Süddeutsche Zeitung - 07.09.2019 - 08.09.2019

(Rick Simeone) #1
von fritz göttler

E


s war eine lange, hitzige Nacht,
mehr als sieben Stunden, vollge-
packt mit Leidenschaft und Pa-
thos, Aggression und Scheinhei-
ligkeit, absolut drehbuchreif. Ei-
ne Nacht mitten in der Zeit des HUAC, des
House Un-American Activities Commit-
tee, des Untersuchungsausschusses des
Repräsentantenhauses zu unamerikani-
schen Umtrieben. Er begann Ende der
Vierzigerjahre verstärkt nach linken, kom-
munistischen Kräften und Sympathisan-
ten im Filmbusiness zu forschen und löste
bei vielen Hollywoodianern panische
Angst vor schwarzen Listen aus. Unwillige
Zeugen, die auf ihrem Recht auf Zeugnis-
verweigerung bestanden, mussten ins Ge-
fängnis, willige Zeugen gaben Kollegen
preis und zerstörten Karrieren.

Auch dieScreen Directors Guild,dieGe-
werkschaft der Regisseure, wurde in Tur-
bulenzen gestürzt. Sie spitzten sich zu im
August 1950 und kulminierten in der le-
gendären Mitgliederversammlung in be-
sagter Nacht, am 22. Oktober, im Crystal
Room des Beverly Hills Hotel.The Battle
for Hollywoodwurde sie in der Presse ge-
nannt. Die Protagonisten: Auf der einen
Seite Cecil B. DeMille, die große patriar-
chalische Figur des amerikanischen Ki-
nos, in der Stummfilmzeit erfolgreich mit
extravaganten Salonkomödien, später
mit historischen, bevorzugt biblischen
Spektakeln wie „Die zehn Gebote“. Ein Hol-
lywoodurgestein, der weiße alte Mann par
excellence. Auf der anderen Seite Joseph
L. Mankiewicz, den er einst als Präsiden-
ten der Guild „eingesetzt“ hatte, und der
sich nun nicht als Marionette seines Wil-
lens erwies. Mankiewicz hatte im März
mit „A Letter to Three Wives“ die Oscars
für bestes Drehbuch und beste Regie be-
kommen, hatte gerade „All About Eve“ fer-
tig – der kurz vor der Premiere stand und
im Jahr darauf ihm erneut zwei Oscars be-
scheren sollte. Er war der Genius des jun-
gen, intellektuellen Hollywood, ein neues,
liberales Gewicht in der Runde. „The
night they drove old C. B. down“ heißt das
Kapitel in Kenneth L. Geists großer Man-
kiewicz-Biografie, das diese Nacht lust-
voll detailliert erzählt: die Nacht, als man
den alten C. B. auflaufen ließ.
Besagte Nacht hat mittlerweile eine my-
thische Dimension angenommen, es wur-
de enorm viel Erinnerungsarbeit geleistet
von denen, die dabei waren. Der eigentli-
che Anlass des Konflikts, in dem sich so
viele Regisseure emotional engagierten
und verhedderten, ist eher unklar. War es
ein reaktionäres Aufbäumen, war es ein
Putsch oder nur ein Ränkespiel, waren die
Differenzen der beiden Fraktionen so ge-
waltig? Hat diese Nacht im Crystal Room
Hollywood wirklich verwandelt?
Inzwischen gibt es ein eigenes Buch
über den Streit, „Hollywood Divided“, von
Kevin Brianton, aus dem Jahr 2016, und

Ende des vorigen Jahrhunderts wurde dar-
an gedacht, einen Film daraus zu machen


  • der Regisseur Richard Brooks, der selbst
    in der Nacht dabei war, interessierte sich
    für den Stoff.
    Der Streitpunkt damals: DeMille woll-
    te einen Eid erzwingen, mit dem alle Regis-
    seure Hollywoods ihre Loyalität und Liebe
    zu Amerika bekunden sollten und ihren
    Horror vor allem, was kommunistisch an-
    mutete. Umstritten war vor allem der Mo-
    dus, in dem DeMille diesen Eid haben woll-
    te: öffentlich und quasi obligatorisch, un-
    demokratisch, unter Androhung einer
    Blacklist. „Ich kenne nur ein Land, in dem
    der Bevölkerung keine geheime Wahl zu-
    gebilligt wird, und das ist Russland“, merk-
    te Mankiewicz in einem der unzähligen
    Wortwechsel an, und bekam als Erwide-
    rung: „Vielleicht sollten wir einige von ih-
    ren Taktiken auch hier probieren. .. “
    DeMille hatte seine Kampagne be-
    wusst gestartet, als Mankiewicz zwei Mo-
    nate in Frankreich war. Bei seiner Rück-
    kehr hatte der erst mal gebremst, dann


