SEITE 30·SAMSTAG, 7. SEPTEMBER 2019·NR. 208 Finanzen FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG
nks. NEWYORK, 6. September. Die Ak-
tienkurse der beiden Fahrdienstvermitt-
ler Lyft und Uber sind nach neuerlichen
Verlustmeldungen auf neue Tiefststände
gefallen. Beide Tech-Unternehmen wa-
ren erst im Frühling an die Börse gegan-
gen. „Investoren wollen in Bezug auf Pro-
fitabilität ein Licht am Ende des Tunnels
sehen“, sagte Fondsmanager Daniel Mor-
gan vom Vermögensverwalter Synovus.
Auch der an der Wall Street seit Mona-
ten mit Spannung erwartete Börsengang
des großen Büroraum-Vermittlers We-
work droht zum Debakel zu werden. Das
unprofitable Unternehmen, das mittler-
weile als We Co. firmiert und dessen Bör-
sengang für Ende September oder An-
fang Oktober erwartet wird, antizipiert
nach Gesprächen mit potentiellen Inves-
toren eine deutlich schwächere als bis-
lang erwartete Bewertung. Nach amerika-
nischen Medienberichten gehen We und
seine Investmentbanken angesichts ver-
haltender Nachfrage derzeit von einer Be-
wertung um 20 Milliarden Dollar aus. Im
Januar war die Gesellschaft noch mit 47
Milliarden Dollar bewertet worden, also
mehr als doppelt so hoch.
We wäre der nächste prominente Flop
unter lange Zeit hochgehandelten Start-
ups, die in diesem Jahr an die Börse drän-
gen. Einige Investoren von We haben of-
fenbar vorgeschlagen, den Börsengang
(IPO) auf das kommende Jahr zu verschie-
ben. „Ich habe keine einzige optimisti-
sche Stimme gehört“, sagte Rett Wallace,
der Vorstandsvorsitzende der auf Börsen-
debütanten spezialisierten Analysegesell-
schaft Triton Research. Selbst bei Lyft
und Uber habe es zuversichtliche Anleger
gegeben. Trotz der hochkarätigen Fehl-
schläge läuft der Markt für Börsengänge
(IPO) insgesamt aber gut. Nach Angaben
des Wertpapierhauses Renaissance Capi-
tal haben junge Unternehmen in diesem
Jahr Aktien im Wert von insgesamt mehr
als 42 Milliarden Dollar an den amerikani-
schen Börsen emittiert – fast ein Viertel
mehr als im gleichen Zeitraum des vergan-
genen Jahres. Renaissance-Analysten kal-
kulierten nach den bisher 107 Börsengän-
gen für den Rest des Jahres mit weiteren
50 bis 70 Neulingen. Als weitere Kandida-
ten für Erstemissionen gelten neben We
die Hollywood-Talentagentur Endeavor
und Peloton, ein Hersteller von populä-
ren Heimtrainern. Als Triebfedern für die
anhaltende Nachfrage gelten die insge-
samt kräftigen Kursgewinne der Börsen-
neulinge und ein großer Bestand von
Wachstumsunternehmen, die noch nicht
börsennotiert sind. Ein Barometer für
Neuemissionen, der Renaissance IPO-In-
dex, ist seit Anfang des Jahres trotz der
Rückschläge bei Lyft und Uber um 34 Pro-
zent geklettert. Zum Vergleich: Der breit
gefasste Aktienindex S&P 500 liegt in die-
sem Jahr knapp 19 Prozent im Plus.
Der Markt für Börsengänge ist ein wich-
tiger Indikator für die allgemeine Stim-
mung an der Börse. Hohe Nachfrage nach
jungen Unternehmen deutet auf einen er-
höhten Risikoappetit von Investoren hin,
da deren Kurse zwar hohes Wachstumspo-
tential versprechen, aber gleichzeitig sehr
schwankungsanfällig sind. Investoren
scheinen bei Neuemissionen aber stärker
auf die Profitabilität oder zumindest auf
das Potential zukünftiger Gewinne zu ach-
ten. We hatte für die vergangenen zwölf
Monate bis Ende Juni einen Verlust von
1,7 Milliarden Dollar ausgewiesen.
Das 2010 gegründete Unternehmen ist
Vorreiter des sogenannten Co-Working.
Das Unternehmen mietet langfristig
Räumlichkeiten an, bessert sie technisch
und optisch auf und vermietet sie dann
weiter. Die Büroräume werden gemein-
schaftlich genutzt, in ihnen arbeiten in
der Regel nicht nur Mitarbeiter eines Un-
ternehmens, sondern eine Mischung aus
Freiberuflern und Start-ups. We vermiete-
te seine Räumlichkeiten zuletzt aber auch
zunehmend an größere Unternehmen
wie den Softwarekonzern Microsoft und
den Autohersteller General Motors. In
den vergangenen Monaten machten Ge-
rüchte die Runde, dass sich der weltgröß-
te Online-Einzelhändler Amazon.com
mit We über die Anmietung des ehemali-
gen Hauptquartiers des Warenhauses
Lord & Taylor in New York befindet. Ein
Mietvertrag mit Amazon noch vor dem ge-
planten Börsengang wurde als wichtiges
Gütesiegel in Gesprächen mit potentiel-
len Investoren gehandelt. Bisher haben
sich die Gerüchte noch nicht konkreti-
siert, und Amazon prüft auch andere
Standorte in Manhattan. We hat nach ei-
genen Angaben in aller Welt 528 Standor-
te. We hatte zuletzt auch wegen fragwürdi-
ger Unternehmensführung negative
Schlagzeilen gemacht.
