GEO - 09.2019

(Nancy Kaufman) #1
Thomas Sampl, Hobenköök, Koch
und Gründer einer Markthalle in
Harnburg mit Waren der Region

»Süßlich, mit leichten Pilzaromen«
schmecken die runden, gelben
Zucchini, die man in der Hoben­
köök, der Hafenküche, im Hambur­
ger Oberhafen bekommt. »Ein
Riesenunterschied zu geschmacks­
neutraler Supermarktware«, sagt
der Gourmetkoch Thomas Sampl,
der die ungewöhnliche Kombina-
tion aus Markthalle und Restaurant
2018 eröffnete. Achtzig Prozent
des Angebots stammt aus dem
Hamburger Umland und ist
Saisonkost Wie der »Finkenwerder
Herbstprinz«, eine Apfelsorte aus
dem Alten Land, oder die
»Ostfriesische Palme«, eine selten
gewordene Grünkohlsorte.


bleibt. Vielmehr geht es für alle um eine
Veränderung der Gewohnheiten. Mehr
Obst und Gemüse, saisonal essen, we­
niger Fleisch - und wenn, dann bio.
Sagt die Richtige. Wä hrend ich diese
Geschichte schreibe, ernähre ich mich
überwiegend von Fertigpizza.

R

UND 200 MILLIARDEN Euro
geben Haushalte in Deutsch­
land im Jahr für Lebensmittel

Sein Team und er erkunden, wie Men­
schen in einer komplexen Welt Ent­
scheidungen treffen.
Offenbar verfügen wir über eine Art
Werkzeugkiste, auf die wir bei Entschei­
dungen zurückgreifen. Vor einer kom­
plizierten Wahl denken wir nach, wä­
gen ab. "Das ist aber die Ausnahme. Bei
den meisten Entscheidungen verlassen
wir uns auf einfache Strategien (ge­
nannt Heuristiken), und Rituale, Rou-
aus (Getränke einschließlich). tinen." Wie kann man sie verändern?
Knapp ll Milliarden davon für Biopro- Was bringt einen Menschen dazu, we­
dukte. Macht fünf Prozent. niger Fleisch zu essen und klimafreund-
Wie lässt sich dieN achfrage steigern? liebere Produkte zu kaufen?
Und wie schaffe ich es vom Lager der "Möglicherweise ist das erste Problem,
"häufig" bio Kaufenden in das Lager der so Hertwig "dass vielen von uns über­
"ausschließlichen" Biokonsumentinnen haupt nicht bewusst ist, wie umwelt­
(derzeit: drei Prozent)? belastend die Produktion von Fleisch,
Ralph Hertwig konstatiert bei mir Wurst und Käse ist." Anschauliche In­
einBehaviour Attitude Gap. Ich bin gu- formationen seien da hilfreich. Eine
ten Willens, aber schaffe es nicht, mei- simple Grafik etwa, die eindrucksvoll
ne Vorsätze umzusetzen. Der Psycho- zeigt, wie hoch die C02-Belastung bei
Ioge leitet am Max-Planck-Institut für der Produktion von Rindfleisch im Ver­
Bildungsforschung in Berlin den For- gleich zu Bohnen ist.
schungsbereich Adaptive Rationalität. "Im nächsten Schritt geht es dann

Wer denkt, Naturkost
sei eintönig, dürfte
sich über die bunte
Vielfalt auf dem
Teller der Hobenköök
freuen: Rindertatar
mit Kräutertunke
und Buttermilch­
Apfel-Schwarz-
brat mit gesalzener
Fassbutter

um einfache und präzise Verhaltens-
strategien, zum Beispiel: Ich esse nur
noch an zwei bis drei Tagen die Woche


  • am besten die gerrauen Tage festlegen ­
    Fleisch und Wurst. Oder ich kaufe im­
    mer saisonale Freilandprodukte", so
    Hertwig. Wichtig ist aber auch, sich Ge­
    danken zu machen, wie man mit vor­
    aussehbaren Hindernissen -Zeitnot,
    Bequemlichkeit- umgeht. "Man schafft
    es wahrscheinlich nichtjeden Tag zum
    Markt. Vielleicht besteht die Lösung
    dann in einer Gemüsekiste."


z

uR ü c K voN der Recherche­
reise, fällt mir etwas auf, das
ich normalerweise gar nicht
mehr wahrnehme: Mein Dorf,
die ganze Gegend, stinkt. Wiesen um­
geben mein Haus, eines der ältesten
und größten Experimente zur Arten­
vielfalt dreht sich um dieses Ökosystem.
Das Jena-Experiment. Es startete 2002.
Am Rande der Thüringer Großstadt un­
terteilten Forscher eine zehn Hektar
große Fläche in Hunderte Versuchs­
parzellen. Auf den Parzellen-je 20 mal
20 Meter groß-brachten sie Wiesen­
pflanzen aus. Kräuter, Hülsenfrüchte,

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