aber irgendwann doch den Eid unter-
schrieben. Er wusste, seine Karriere stand
auf dem Spiel. DeMille wollte ihn darauf-
hin mit einer Blitzaktion als Guild-Präsi-
denten abwählen lassen – Praktiken, die
seit einiger Zeit auch in der Politik wieder
gefragt sind. Die DeMille-Truppe schickte
also nachts einen Trupp Motorradfahrer
los, um den Regisseuren Stimmzettel für
die Abwahl zuzustellen – auf denen man
nur ein Ja ankreuzen konnte. Sie hatte vor-
sorglich 55 Mitglieder gestrichen, die als
Mankiewicz-Sympathisanten galten.
Einer aber kriegte doch Wind von der
Sache, Herman Mankiewicz, der ältere
Bruder, der das Drehbuch für„Citizen Ka-
ne“ geliefert hatte. Er rief Joe an: „Was ha-
ben Andrew Johnson und du gemein-
sam?“ Die Antwort natürlich: das Im-
peachment, das Amtsenthebungsverfah-
ren, das den 17. Präsidenten der USA ereilt
hatte. In Notwehr setzte Mankiewicz eine
außerordentliche Sitzung der Guild an,
und es fanden sich tatsächlich die für die
Einberufung nötigen 25 Mitglieder, die

den Zorn DeMilles nicht fürchteten, dar-
unter Billy Wilder und John Huston.
Die folgende Nacht im Crystal Room
wurde eine patriotische Nacht – nicht der
klebrige nationalistische Patriotismus,
sondern echter weltoffener amerikani-
scher Patriotismus, der auf natürliche Wei-
se alle Immigranten einschloss und all je-
ne, die im Weltkrieg an den Fronten wa-
ren. Elia Kazan kam nicht zur Sitzung –
seine KP-Mitgliedschaft hätte Mankie-
wicz schaden können. Rouben Mamouli-
an, der aus Russland stammte, bekundete
Furcht wegen seines fremden Akzents.
Lange nach Mitternacht ergriff John Ford,
mindestens ebenso urgesteinig wie DeMil-
le, das Wort. Er schlug vor, das Board der
Guild solle geschlossen zurücktreten, um
einen Neustart zu ermöglichen. „My na-
me is John Ford, I make westerns. .. Dass
zwei der schwärzesten Republikaner, die
ich kenne, Joseph Mankiewicz und Cecil
B. DeMille, einen Streit anfangen über
Kommunismus – das kommt mir ganz
lachhaft vor.“

Jede Zahl von 1 bis 9 kommt pro Zeile und Spalte
höchstens einmal vor. Ununterbrochene Reihen
weißer Felder (Straßen) enthalten nur aufeinander-
folgende Zahlen, aber in beliebiger Reihenfolge.
Zahlen auf schwarzen Trennfeldern gehören zu
keiner Straße. © 2010 Syndicated Puzzles Inc.
 http://www.sz-shop.de/str8ts

Der Streit zwischen Mankiewicz (l.) und DeMille ging in die Stadtgeschichte ein. FOTOS: RISBERG/AP,SLATER/IMAGO/HOLLYWOOD PHOTO ARCHIVE

67 21 98
56 342 87
78543162
9687 45
978564
849567 32
18625743
12 5687
231 89

1

3
2

9
6

98 12
76894523
897 54 12
67 12 543
845367 1
432786
3214 867
512369487
567 98

6

2
5
9

3

LÖSUNGEN VOM FREITAG ...


... UND VOM WOCHENENDE


STR8TS: SO GEHT’S


Quartett mittelschwerKerze,Rad,Brücke, Rolle:
So heißen vier Turn- oder Gymnastikübungen.
Schwer„Zero points“ gab es vom Publikum des
Eurovision Song Contests 2019 für den deutschen
Beitrag„Sister“. Sabrina Setlur veröffentlichte ihre
Single „Ja klar“ unter dem Namen„Schwester S“.
Ferner dargestellt warenKlosterschwesternund
zweiSchwesternals Teil eines Verwandtschafts-
diagramms.Aller Anfang„Die Seele jeder Ordnung
ist ein großer Papierkorb“ (Kurt Tucholsky)

DEM GEHEIMNIS AUF DER SPUR

Amerikanische Nacht


ImDuell der US-Regisseure DeMille und Mankiewicz ging es 1950


nicht nur um Kommunisten, sondern um die Zukunft Hollywoods


38 RÄTSEL Samstag/Sonntag,7./8. September 2019, Nr. 207 DEFGH


986723451
341568279
257149638
835692147
469371582
712854396
193285764
628437915
574916823

