länder, die, wie Deutschland oder die Schweiz,
bisher voll auf Export gesetzt haben, kommen
unter Druck. Sie müssten sinnvollerweise die
Binnennachfrage stimulieren und die Effizienz


  • etwa des Gesundheitswesens – erhöhen.
    Vor zwanzig Jahren beschlossen die Kantone
    Waadt und Wallis, ihre Spitäler im Chablais zu
    fusionieren. Ich war damals – obwohl Selbstlob
    nicht gut ankommt – der für das Wallis zustän-
    dige Staatsrat. Planung und Bau dauerten bis zu
    der in diesem Jahr anstehenden Eröffnung fünf
    Mal länger als in Dänemark. Leider.
    In Rennaz werden neu 200 000 Menschen auf
    höchstem Niveau versorgt. Fünf bestehende
    Spitäler im Wallis und im Waadtland schliessen
    ihre Türen. Der Faktencheck:


Vorteil 1 _ Die medizinische Versorgung wird
dank eines Spitals der nächsten Generation

massiv verbessert. Wenn wir anständige Statis-
tiken hätten, liesse sich das bestens belegen.

Vorteil 2 _ Gesamthaft braucht es nicht mehr
Personal als bisher, sondern weniger. Die Ar-
beitsbedingungen werden verbessert. Es wird
also rationalisiert und nicht rationiert. Dies
kommt den Patienten, deren Gesundheit und
den Krankenkassenprämien zugute.

Vorteil 3 _ Wir leben in einer Nullzins-Phase.
Und das wird offenbar so bleiben. Spitäler vom
Typ Rennaz müssen nicht verzinst, sondern nur
amortisiert werden. Dazu reichen 12 Millionen
Franken pro Jahr. Und somit lächerliche 60
Franken pro Jahr und Versicherten im Chablais.
Das Schweizer Baugewerbe produziert Woh-
nungen, die zunehmend leerstehen. Stattdessen
müsste es 41 neue Spitäler vom Typ Rennaz bau-
en. Und zwar mit dem Tempo der Dänen. Kein
Bundesrat und keine der Parteien haben bisher
den Mut, den dringend notwendigen Struktur-
wandel einzufordern und voranzubringen.
Vernunft und Argumente helfen – wie ge-
scheiterte Spital-Abstimmungen im Grossraum
Basel belegen – nichts. Es braucht wie bei den
Kitas Zucker aus Bern. Das Baugewerbe könnte
eine Investitionsspritze in der Höhe von 15 Mil-
liarden in den nächsten Jahren gebrauchen.

Mörgeli


Regierungsrätliche


Restmandate


Von Christoph Mörgeli


Bodenmann


Spitäler: 41 Mal Rennaz reicht aus


Von Peter Bodenmann _ Im Chablais eröffnen die Kantone Wallis
und Waadt ein neues Spital für 200 000 Einwohner.

Die Fabrik im Grünen senkt die Kosten und verbessert die Qualität: Spital in Rennaz (Projektbild).

Der Autor ist Historiker und ehemaliger SVP-Nationalrat.

Der Autor ist Hotelier in Brig und ehemaliger Präsident
der SP Schweiz.
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