Süddeutsche Zeitung - 07.09.2019 - 08.09.2019

(Rick Simeone) #1

Der Hund ist
längstnicht nur
ein Accessoire, das
sich gut macht
zum eigenen, wohl
kuratierten Outfit.
Er wird von seinen
modebegeister-
tem Herrchen
beizeiten auch
modisch eingeklei-
det: Pullis, Mäntel,
Bandana oder
Haarspange? Alles
da. Nun geht der
französische DesignerEric Bompard
noch einen Schritt weiter und hat erst-
mals eine eigene Kollektion für Hunde
im Angebot. Der Kaschmirexperte hat
passend zu sechs Menschen-Pullis das
entsprechende Pendant für den Hund
entworfen. In insgesamt sechs Kreatio-
nen der diesjährigen Winterkollektion
können Mensch und Tier im Partnerlook
Gassi gehen, etwa im kamelfarbenen
Pullover mit Zopfmuster oder in einem
Modell mit Schottenmuster. Die Hunde-
teile sind aus 70 Prozent Wolle und
30 Prozent Kaschmir und in zwei Grö-
ßen erhältlich. (ab 95 Euro, eric-bom-
pard.com)


Immer mehr Menschen fragen sich, von
wem und unter welchen Umständen
eigentlich ihre Kleidung hergestellt wur-
de. Beim LabelPietàweiß man es ziem-
lich genau, allerdings steckt keine ro-
mantische Nähkästchen-Geschichte
dahinter: Pietà ist ein Projekt, das in
Perus berüchtigtem Gefängnis Lurigan-
cho in Lima entstand. Dort sitzen oft
auch Minderjährige ein, ohne verurteilt
worden zu sein, die sich aber keinen
Anwalt für einen Prozess leisten können.
Mit der Arbeit an T-Shirts, Kappen und
Rucksäcken lernen die Häftlinge womög-
lich einen Weg aus dem kriminellen
Milieu und verdienen Geld, um ihre
Familien zu unterstützen. Verwendet
werden für die Kleidung hochwertige
Fasern wie Alpaka und Kaschmir oder
ökologische und recycelte Materialien.
Die aus Peru stammende Gründerin der
Fotoagentur „Shotview“, Kozva Rigaud,
lanciert nun zusammen mit Pietà eine
limitierte T-Shirt-Edition mit Drucken
namhafter Fotografen wie Horst Diekger-
des, Ronald Dick oder Caroline Macin-
tosh. Entstanden sind dabei Sammlerstü-
cke mit ziemlich guter Führung. (ab
circa 50 Euro, erhältlich auf http://www.pro-
jectpieta.com)


Am Konzept der ParfummarkeLe Labo
aus New York sind mehre Aspekte inter-
essant. Zum einen versteht man sich
dort trotz globaler Beliebtheit immer
noch als Manufaktur, deshalb werden
viele Düfte in den Boutiquen frisch ange-
mischt. Zum anderen verfolgt Le Labo
neben einem Grundsortiment mit sei-
nen „City Exclusive“-Düften eine unge-
wöhnliche Vertriebsidee – große Städte
bekommen ihr eigenes Parfum, das
nicht nur auf die Atmosphäre in dem Ort
abgestimmt, sondern auch wirklich nur
dort erhältlich ist. Man entwirft sozusa-
gen einen Duft für Einheimische. Neu-
este Zuwächse sind dieses Jahr „Bigara-
de 18“ (Hongkong) und „Tabac 28“
(Miami). Einzige Ausnahme: Immer im
September sind einen Monat lang alle
Citydüfte für alle Interessierten auf der
ganzen Welt und im Onlinestore erhält-
lich. Sozusagen der Monat für Duftrei-
sende – immer schön der Nase nach.
(ab 108 Euro, lelabofragrances.com)


Man würde zu
gerne wissen, wie
ein Superheld
aussieht, der sei-
nen 80. Geburts-
tag feiert. Könnte
er noch fliegen?
Bräuchte er einen Krückstock? Würde er
noch in seinen hautengen Anzug pas-
sen? Vermutlich trüge er eher Joggingho-
se und bequeme Schuhe. Etwa die Trend-
Schlappen vonSuicoke, die jetzt anläss-
lich des Batman-Jubiläums ein KAW-Mo-
dell mit dem Logo des Fledermaus-Man-
nes versehen haben. Die Sohle aus Vi-
bram verspricht hohen Tragekomfort,
guten Halt und eine gewisse Rutschfes-
tigkeit – beste Voraussetzungen also für
den Aufgabenbereich eines alternden
Superhelden. Die Schuhe gibt es bis zum



  1. September exklusiv in einer eigenen
    Gotham-City-Installation in den Gale-
    ries Lafayette auf den Pariser Champs-
    Élysées. (circa 200 Euro, suicoke.com)


