Neue Zürcher Zeitung - 07.09.2019

(Ron) #1

2INTERNATIONAL Samstag, 7. September 2019


Die deutsche Kanzlerin macht sichinPeking für eine politische Lösung stark. REUTERS

Merkel wirbt für Dialogmit Hongkong


(dpa)· Kanzlerin Angela Merkel hat
sich bei ihrem Besuch in China für die
«Rechte undFreiheiten» der Hongkon-
ger eingesetzt.Nach Gesprächen mit
Regierungschef LiKeqiang sagte Mer-
kel amFreitag inPeking, es müsse jetzt
alles darangesetzt werden, Gewalt zu
vermeiden.Politische Lösungen müss-
ten durch Dialog gefunden werden. Chi-
nas Ministerpräsident gab sich zurück-
haltend. Man unterstütze die Hong-
kongerRegierung dabei, «Gewalt und
Chaos» zu beenden.An dem Grundsatz
«einLand, zweiSysteme», nach dem die
chinesische Sonderverwaltungsregion
regiert wird, haltePeking fest, sagte Li.
Auf dieFrage nach einem möglichen
militärischen Eingreifen in Hongkong

ging er nicht ein. Allerdings wäre eine
solcheIntervention auch auf der gegen-
wärtigen Rechtsgrundlage möglich,
wenn die HongkongerRegierung nicht
mehr mit den Protesten fertigwerden
und um Hilfe bitten sollte.
Li bekräftigte aber auch, dassPeking
weiteran dem Grundsatz festhalte, dass
die Hongkonger ihre eigenen Ange-
legenheitenregelten. Er ist der bisher
höchsteRegierungsvertreter inPeking,
der sich zu den Protesten öffentlich ge-
äussert hat. Die Kanzlerin wurde am
Abendauch von Staats- undPartei-
chef Xi Jinping zu einem Gespräch und
einem Abendessen empfangen – eine
protokollarisch besondere Geste.
Meinung &Debatte, Seite 11

Oberhausbilligt Gesetz


gegenNo-Deal-Brexit


(afp/dpa/Reuters)· Das britische Ober-
haus hat das Gesetz zurVerhinderung
des No-Deal-Brexits verabschiedet. Es
sieht eineVerschiebung des EU-Aus-
tritts, der für Ende Oktober geplant ist,
bis EndeJanuar vor, falls es bis zum
19.Oktoberkeine Einigung mit der EU
auf ein Abkommen geben sollte. Nach
der Zustimmung des Oberhauses muss
das Gesetz nun noch vonKönigin Eli-
zabeth II. unterzeichnet werden. Der
Gesetzesentwurf hatte am Mittwoch
gegen denWillen von Premierminister
BorisJohnson alle drei Lesungen im
Unterhaus passiert. Er sieht vor, dass
der Premierminister einen Antrag auf
eine dreimonatigeVerlängerung der am



  1. Oktober 2019 auslaufenden Brexit-
    Frist stellen muss, falls bis zum19.Okto-
    ber nochkein EU-Austritts-Abkommen
    ratifiziert sein sollte.


IN KÜRZE Irland plant Kontrollen
«in der Näheder Grenze»
(dpa)· Irland plane beieinem ungeregel-
ten BrexitKontrollen «in der Nähe der
Grenze» zum britischen Nordirland.
Dies sagte Premierminister LeoVarad-
kar inDublin. Die Überprüfung von
Waren und lebendenTieren solle zwar
so weit wie möglich in Häfen, Flughäfen
und bei den Unternehmen erledigt wer-
den. «Aber einige müssen womöglich in
der Nähe der Grenze stattfinden», sagte
der Regierungschef. Die Details würden
derzeit mitder EU-Kommission ausge-
arbeitet. Die EU und ihr Mitglied Irland
wollenKontrollposten an der Grenze zu
Nordirland unbedingt vermeiden, weil
eine neueTeilung der Insel politische
Unruhen auslösenkönnte.


