Focus - 06.09.2019

(singke) #1

POLITIK


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E


inen Tag bevor US-Präsident
Donald Trump höhere Zölle
gegen China in Kraft treten
lässt, hat Martin Schreiber
Grund zum Feiern. Es ist
Anfang Mai 2019, der deut-
sche Manager steht auf einer
Bühne in der südvietnamesischen In-
dustriestadt Bien Hoa. Um ihn herum
liegt glitzerndes Konfetti. Aus dem Pub-
likum klatschen ihm lokale Politiker und
Kunden zu.
Schreiber ist angereist, um eine neue
Fabrik zu eröffnen. Vor den Toren weht
eine Flagge in Schwarz-Rot-Gold neben
Vietnams gelbem Stern auf rotem
Grund. Für Schreiber ist es mehr als
ein gewöhnlicher Fototermin. Mit der
45 Millionen Euro teuren Anlage will
er nicht nur einen Wachstumsmarkt im
Fernen Osten erschließen. Für ihn ist
das Werk ein Schutzschild im amerika-
nisch-chinesischen Handelskrieg.
Schreiber leitet die Industriesparte des
fränkischen Familienkonzerns Schaeff-
ler im Asien-Pazifik-Raum. In China hat
sein Unternehmen acht Fabriken. Doch
eine weitere Eskalation des Zollstreits
zwischen Peking und Washington könn-
te dort zum Problem werden. Mit der
Fertigungsstätte in Vietnam, die soge-
nannte Industrielager an Kunden rund

um den Globus liefern soll, will Schrei-
ber das Risiko verringern. „Wir machen
uns von China etwas unabhängiger“,
sagt Schreiber. „Die handelspolitischen
Spannungen zeigen uns, dass wir mit
dieser Strategie richtig liegen.“

Jetzt heißt es made in Vietnam statt
made in China
Made in Vietnam statt made in China:
In der Auseinandersetzung zwischen
den Amerikanern und Chinesen ver-
sucht nicht nur Schaeffler, sich aus dem
Konflikt herauszuhalten. Die Zölle, mit
denen sich die beiden größten Volks-
wirtschaften der Welt überziehen, füh-
ren zu einer massiven Verlagerung der
internationalen Lieferketten – und kein
Land profitiert davon so sehr wie Viet-
nam: Mit neuen Fabriken in dem 100
Millionen Einwohner großen Land in
Südostasien wollen internationale Kon-
zerne den Handelsbarrieren entgehen.
Doch Vietnams extremer Erfolg macht
auch Sorgen: Die Regierung in Hanoi
fürchtet nach Drohungen von Donald
Trump, zum nächsten Ziel im Handels-
krieg zu werden.
Noch läuft Asiens neues Wirtschafts-
wunder aber prächtig: Hanoi im Nor-
den und Ho-Chi-Minh-Stadt im Süden
haben sich zu modernen Metropolen

Es gibt auch Gewinner im Handelskrieg


zwischen Amerika und China: Einer davon ist


Vietnam. Um Strafzölle zu vermeiden, verlagern


immer mehr Firmen die Produktion dorthin



  • auch deutsche Global Player ziehen mit


Good Morning, Vietnam!


Wahrzeichen von
Ho-Chi-Minh-Stadt
Im Mittelpunkt der
9-Millionen-Stadt leuchtet der
Landmark-81-Tower, der mit
461 Metern das höchste Gebäude
Vietnams ist. Im Vordergrund
fließt der Saigon-Fluss
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