Das Unternehmen gewährte dem Mit-
gründer Adam Neumann vor einiger Zeit
einen Millionenkredit zu sehr günstigen
Konditionen und ist Mieter von Gebäu-
den, zu deren Eigentümern er gehört.
Neumann, der in Personalunion Vor-
standsvorsitzender und Vorsitzender des
eigentlich als Aufsichtsgremium gedach-
ten Verwaltungsrats ist, verfügt zudem
über eine Mehrheit der Stimmrechte, die
den Einfluss von Investoren stark begren-
zen. Auch wird immer mehr Kritik am Ge-
schäftsmodell laut, weil We angesichts
der eigenen langfristigen Mietverträge im
Falle einer konjunkturellen Abkühlung in
Schwierigkeiten geraten könnte, wenn
Untermieter ihre Mieten nicht mehr zah-
len können oder pleitegehen. Außerdem
gelten die Markteintrittsbarrieren im Ge-
werbeimmobilienmarkt als niedrig. Der
Immobilienunternehmer Sam Zell hält
das Geschäftsmodell von We nicht für
sonderlich innovativ. Diese Art von Unter-
nehmen gebe es schon seit den fünfziger
Jahren, als die Untervermietung von Bü-
roräumen aufkam. „Jedes Unternehmen
in diesem Bereich ist pleitegegangen“,
sagte Zell dem Wirtschaftssender CNBC
mit Hinweis auf den hohen Verluste von
We.
Börsenneulinge enttäuschen die Investoren
mann. FRANKFURT,6. September.
Der Technologiekonzern Siemens hat
Anleihen im Gesamtwert von 3,5 Milli-
arden Euro emittiert. Die Neuemissio-
nen besitzen eine Laufzeit von zwei,
fünf, zehn und fünfzehn Jahren. Und
obwohl solche Nachrichten nicht mehr
überraschen dürften, gab es eine Nega-
tivpremiere: Die zweijährige Anleihe
über 1 Milliarde Euro bot eine Rendite
von minus 0,315 Prozent – am Primär-
markt wurde nie zuvor eine Unterneh-
mensanleihe mit einer niedrigeren Ren-
dite angeboten. Und auch die fünfjähri-
ge Tranche über 500 Millionen Euro
rentierte im negativen Bereich mit mi-
nus 0,207 Prozent. Erst die zehn- und
fünfzehnjährige Anleihe waren wieder
im positiven Bereich mit jeweils 0,179
Prozent und 0,550 Prozent.
Dass Anleihen negativ rentieren,
liegt an der hohen Nachfrage der Anle-
ger nach den Schuldpapieren. Über-
steigt die Nachfrage der Investoren das
Angebot, steigt der Kurs der Anleihe.
Und je mehr Anleger für die Emission
zahlen müssen, desto geringer ist am
Ende ihre Rendite, die sich aus der Ver-
zinsung speist. Ab einem gewissen
Punkt zahlen die Investoren aber drauf.
Etwa dann, wenn die Zinszahlungen
des Unternehmens den hohen Kauf-
preis der Anleihe nicht mehr ausglei-
chen können. Zur hohen Nachfrage tra-
gen etwa institutionelle Investoren wie
Versicherungen oder Banken bei. Die-
se müssen einen Teil ihrer Kapitalanla-
ge in sicheren Anlagen halten, die eine
gute Bonität aufweisen müssen und
dementsprechend die niedrigsten Ren-
diten haben. Neben institutionellen In-
vestoren gehören aber auch Privatanle-
ger oder die Notenbanken zu den gro-
ßen Gläubigern, die den Kurs nach
oben treiben und die Rendite in den Ne-
gativbereich drücken.
Der Markt für attraktive Anleihen ist
weitgehend abgegrast. Derzeit rentie-
ren laut Bloomberg Unternehmensan-
leihen in Höhe von rund 925 Milliar-
den Dollar im negativen Bereich. Positi-
ve Renditen im investitionswürdigen
Bereich lassen sich derzeit fast nur
noch in den Vereinigten Staaten fin-
den. Weil das Währungsrisiko zum Dol-
lar aber abgesichert werden muss, wird
dadurch auch bei amerikanischen Un-
ternehmensanleihen die Rendite ge-
schmälert.
Siemens-Anleihe
trotz negativer
Rendite begehrt
Arbeiten wie im Wohnzimmer:So einladend sehen Mietbüros von Wework aus. Foto Bloomberg
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