796528134
284317965
531694287
357961842
462853791
819472356
973246518
625189473
148735629

STR8TSmittelschwer


FOTOS: IMAGO (6); MAURITIUS (2); WIKIMEDIA COMMONS/TSCHUBBY (CC BY-SA 3.0)

SCHACH


Zauberzug

QUARTETT


Vier Bilder, eine Gemeinsamkeit – welche?

von oliver rezec

mittelschwer


schwer


SUDOKUschwer


SCHWEDENRÄTSELHaustiere in Deutschland


a 8 7 6 5 4 3 2 1
bcdef gh

Position nach 40.Lc5

Carlsen – Ding, Liren (Spanisch)
Trotz schlechter Form gelang Weltmeister
Magnus Carlsen beim 7. Sinquefield Cup in
Saint Louis die Energieleistung, nach neun
Remisen die letzten beiden Partien zu ge-
winnen und so zum führenden chinesi-
schen Spitzenspieler Ding Liren aufzu-
schließen. Im folgenden Tiebreak um den
Turniersieg galt Carlsen als klarer Favorit,
hatte er doch seit 2007 jeden Tiebreak ge-
wonnen. Doch Ding Liren spielte groß auf,
zwei Remisen im Schnellschach folgte ein
Sieg in der ersten Blitzpartie, so dass der
Weltmeister in der folgenden zweiten Par-
tie hätte unbedingt siegen müssen:
1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 a6 4.La4 Sf6
5.0–0 Le7 6.d3 b5 7.Lb3 d6 8.c3 Sa5
9.Lc2 c5 10.d4 cxd4 11.cxd4 0–0 12.h3
Te8 13.d5 Ld7 14.Sc3 Db8(zwar verfügt
Weiß über Raumvorteil, doch findet
Schwarz in der Folge einen hervorragen-
den Plan, seine Figuren harmonisch anzu-
ordnen)15.Ld3 Tc8 16.Se2 Sb7 17.g4 Sc5
18.Sg3 Sxd3 19.Dxd3 b4 20.Te1 Db5
21.Dd1 Tc7 22.Le3 Tac8(Schwarz steht
ausgezeichnet, doch nun findet Carlsen ein


kreatives Manöver, um das Spiel zumin-
dest zu verschärfen)23.Sd2 g6 24.b3 Db7
25.Sc4 Lb5 26.Sa5 Db8 27.Dd2 Tc3 28.a3
bxa3(Auftakt zum Säbeltanz)29.Sc6 Lxc6
30.Dxc3 Lxd5 31.Da5 Lxe4 32.g5 La8(ei-
ne brillante Antwort, die eine Läufer-Da-
me-Batterie vorbereitet. Überhaupt be-
wegt sich das Spiel für eine Blitzpartie auf
unglaublich hohem Niveau) 33.Dxa6
(33.gxf6 Db7 34.Kf1 Dg2+ 35.Ke2 Df3+
36.Kf1 Dg2+ führt zum Remis)33...Sd5
34.La7 Dc7 35.Tec1 Dxc1+ 36.Txc1 Txc1+
37.Kh2 Lc6 38.Dxa3 Lxg5 39.Dxd6(dies
verliert, die letzte Chance bestand in
39.Se2)39...Lf4 40.Lc5(gewinnt Carlsen
doch? Der schwarze Läufer auf c6 hängt
und es droht Matt auf f8)Diagramm
40...Se7(ein wahrer Zauber-Zug von unge-
heurer Kraft, den Ding Liren offenbar von
weither vorausgesehen hatte. Schwarz pa-
riert die Mattdrohung auf f8, schützt den
Läufer auf c6 und droht selbst vernichtend
Matt auf h1! Weiß gibt auf denn die einzig
sinnvolle Verteidigung durch 41.f3 schei-
tert an 41...Lxf3 42.Lg1 Tc2+).
stefan kindermann

6


94


2


3


5


7


53


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1


5


3 8


8 5 6


9 2 8 4 3


2 6


3 9 7


4


3 8 9


5 2 1 4


ALLER ANFANG


„D···-d···, t·· w···· i· d···!


W···· o·· w····? T·· w····· w····“


Als Margaret Thatcher starb, stieg dieser jahrzehntealte Song aus
„The Wizard of Oz“ auf Platz 2 der britischen Charts. Wie lautet das Zitat?

Alle sollten mit einem
Eid ihre Loyalität und
Liebe zu Amerika bekunden
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