Die Welt am Sonntag Kompakt - 08.09.2019

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WELT AM SONNTAG NR. 36 8. SEPTEMBER 2019 WIRTSCHAFT & FINANZEN 29


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muss. Doch solange dies so ist, führt die
höhere Frauenerwerbsquote im Osten
dazu, dass das durchschnittliche Lohn-
niveau sinkt. „Die Zerlegung des Ost-
West-Lohnabstandes verdeutlicht, dass
die persistenten Lohnunterschiede
zwischen Ost- und Westdeutschland zu


einem nicht unerheblichen Teil auf
strukturelle Unterschiede zwischen
den beiden Großraumregionen zurück-
geführt werden können“, schlussfol-
gern Jan Kluge und Michael Weber vom
ifo-Institut in Dresden in einer Studie,
in der sie die einzelnen Faktoren unter-

suchten. Darin erwähnen sie jedoch
noch einen weiteren wichtigen Punkt:
das unterschiedliche Preisniveau. Zwar
mögen die Löhne unterschiedlich sein,
die Lebenshaltungskosten differieren
jedoch mindestens ebenso stark. Das
hat sich in den vergangenen Jahren teil-
weise noch verstärkt, seit die Wohnkos-
ten in vielen Großstädten drastisch ge-
stiegen sind.

ERSTAUNLICHE ERGEBNISSE AAAufuf
der Website Financescout24.de lassen
sich die Lebenshaltungskosten für ein-
zelne Städte und Regionen in Deutsch-
land vergleichen. Dabei werden diese
Kosten auch in Einzelteile zerlegt –
Miete, Lebensmittel, Transport sowie
Sport und Freizeit. Stellt man hier ein-
zelne Städte gegenüber, so zeigen sich
teilweise erstaunliche Ergebnisse.
Wer beispielsweise in Frankfurt
69.700 Euro verdient – das mittlere
Einkommen der Fach- und Führungs-
kräfte laut StepStone-Datenbank –, der
muss in Chemnitz nur 41.500 Euro ver-
dienen, um den gleichen Lebensstan-
dard genießen zu können. Das Erstaun-
liche ist: Dies ist exakt jener Wert, der
sich aus den StepStone-Daten als mitt-
leres Einkommen der Fach- und Füh-
rungskräfte in Chemnitz errechnet.
Auch für die anderen ostdeutschen
Städte sind die Ergebnisse ähnlich: Mit
dem niedrigeren Gehalt lässt sich dort
ebenso gut leben wie mit dem weit hö-
heren in Frankfurt. Der entscheidende
Faktor ist dabei die Miete. Sie liegt bei-
spielsweise in Chemnitz im Schnitt um

60 Prozent unter jener in Frankfurt.
Dieser Vergleich zeigt zudem: Die wah-
ren Unterbezahlten sind in einigen Re-
gionen des Westens zu finden. Denn
wer beispielsweise 41.500 Euro in
Chemnitz verdient, der müsste in Mün-
chen mit 81.100 Euro fast das Doppelte
bekommen, um den gleichen Lebens-
standard zu haben. Das mittlere Gehalt
für Fach- und Führungskräfte liegt in
der bayerischen Landeshauptstadt je-
doch gerade einmal bei 67.000 Euro, ist
also rund 18 Prozent niedriger. In Stutt-
gart wären rund 72.000 Euro nötig, der
mittlere Wert dort liegt aber rund zehn
Prozent darunter. Nimmt man nun bei-
spielsweise das Gehaltsniveau von Mag-
deburg – im Mittel 49.200 Euro – als
Ausgangspunkt, so sind die Differenzen
noch eklatanter. In der Lebenshaltungs-
kostenrechnung können nur Bremen
und Essen überhaupt noch mithalten.
In allen anderen westdeutschen Groß-
städten bietet das dortige Gehaltsni-
veau dagegen weit schlechtere Möglich-
keiten – in München müsste eine Fach-
kraft sogar 90.000 Euro verdienen, um
den gleichen Lebensstandard genießen
zu können wie ein entsprechender Ar-
beitnehmer in Magdeburg mit seinem
Einkommen von knapp 50.000 Euro.
Vor diesem Hintergrund kann es also
sinnvoll sein, von einem Posten ohne
Führungsverantwortung in Hessen auf
eine Leitungsfunktion nach Thüringen
zu wechseln, selbst wenn man dafür we-
niger Gehalt bekommen sollte. Der Le-
bensstandard, der damit in Thüringen
möglich ist, dürfte dennoch steigen.

Quelle: StepStone

Mittlere Gehälter in Ost und West
nach Städten ����, in Euro pro Jahr


West ��.��� Ost ��.���

Frankfurt am Main ��.��� Berlin ��.���


München ��.���

Leipzig ��.���

Stuttgart ��.���

Dresden ��.���

Düsseldorf ��.���

Köln ��.��� Erfurt ��.���

Chemnitz ��.���

Essen ��.���

Magdeburg ��.���

Hamburg ��.���

Halle an der Saale ��.���

Nürnberg ��.���

Jena ��.���

Bremen ��.���

Rostock ��.���

Hannover ��.���

Potsdam ��.���

Bundesdeutscher Durchschnitt��.���
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