Die Welt am Sonntag Kompakt - 08.09.2019

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Ziel beim Rugby ist es, den Ball ins
gegnerische Malfeld zu bringen und da-
durch Punkte zu erzielen. Er wird mit
dem Fuß gekickt, mit der Hand gespielt
oder durch das permanente Verschie-
ben der Mannschaftsteile vorwärtsbe-
wegt, ein komplexes Räderwerk. Die
Spieler laufen nach vorne, dürfen aber
nur nach hinten passen.


KEINE SCHAUSPIELEREI „Go! Get
the ball! Tackle the damn thing!“, ruft
Sims. Ein Junge stürzt mit der Schulter
voran in einen Schaumstoffzylinder und
reißt ihn um. Der Zylinder simuliert den
ballführenden Gegenspieler. „Yeah,
klasse! Das könnte mal was werden.
Sehr gut“, sagt Sims. Max, der Junge,
der gerade das Tackle gemacht hat, rap-
pelt sich auf, er stemmt die Hände in die
Hüften. „Fußball ist was für Weicheier“,
sagt der 13-Jährige.
Sein polnischer Mitspieler Szymon
kommt dazu. Er sagt, in Deutschland
wisse kaum jemand, was Rugby ist: „Ich
muss immer erst mal erklären, dass wir
beim Rugby keine Schulterpolster und
Helme tragen.“ Dann zählt der 12-Jähri-


ge die Verletzungen auf, die sich Be-
kannte von ihm beim Rugby zugezogen
haben: Armbruch, Beinbruch, Schlüssel-
beinbruch. „Ach ja, und einem ist mal
die Kniescheibe rausgesprungen.“ Rug-
by ist ein guter Sport, um Aggressionen
abzubauen, ein aggressiver Sport ist es
nicht. Dafür sorgen die strengen Regeln
und ein spezieller Verhaltenskodex.
„Schauspielerei gibt es beim Rugby
nicht“, sagt Szymon. „Wer schauspie-
lert, ist untendurch, der kriegt Ärger

nicht“, sagt Szymon. „Wer schauspie-
lert, ist untendurch, der kriegt Ärger

nicht“, sagt Szymon. „Wer schauspie-

mit dem Team.“ Und Max ergänzt:
„Niemand diskutiert mit dem Schieds-
richter, und Hooligans gibt es auch
nicht. Rugby-Fans prügeln sich nicht –

die klatschen Beifall, wenn der Gegner
einen tollen Spielzug gemacht hat.“
Coach Sims unterbricht das Training
und nimmt einen Spieler zur Seite. „I
know you“, sagt er, „you gonna pick it
up and you don’t know where to pass it.“
Der Junge soll erst seine Optionen ab-
wägen, bevor er sich bewegt. Bereit sein
im Kopf. „Sonst kommt ein großer, haa-
riger Verteidiger und schubst dich um“,
sagt Sims. Er redet und kalauert ohne
Pause und gibt allen in der Gruppe das
Gefühl, wichtig zu sein. Sein Charisma
ist so stattlich wie seine Schultern.
Hauptberuflich unterrichtet der 46-Jäh-
rige an einer evangelischen Schule Bio-
logie, Chemie und Englisch. „Rugby ist
ein guter Lehrer für die Persönlichkeits-
bildung, deswegen ist es in Großbritan-
nien ein beliebter Schulsport. Rugby
schärft den Charakter.“ Auch der Deut-
sche Olympische Sportbund (DOSB)
hat Rugby als Schulsport empfohlen,
weil das Spiel „gewaltpräventiv“ wirke.

