Samstag, 7. September 2019 INTERNATIONAL
Der Anti-Mandela
Robert Mugabe, der ehemalige Langzeitherrscher Simbabwes, ist im Alter von 95 Jahren gestor ben
MARKUS M. HAEFLIGER
Es gibt kaum einen anderen Staatschef
der jüngerenVergangenheit, der in den
Augen derWeltöffentlichkeit tiefer ge-
fallen ist alsRobert Mugabe. Der ehe-
malige simbabwische Präsident ist am
Freitag 95-jährig in einem Spital in Sin-
gapur gestorben, wo er in den vergan-
genenJahren immer wieder medizinisch
behandelt wurde. Er hatte Simbabwe 37
Jahre langregiert, bevor er 2017 durch
einen Militärputsch abgesetzt wurde.
Zu Beginn seiner Amtszeit einVor-
bild derAussöhnung zwischen denRas-
sen im südlichen Afrika, wurde Mugabe
spätestens zu Beginn des 21.Jahrhun-
derts zumInbegriff ei nes Despoten.
Die Zerrbilder werden derWirklichkeit
allerdings nicht gerecht. Mugabe war
weder mit dem ugandischen Diktator
Idi Amin vergleichbar, der in Luxus ge-
lebt und seine Gegner aus einerLaune
heraus umgebracht hätte, noch nahm er
es an Statur je mit Nelson Mandela auf.
SeinePolitik derAussöhnung, die er ein-
leitete, nachdem das frühere Rhodesien
1980 verspätet in die Unabhängigkeit
von Grossbritannien entlassen worden
war, kam nicht von Herzen, sondern ent-
sprang kühler Berechnung.
Das Land in den Ruingetrieben
Robert Gabriel Mugabe wurde 1924
im ländlichenMashonaland nördlich
von Salisbury, wie die heutige Haupt-
stadt Harare damals hiess, geboren. Der
schwächliche Bub war ein Eigenbrötler
und hütete lieberKühe, als mit Kamera-
den zu spielen. Seine zwei älteren Brü-
der starben früh, und alsRobert zehn-
jährig war, liess derVater, ein Dorf-
schreiner, die Familie sitzen.Jesuitische
Missionare, bei denen der Bücherwurm
in die Schule ging, förderten ihn. Er stu-
dierte an der UniversitätFort Hare in
Südafrika, nach der Heimkehr wurde er
Lehrer, unter anderem im Missionszen-
trum Driefontein, das von Glaubens-
brüdern der Bethlehem-Kongregation
aus Immensee geführt wurde.
Später unterrichtete Mugabe in
Ghana, von wo er1960 als Marxist und
Bürgerrechtler zurückkehrte. Frühe
Biografien betonen seine ausserordent-
liche Intelligenz, übersehen aber, dass
Mugabe die meisten seiner sechs Uni-
versitätsdiplome imFernstudium wäh-
rend einer politischen Gefangenschaft
zwischen1963 und1974 ablegte, also
ohne die Anleitung von Professoren
oder die Herausforderung durch stu-
dentische Debatten. Die Zeugnisse
waren papierneAuszeichnungen. So
konnte Mugabe einem Ökonomiestu-
dium zumTrotz den umfassendsten
wirtschaftlichenRuin einesLandes in
Friedenszeiten betreiben– zumi ndest
seit der Depression derdreissiger Jahre.
Dies geschah, als er um dasJahr 20 00
die weissenFarmervon ihren Lände-
reien vertreiben liess, womit er der sim-
babwischenWirtschaft das Rückgrat
brach. Und obwohl erRechtswissen-
schaften studiert hatte, schaffte er 20 01
mit roher Gewalt die Unabhängigkeit
der Justiz ab.
Im Unterschied zu anderen afrikani-
schenAutokraten,die jovial wirkenkön-
nen, auch wenn sie unfähig oder grau-
sam sind,wirkteMugabe spröde und
humorlos. Als seine Amtskollegen bei
einem afrikanischen Gipfeltreffen zum
gemütlichenTeil übergingen, verharrte
er im Plenumssaal, eine greise, in sich
zusammengefalleneFigur.Als Grund-
haltung hatte er die Arme verschränkt,
als wollte er seine Gefühle unterVer-
schluss halten. Nur Sally Hayfron, die
ghanaische Gattin und neben der Mut-
ter die einzigePerson, die er liebte,
wusste seineLaunen und einen obses-
siven Argwohn zu besänftigen. Sie starb
1992 an einem Nierenleiden; Mugabe
war fortan noch einsamer.
EinMachtmensch
Geld bedeutete ihm wenig, Macht alles.
1979 hatte sich Mugabe nur widerwil-
lig von seinenVerbündeten Machel und
Nyerere, den Präsidenten Moçambiques
und Tansanias, dazu drängen lassen, im
LondonerLancaster House über die zu-
künf tigeVerfassung Simbabwes zu ver-
handeln. Er fühlte sich um den mili-
tä rischen Sieg seiner Zimbabwe Afri-
can National Liberation Army (Zanla),
einer Guerillaarmee, geprellt. Der Un-
abhängigkeitskampf wurde in Sim-
babwe grausamer geführt als anderswo.
Beiderseits herrschte Kleinmut.
Mugabe unterschied nicht zwischen
weissenReakti onären wie Ian Smith,
der Rhodesien1965 in einseitig in die
Unabhängigkeit geführt ha tte und ein
weisses Minderheitsregime anführte,
und «den»Weissen.
Der verbreiteteTopos, Mugabe habe
als weiser Staatsmann begonnen und sei
erst später durch die Machtkorrumpiert
oder sogar verrückt gemacht worden,
trifft dieWahrheit nur unzulänglich.