Bislang lautete die Unterteilung in der
Hautpflege „junge“, „reife“, „sensible“
oder „trockene“ Haut. Aber wer spätes-
tens diesen Sommer mal genauer hin-
schaute, sah noch eine andere, ziemlich
auffällige Kategorie: tätowierte Haut.
Aus den paar Rosen und Arschgeweihen
der Nullerjahre ist bisweilen flächende-
ckendes Buschwerk an Beinen und Ar-
men geworden. Jeder dritte Deutsche ist
angeblich tätowiert – eine Millionen-
Zielgruppe. Nach Firmen wie Derm Ink,
Balea oder Tattoo Med bringt nun auch
die Nivea-Mutter Beiersdorf eine eigene
Linie heraus, die erste neue Markenein-
führung für den Konzern nach mehr als
30 Jahren.Skin Stories, das zusammen
mit Tattoo-Artists entwickelt wurde, soll
die verzierte Haut nicht nur pflegen,
sondern auch dem „bisher kaum beach-
teten Phänomen“ des Tattoo-Agings
entgegenwirken. (von Mitte September
an, skinstories.com)


julia rothhaas, max scharnigg,
silke wichert


D


er künstlerische Kniff, den der
in dieser Woche verstorbene
Modefotograf Peter Lind-
bergh vermutlich besser be-
herrschte als jeder andere, war
die Inszenierung von Intimität. Seine be-
rühmteste Bilderserie zeigt mehrere Super-
models, Tatjana Patitz, Christy Turlington,
Linda Evangelista und andere in weißen
Hemden, sonst haben sie nicht viel an. Das
Bild links unten zeigt Lindbergh vor dem
Foto. Diese zum Niederknien schönen Frau-
en sehen beinahe ungeschminkt aus, auf je-
den Fall aber sehr unprätentiös. Und das
weiße Hemd über den nackten Beinen war
eine emotionale Referenz, die Erinnerung
an eine Frau, die im Männerhemd am Kü-
chentisch sitzt und eine Zigarette raucht.
Diese Frau trug das Hemd natürlich, weil
sie die Nacht bei einem Mann verbracht hat-
te, in einem so frühen Stadium einer Bezie-
hung, dass sie noch nichts Frisches zum An-
ziehen dabeihat für morgens. Aber es gibt
einen Morgen, es gibt einen gemeinsamen
Kaffee, es ist mehr als ein One-Night-
Stand. Das Motiv erinnert den Betrachter
an eine Liebschaft, als dem Anfang noch
ein Zauber innewohnte.
Lindberghs zweiter Kniff: Besonders die
Frauen erinnerte es an diesen Zauber.
Selbst wenn sie keine Supermodels waren,
sie konnten sich in den Motiven wiederfin-
den. Und schnell waren nicht nur Supermo-
dels sein Motiv, sondern auch Stars.
Wobei, Supermodels, die gab es vor Lind-
bergh eigentlich noch nicht. Es gab Ende
der 1980er-Jahre unterschiedlich gute und
unterschiedlich gut bezahlte Mannequins,
meistens trugen sie das Haar stark geföhnt
und die Schultern gepolstert. Es glosste
und funkelte von den Titelseiten der Frau-
enzeitschriften, doch Lindbergh schoss sei-
ne Fotos in Schwarz-Weiß, grobkörnig,
eine Technik, die heute der Computer simu-
lieren muss. Die Patina von Handarbeit
und Dunkelkammer. Auch das körnige Ma-
terial machte die Abgebildeten nahbarer.
Die Frauen (oben: Kate Moss) hatten die
Haare verwuschelt oder manchmal noch
ein wenig nass (rechts unten: Charlotte
Rampling). Auch wenn da ein Experte für
Haare und Make-up stundenlang hinge-
knetet hatte, wirkte es lässig, selbstbe-
wusst, wie frisch aufgestanden und ein-
fach so aus dem Haus gegangen. Natürlich
konnte er auch ironisch gebrochenen Gla-
mour, wie die Bilder oben rechts mit Kris-
ten McMenamy, 2009 fotografiert für die
Vogue, und mit Giselle (links) zeigen.
Mitte der 1990er-Jahre kam der Heroin-
Chic auf, auch der wirkte intim, aber er setz-
te auf Nichtgefallen, auf veredeltes Elend.
Wie prägend Lindberghs Arbeit war, das
wurde klar, nachdem der Heroin-Chic wie-
der vergessen war und weitere Trends die
Modebranche durchwanderten – seine Bil-
der und sein Stil aber weiter Bestand hat-
ten. david pfeifer

Der Seelenleser


Peter Lindbergh prägte die Modefotografie entscheidend. Als alles funkelte, setzte er


auf Schwarz-Weiß-Bilder – und ließ so die schönsten Frauen der Welt lässig und nahbar wirken


62 STIL Samstag/Sonntag,7./8. September 2019, Nr. 207 DEFGH


FOTOS: PETER LINDBERGH, AUS DEN BILDBÄNDEN "IMAGES OF WOMEN" UND "IMAGES OF WOMEN II", ERSCHIENEN IM SCHIRMER/MOSEL VERLAG MÜNCHEN, DPA/PA

KURZ
GESICHTET
Free download pdf