GUTE CHARAKTERSCHULEDie Hill-
billies haben Jugendmannschaften von
der U8 bis zur U16, dazu diverse Män-
ner- und Frauenteams. Sie sind Teil des
Rugby- und Cricketclubs Dresden (RC).
Zu dem Mehrspartenverein zählen die
Abteilungen Cricket, Hurling, Gaelic
Football und Aussie Rules Football. Der
Klub ist spezialisiert auf Ballsportarten
der härteren Art. Und auf die Integrati-
on von Jugendlichen mit Migrationshin-
tergrund. Viele der Cricketspieler des
RC kommen aus Afghanistan, Syrien
oder Pakistan. Sie wurden politisch ver-
folgt, flohen vor Krieg oder Perspektiv-
losigkeit in ihrer Heimat. In Dresden ha-
ben sie eine neue Heimat gefunden. Sie
sind gut integriert, studieren oder ha-
ben Jobs. Der Verein hilft.
„Wir nehmen hier jeden auf, ohne zu
fragen, wo jemand herkommt oder wo-
ran jemand glaubt“, sagt RC-Sprecher
Stefan Knoll. „Wenn es sein muss, auch
Leute, die am rechten Rand stehen. Wir
integrieren alles, was bei drei nicht auf
dem Baum ist.“ Gegen Spannungen hat
Sims ein Rezept: „Rugby ist eine sehr
vernünftige Art, den inneren Druck los-
zuwerden und eine Therapie mit Ball zu
machen. Nach dem Spiel ist das dann
wie eine, wie sagt man? Erlösung!“
Wieder unterbricht der Coach das
Training. Am Spielfeldrand steht eine
Mutter mit ihrem Sohn Richard, er
möchte mitspielen. „Musst du dich noch
umziehen?“, fragt Sims. „Nein? Okay,
dann los geht’s.“ Er zeigt ihm Laufwege,
lässt ihn ein Tackling machen und bin-
det ihn sofort ins Team ein. „Ich war
auch schon beim Fußball, aber das hat
mir nicht gefallen“, sagt Richard. „Die
Leute waren irgendwie komisch.“ Seine
Familie stammt aus Kasachstan, seine
Mutter findet es gut, dass ihr Sohn jetzt
Rugby spielen will. „Da lernt er, wie man
sich durchsetzt“, sagt Olga Kaschner.
Hat sie keine Angst, dass Richard sich
verletzt? „Nein, das ist doch ein Män-
nersport.“ Sims lacht. „Ich denke, wir
brauchen mehr solcher Mütter.“

Mal den inneren


Druck loswerden


Jahre


FREIHEITFREIHEITFREIHEIT


FUSSBALL

Messi kann Barcelona
ablösefrei verlassen

Verlässt Lionel Messi den FC Barcelo-
na? Wenn er will, kann er das im
Sommer nächsten Jahres ablösefrei
tun. Das sagte Klubpräsident Josep
Maria Bartomeu: „Es ist genauso wie
bei den letzten Verträgen von Xavi,
Carles Puyol und Andrés Iniesta.“
Auch sie konnten ein Jahr vor Ver-
tragsende ohne Ablöse gehen.

BASKETBALL

WM: Deutschland


schlägt Senegal


Ein Schritt auf dem Weg des deut-
schen Teams zur Teilnahme an einem
Olympia-Qualifikationsturnier: Ge-
gen Senegal gab es in Shanghai zum
Auftakt der Platzierungsrunde um die
Ränge 17 bis 32 ein 89:78 (36:37). Mit
24 Punkten war Dennis Schröder
bester Werfer. Morgen (14 Uhr) trifft
Deutschland auf Kanada.

FORMEL 1

Monza: Leclerc holt die


Pole, Vettel Vierter


Beim Qualifying in Monza sicherte
sich Ferrari-Pilot Charles Leclerc
(Monaco) für das Rennen heute (15.10
Uhr, Sky und RTL) die Poleposition,
Sebastian Vettel (Heppenheim, Ferra-
ri) startet als Vierter. Von Platz zwei
und drei gehen die Mercedes-Piloten
Lewis Hamilton (Großbritannien)
und Valtteri Bottas (Finnland) ins
Rennen. Zuvor hatte es bei der For-
mel 3 einen schweren Unfall des
Australiers Alex Peroni gegeben, den
der offenbar unverletzt überstand.

IRONMAN

Ryf holt WM-Titel über
die halbe Distanz

Zum fünften Mal hat die Schweizerin
Daniela Ryf den WM-Titel über die
halbe Ironman-Distanz gewonnen.
Nach 1,9 Kilometer Schwimmen, 90
Kilometer Radfahren und 21,1 Kilo-
meter Laufen in 4:23:04 Stunden
verwies sie die 2016-Weltmeisterin
Holly Lawrence (Großbritannien) auf
den zweiten Platz. Dritte wurde
Imogen Simmonds (Schweiz).

BIATHLON

Herrmann rollt am


Arber zum DM-Titel


Weltmeisterin Denise Herrmann
(Oberwiesenthal) hat zum Auftakt
der deutschen Meisterschaften am
Arber den Titel im Sprint gewonnen.
Die 30-Jährige setzte sich auf Skirol-
lern und am Schießstand vor Karolin
Horchler (Clausthal-Zellerfeld)
durch. Marion Deigentesch (Obertei-
sendorf) und Janina Hettich (Schön-
wald) teilten sich den dritten Rang.

NACHRICHTEN

WELT AM SONNTAG NR.36 8.SEPTEMBER2019 SPORT^61


MARTIN U. K. LENGEMANN/WELT AM SONNTAG
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