Schon als Guerillaführer im mosambi-
kanischen Busch liess erWidersacher
beseitigen, wenn sievon ihm abfielen
oder ihm gefährlich wurden. 1983, drei
Jahre nach seinem Sieg bei den ersten
freienWahlen, eskalierte der Streit mit
Joshua Nkomo, einem früheren Weg-
gefährten, der das Minderheitenvolk
der Ndebele anführte. Um einen ver-
meintlichenAufstand imKeim zu ersti-
cken, entsandte Mugabe eine heimlich
von Nordkoreanern ausgebildete Elite-
einheit nach Matabeleland im Süden
von Simbabwe.Dort richtetedie 5. Bri-
gade ein Blutbad an, demTausende
von Unschuldigen zum Opfer fielen.
Die Verbrechenwurden nie aufgeklärt.
Westliche Diplomaten verschlossendie
Augen, weil sie Simbabwe mit Blickauf
Südafrika, wo die Apartheid herrschte,
als Projektionsfeld eines friedlichen
Übergangs zu einer nichtrassistischen
Demokratie benötigten.
Hassliebe zu Grossbritannien
Im Verhältnis mit den weissenFarmern
erfolgte der Bruch1985. Mugabe hatte
sie zunächst mitversöhnlichen Gesten
angenehm überrascht.Die fleissigen
und fähigen Grossbauern durften blei-
ben, und weil dieWirtschaftssanktio-
nen gegen Rhodesien wegfielen, ging
es ihnen besser denn je.Aber dasLand
hielt wirtschaftlich nicht mit. Mugabe
hatte sich mit demAusbau von Schulen
und Spitälern übernommen. Bei den
ersten Erneuerungswahlen stimmten
die Weissenmehrheitlich für Ian Smiths
rechtskonservativeRepublicanFront.
Mugabe sah darineineUndankbar-
keit, die an eine frühere Kränkung an-
knüpfte. Er sass1966 im Gefängnis, als
sein einziger Sohn in Ghana starb. Smith
verweigerte ihm die Erlaubnis, zum Be-
gräbnis zureisen.
Mugabes Verhältnis zu Grossbri-
tannienund den «Briten», wie erdie
weissen Simbabwer fälschlicherweise
nannte, war eine Hassliebe.Einerseits
verehrte er dasKönigshaus und trug
englische Anzüge. Den in bescheide-
nem, kapholländischem Stil gebauten
Amtssitz aus derKolonialzeit in Harare
liess er mitsamt den Möbeln aus dunk-
lemTeakholz unverändert.Andererseits
wiegelte er seineAnhänger mit antibriti-
schen Losungen auf. Das ambivalente
Verhältnis endete mit der gewaltsa-
men Besetzung und der Enteignung der
meisten der 6000 kommerziellen «weis-
sen» Bauernhöfe nach1999.Gleichzeitig
stürzte sich Mugabe in ein Kriegsaben-
teuer inKongo-Kinshasa; während die
Allgemeinheit dieKosten dafür trug,
heimsten Armeekommandanten und
ihre Schmugglernetze die Gewinne in
Form von Schürfrechten und Edelhöl-
zern ein. Die Klientel der Machthaber
schwoll an, während SimbabwesVolks-
wirtschaft innert einesJahrzehnts um
45 Prozent schrumpfte.
Als die Opposition an Stärke zu-
legte,rief Mugabe die Milizen seiner
Zanu-PF-Partei zu denWaffen.Die Ge-
walt erreichte mit der Zerstörung von
Armenvierteln südlich von Harare im
Jahr 2005 ihren Höhepunkt; 70 0000
Personen verloren ihr Zuhause. Die
folgendenWahlen wurden zurFarce,
ebenso eine vorübergehendeKoalition
mit der Opposition von 2009 bis 2013,
welche die Nachbarstaaten Mugabe
aufgezwungen hatten.
Der Ewiggestrige
Noch im hohen Alter verstand es
Mugabe,Anhänger zu mobilisieren,in-
dem er Ressentiments aus derKolonial-
zeit schürte und das Blaue vom Him-
mel versprach. Dann hatte man dasGe-
fühl,aus Simbabwe seien zwei Nationen
in einer geworden: auf der einen Seite
Mugabes besinnungslose Gefolgschaft,
auf der anderen aufgeschlossene und
freundliche Bürger. «Ideologien inter-
essieren uns nicht, nur Ideen, die funk-
tionieren», sagte eine jugendliche Akti-
vistin einmal. Ihr Pragmatismus war
Mugabe fremd; abgeschirmt durch Ein-
flüsterer und Sicherheitsleute und aus-
schliesslich in pompösen, motorisierten
Eskorten unterwegs,wussteervermut-
lich nicht einmal davon. «Wie oft habt
ihr mich schon totgesagt», rief er vor den
Wahlen von 2013 ausländischenJourna-
liste nhöhnisch zu, als sie ihn auf seine
häufigen Spitalaufenthalte in Singapur
ansprachen.Dass niemand ewig lebt,
musste sich am Ende auch der einst äl-
teste Staatschef derWelt eingestehen.
Kaltblütig, machtbesessen, humorlos:Robert Mugabe in einerAufnahme vomJuli 2018. SIPHIWE SIBEKO / REUTERS
Mugabe lebt
im Nachfolger weiter
Kommentar auf Seite 11
IneinemerstklassigenUmfeldunterstützt
undbegleitetSieunserinterprofessionelles
TeammmaufdemWegzurückzurGesundheit.
MehhhrInfosunterwww.klinik-schloss-mammern.ch
ZurückzurGesundheit.