Die Zeit - 12.09.2019

(singke) #1

WAS SCHUMANN MAG 6 Folge 6: Fisch


Foto Matthias Ziegler


Auf dem Bauernhof meiner Kindheit in der Oberpfalz gab es einen


Fischteich. Im Herbst wurde das Wasser abgelassen, die Fische wur-
den abgefischt, und es gab dicke, fette, hässliche Karpfen zu essen.


Am liebsten mochte ich es, wenn meine Mutter ihn geviertelt und
paniert hat. Wahrscheinlich waren das so etwas wie frühe Fischstäb-


chen. Die Gräten hat sie drin gelassen. Dazu aßen wir Kartoffelsalat.
Nicht so gerne mochten wir Kinder den Karpfen gekocht. Außer-


dem gab es manchmal Forelle, nicht gezüchtet, wie man sie heute
bekommt, sondern aus dem Bach.


Im Schumann’s an der Maximilianstraße hatten wir noch Bach-
forellen auf der Karte, wir haben sie mehliert, in der Pfanne an-


gebraten und danach in den Ofen geschoben. Ansonsten haben wir
früher kaum Fisch verkauft, wir haben uns überlegt, dass wir im


katholischen Bayern sind, da isst man eben nur einmal wöchentlich
Fisch, und zwar am Freitag. So haben wir es gehalten.


Heutzutage gibt es im Schumann’s am Hofgarten jeden Tag Fisch,
die Leute essen heute einfach mehr Fisch als früher. Es ist wie beim


Salat: Die Gäste denken, weil sie so viel Fleisch essen, müssen sie
auch mal was Gesundes zu sich nehmen. Wir haben geräucherte


Forellenfilets aus den Räuchereien der Umgebung auf der Karte.
Auf unseren Fischtellern haben wir Gemüse, Püree oder gut ange-


machten Salat – ein Tropfen Essig reicht mir, das ganze Olivenöl
erschlägt den Salat doch nur.


In La Coruña habe ich vor vielen Jahren gesehen, wie die Hafen-
arbeiter Sardinen aus der Dose essen, seither gibt es bei uns in der
Bar Sardinen.
Mein guter Freund, der ZEIT-Autor Moritz von Uslar, und ich ha-
ben vor Jahren mal eine Reise nach Marseille gemacht, ich habe eine
Zeit lang in Frankreich gelebt, wir wollten in meine Vergangenheit
reisen. In Marseille gibt es angeblich die beste Fischsuppe der Welt,
die Bouillabaisse. Wir hatten uns vorgestellt, eine Bouillabaisse sei
eine Suppe für zehn Euro. Wir kamen an einem sehr guten Restau-
rant an, sie kostete hundert Euro. Der Witz war: Wir haben nicht
mal einen Platz bekommen, offenbar sahen wir nicht angemessen
gekleidet aus.
Mein Lieblingsfischgericht ist kein Karpfen, keine Forelle, son-
dern eines aus England: Ich liebe Fish and Chips. Eingewickelt
in Zeitungspapier, mit ein bisschen Mayonnaise. Und wenn es bei
uns Pulpo gibt, Tintenfisch, kann ich nicht widerstehen. Ich mag
ihn gegrillt oder wie ein Carpaccio geschnitten als Vorspeise. Her-
vorragend schmeckt auch der galizische Pulpo-Eintopf, Pulpo à la
Gallega. Dazu trinke ich, wie zu jedem guten Fisch, ein Bier.

In jeder ZEITmagazin-München-Ausgabe erzählt der Barchef
Charles Schumann vom Essen und Trinken
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