KlagegegenZwangspause
des Parlaments abgelehnt
(dpa)· Ein Gericht in London hat eine
Klage gegen die von Premierminister
BorisJohnson verhängte mehrwöchige

Papst Franziskusbesucht
Aidskranke inMoçambique
(afp)· Papst Franziskus hat amFreitag
in Maputo, der Hauptstadt von Moçam-
bique, eine Messevor rund 60 000 Gläu-
bigengefeiert. Zuvor hatte er eine Kli-
nik für Aidskranke besucht. Er lobte
das Mitgefühl der Mitarbeiter der Ein-
richtung, die «jenen leisen Schrei ver-
nommen haben, der fast unhörbar von
so vielen Menschen ausgeht,die in der
Schande, an denRand gedrängt und von
allen verurteilt leben». Dies gebeFrauen
und Kindern«Würde zurück». Der Kli-
nikbesuch gilt als grosse symbolische
Geste: Moçambique kämpft mit hohen
HIV-Infektions-Zahlen.Laut der Uno-
Organisation Unaids waren imJahr 20 18
in dem südostafrikanischenLand mit 27
Millionen Einwohnern 2,2 Millionen
Menschen HIV-positiv, davon 60 Pro-
zentFrauen.Das Land zählte 150000
Neuinfektionen, 54 000 Mosambikaner
starben im vergangenenJahr an denFol-
gen der Krankheit. Nur 30 Prozent der
infizierten15- bis 24-Jährigen wüssten,
wie die Übertragung des HI-Virus ver-
hindert werdenkönne.

AUFGEFALLEN


Warum Erdogan


nach der Bombe ruft


Daniel Steinvorth· Dass dem türkischen Präsidenten seinLand
zu klein ist, das hatRecep Tayyip Erdogan oft genug betont.
Man wolle nicht «Gefangener auf 780 000 Quadratkilome-
tern sein», klagte er vor dreiJahren. «Unfair» seien dieVer-
träge nach dem ErstenWeltkrieg gewesen, beschwerte er sich
ein anderes Mal. Militärische Drohgebärden gegenüber dem
griechischen Nachbarn und eine expansionistische Agenda in
Nordsyrien lassen befürchten, dass es dem Bewunderer des
OsmanischenReiches ernst ist mit seinemRevanchismus.
Überhauptkönnte man meinen, dass es Erdogan schmerzt,
ni cht imKörper seinesVorbildes Süleyman des Prächtigen
(1494–1566) geboren zu sein. Dieser regierte als gefürchte-
ter Sultan noch über einWeltreich von Nordafrika bisWien.
An einem Wirtschaftsforum in der ostanatolischen Stadt
Sivas machte der Präsident nun vor Anhängern deutlich, dass
auch militärisch dieTürkei zu stark eingeengt sei: «EinigeLän-
der habenRaketen mit nuklearen Sprengköpfen, nicht nur
eine oder zwei.Aber sie sagen uns, wir könnten sie nicht haben.
Das akzeptiere ich nicht.» Sollte also nicht auch dieTürkei in
den Klub der Atommächte aufsteigen dürfen? Es gebe jeden-
falls «keine entwickelte Nation in derWelt» ohneKernwaf-
fen, so ErdogansThese. Dass Ankara sowohl den Atomwaffen-
sperrvertrag von 1968 als auch den Kernwaffen-Teststopp-Ver-
trag von1996 ratifiziert hat, erwähnte er nicht.
EinVolk, ein Staat, eine Atombombe?Markige Ankündi-
gungen,die an den heftigen türkischen Nationalismus appel-
lieren, sind eine Spezialität des Präsidenten.Dass sie zu einer
Zeitkommen,in der Erdogan wegen der wirtschaftlich ange-
spanntenLage und internerTurbulenzen in seinerPartei unter
Druck steht, kann niemanden überraschen. Spötter in den
sozialen Netzwerken verwiesen denn auch gleich darauf, dass
die Türkei ja nichteinmal ein Atomkraftwerk alleine bauen
könne. Der russische StaatskonzernRosatom errichtet derzeit
am Mittelmeer, südwestlich der Stadt Mersin, das erste türki-
scheKernkraftwerk.Vielleicht ein erster Schritt – in Erdogans
Grössenwahn –, um einesTages Uran anreichern zukönnen.

