Die Weltwoche - 05.09.2019

(ff) #1

22 Weltwoche Nr. 36.19
Bild: Cover Weltwoche Nr. 35/19; Illustration: Miroslav Barták


Politisches Spiel
Nr. 35 – «Kinder an die Macht»;
Henryk M. Broder, Katharina Fontana und
Philipp Gut über die Klimajugend

Als langjährigem Leser fällt mir auf, dass Sie
sich zunehmend auf ein Phänomen einge­
schossen haben, das Sie gerne als Klimahys­
terie bezeichnen. Ihren vorläufigen Kulmina­
tionspunkt findet diese Haltung in der letzten
Ausgabe. Die darin kolportierten Plattitüden,
nach denen in den Klimademonstrationen le­
diglich die verirrten Auswüchse einiger stirn­
befranster Gymnasiasten zu sehen seien, die
Scheinprobleme anprangerten, sind einer
Weltwoche nicht würdig. Um sich der verhee­
renden Zerstörung der vergangenen Jahr­
zehnte bewusst zu werden, die wir auf diesem
Planeten angerichtet haben, bedarf es weder
einer gymnasialen Bildung noch mehrhun­
dertseitiger Expertisen. Der schlichte Ver­
gleich der Satellitenbilder reicht vollständig,
um zur Erkenntnis zu gelangen, dass wir nicht
erst seit den jüngsten Brandrodungen, son­
dern bereits seit geraumer Zeit desaströse Ver­
heerungen auf unserem Planeten verursachen
und damit ohne Unterlass am Ast sägen, auf
dem wir alle sitzen. Urs Geppert, Rupperswil

Dass da so viele angeblich kluge Leute der Ver­
blödung anheimfallen, ist für mich schlicht
nicht nachvollziehbar. Das Beruhigende aber
ist, dass dann auch all die Mitläufer den Gürtel
enger schnallen werden müssen.
Rolf Kempf, Eglisau

Ich bin Jahrgang 1941 und muss mir heute an­
hören, wir ruinierten der Jugend das Leben. Ich
muss euch enttäuschen, denn in meiner Jugend
wurde nachhaltig gelebt. Zum Einkaufen und
zur Schule musste ich mehrere Kilometer zu
Fuss laufen, transportiert wurden die Einkäufe
in einem Netz. Wenn Kleidung nicht mehr
brauchbar war, wurden alle noch verwertbaren
Dinge wie Knöpfe oder Reissverschlüsse ab­
getrennt und der Rest als Putzlappen genutzt.
Geschenkpapier wurde vorsichtig geöffnet, um
es wiederzuverwenden. Als Schüler sammelten
wir Altpapier und Flaschen und halfen bei der
Kartoffelernte. Ich könnte noch viel über geleb­
te Nachhaltigkeit erzählen, stattdessen muss
ich mir von Rotzlöffeln, die sich von Mami mit
dem SUV zur Schule kutschieren lassen, sagen
lassen, wir ruinierten ihr Leben. Wir hatten kei­
ne elektronischen Spiele, unser Whatsapp wa­
ren Zettel unter der Schulbank, wir verabrede­
ten uns mündlich, das Telefon war nur für
Notfälle gedacht. Ihr aber werft eure Kleidung

nach zweimaligem Tragen weg, produziert
Müll ohne Ende, verbraucht seltene Erden und
müsst immer die neuesten Geräte besitzen. Auf
euren Demos lasst ihr euren Müll von euren er­
wachsenen Sklaven wegräumen, und am Wo­
chenende geht es zum Open­Air­Konzert oder
zum Komasaufen. Wenn ihr einmal so richtig
nachhaltig gelebt habt wie unsereins, dann
dürft ihr gerne streiken. Greta, go home.
Egidio Cattola, Riehen

Seit ihrer Kindheit ist Greta aspergerkrank
Nun streikt sie emsig, dem Hype sei Dank!
Zur Königin avancierte sie sehr bald,
Aber sieht sie vor lauter Bäumen den Wald?
Mit ihrer Obsession ist in die Politik sie getaucht,
Wird nun zu politischen Zwecken missbraucht.
Nicht das Mädchen – in diesem politischen Spiel –,
Vielmehr ein Teil der Gesellschaft ist infantil!
Bruno Dinner, St. Gallen

Greta: Wer organisiert und finanziert diesen
Zirkus? Und wer verdient sich daran eine gol­
dene Nase? Ein Bericht darüber fehlt noch!
Horst Pfaff, Altdorf

Die Polemik von Henryk M. Broder greift zu
kurz. Denn auch wenn man den in der Tat
übertriebenen Personenkult um Greta Thun­
berg nicht teilt, so hat die schwedische Akti­
vistin doch auf einer inhaltlichen Ebene sehr
viel erreicht, da selbst konservative Par teien
jetzt wieder stärker über einen ambitionier­
ten Klimaschutz reden, der – vernünftig um­

Leserbriefe
«Dass da so viele angeblich kluge Leute der Verblödung
anheimfallen, ist für mich schlicht nicht nachvollziehbar.» Rolf Kempf

Darf man einen Pfarrer auspfeifen, wenn er
eine Abdankung so grottenschlecht gestaltet,
dass man sich schon beinahe wünscht, der Tote
wäre nicht verstorben?
Beat Bratschi, Thun


Ob man dem Verstorbenen den erlösenden
Tod oder noch weitere Lebensjahre gewünscht
hat, hängt vor allem von seiner Lebensqualität
und dem Alter ab. Aber nach seinem Hinschied
schuldet der Pfarrer oder die Pfarrerin den
Trauernden eine gehaltvolle und tröstliche
Abdankung. Ist sie grottenschlecht, würde ich
aus Rücksicht auf die Hinterbliebenen nicht
lospfeifen, sondern nachträglich dem Pfarrer
und vielleicht auch der Kirchenbehörde eine
unverblümte Rückmeldung geben. Die Kirche
benötigt solche Qualitätskontrolle.
Peter Ruch


Darf man das?


Leser fragen, die Weltwoche


antwortet


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Kinder an die Macht
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