Macrons Kandidatin zahlt
EU-Parlament Geld zurück
(sda/afp)· Die französische Kandida-
tin für die neue EU-Kommission,Syl-
vie Goulard, hatim Zusammenhang
mit einer Affäre um die Scheinbeschäf-
tigung eines Assistenten aufKosten des
EU-Parlaments 45 000 Euro zurück-
gezahlt. Die Summe entspreche den
Forderungen des EU-Parlaments, teilten
Vertraute der früheren Europaabgeord-
neten mit.Sie bestätigten damit einen
Bericht des Magazins «LePoint». Die
Rückzahlung decke das Gehalt und die
Ausgaben ihres Assistenten Stéphane
Thérou zwischenJuli 2014 und Ende
Februar 2015, hiess es.

Leichenreste in Wohnung
von Ex-Diktator gefunden
(dpa)· In einer ehemaligenWohnung des
früheren langjährigen paraguayischen
Diktators Alfredo Stroessner (1912 bis
2006) sind Leichenreste entdeckt wor-
den. Hausbesetzer fanden in Ciudad del
Este Knochenteile von mindestensdrei
Menschen in einem Haus, das Stroess-
ner ge hörte, wie eine Zeitung berichtete.
Das Justizministerium leitete Ermittlun-
gen ein, um die Leichenzuidentifizie-
ren und festzustellen, ob sie sich bereits
zu Stroessners Lebzeiten dort befanden.
Während Stroessners Diktatur (
bis 1989) waren nach Dokumentation
der paraguayischenWahrheitskommis-
sion 425 Menschen verschleppt und er-
mordet worden, deren Leichen nie ge-
funden wurden. Stroessner, Sohn eines
deutschen Einwanderers, floh nach sei-
ner Entmachtung1989 nach Brasilien.

Venezolanische Justiz
wirft Guaidó Hochverrat vor
(afp) · Der venezolanische General-
staatsanwalt hat einVerfahren gegen
OppositionsführerJuan Guaidó wegen
Hochverrats angekündigt. Guaidós
Pläne, Venezuelas «historischen An-
spruch» auf das Gebiet Esequibo auf-
zugeben, kämen dem Verbrechen
des Hochverrats gleich, sagte Gene-
ralstaatsanwalt Tarek William Saab,
der Präsident Nicolás Maduro nahe-
steht.Venezuela beansprucht dasroh-
stoffreiche Gebiet von Esequibo, das
rund zwei Drittel desTerritoriums von
Guyana ausmacht, für sich.DerGrenz-
verlauf wurde1899 von einem Schieds-
gericht festgelegt, wird aber von Cara-
cas nicht anerkannt.Der Konfliktbrach
2015 erneut auf,nachdem in dem Mee-
resgebiet grössere Ölvorkommen ent-
deckt worden waren.

Zwangspause des britischenParlaments
abgewiesen. Die Richter des High Court
liessen amFreitag jedoch eine Berufung
am höchsten britischen Gericht zu. Dort
soll es am17.September weitergehen.
Geklagt hatten unter anderem die Ge-
schäftsfrau und Aktivistin Gina Miller
und Ex-PremierministerJohn Major.
Sie sehen in der bis zu fünfWochen lan-
gen Sitzungsunterbrechung ein unzuläs-
siges politisches Manöver vonJohnson,
um seinen Brexit-Kurs durchzudrücken.
Miller bezeichnete das Urteil des High
Court als «sehr enttäuschend» und kün-
digte an, dass sie sich auf jedenFall an
das höchste Gericht in Grossbritannien
wenden werde.

GegenPolensKandidaten
für Brüssel wird ermittelt
(dpa)· Gegen den vonPolen nominier-
ten Kandidaten für die EU-Kommission
laufen Ermittlungen des Europäischen
Amtes für Betrugsbekämpfung. Wie die
Behörde amFreitag bestätigte,gibt es
denVerdacht, dassJanuszWojciechow-

ski in seiner Zeit als Europaabgeord-
neterReisen nicht richtig abgerechnet
hat. Die mutmasslichen Unregelmäs-
sigkeiten würden nun untersucht. Die
künftige EU-Kommissions-Präsidentin
Ursula von der Leyen will am Montag
die Liste aller Kandidaten für ihrKom-
missionsteam veröffentlichen.

http://www.prager-dreifuss.com

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