Die Welt Kompakt - 11.09.2019

(Darren Dugan) #1

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12 WIRTSCHAFT DIE WELIE WELIE WELTKOMPAKTTKOMPAKT MITTWOCH,11.SEPTEMBER


W


elche Akademi-
ker braucht ein
Land? Geht es
nach der Wirt-
schaft, ist die Sache klar: Geis-
teswissenschaftler sind weniger
wichtig. Gewünscht sind vor al-
lem Absolventen aus Mathema-
tik, Informatik, Naturwissen-
schaft und Technik (MINT). Je
höher ihr Anteil an allen Hoch-
schulabsolventen, desto besser.
Noch ist Deutschland hier –
trotz aller Mangelbekundungen



  • im internationalen Vergleich
    überdurchschnittlich gut aufge-
    stellt.


VON CHRISTINE HAAS

Das zeigt der neue Report
„Bildung auf einen Blick 2019“
der Organisation für wirt-
schaftliche Zusammenarbeit
und Entwicklung (OECD), der
in diesem Jahr den Schwer-
punkt auf tertiäre Bildung –
vereinfacht gesagt den Hoch-
schulbereich – legt. Betrachtet
wurden die 36 Mitgliedsländer
der OECD sowie Argentinien,
Brasilien, China, Kolumbien,
Costa Rica, Indien, Indonesien,
Russland, Saudi-Arabien und
Südafrika.
Der Analyse zufolge ist der
Anteil der MINT-Akademiker
in Deutschland vergleichsweise
hoch: Haben im OECD-Schnitt
25 Prozent aller Menschen mit
Hochschulbildung einen Ab-
schluss in diesem Bereich, sind
es in Deutschland 35 Prozent.
Interessant ist nun der genaue-
re Blick auf die einzelnen
MINT-Fächer – und auch hier
steht Deutschland bislang gut
da: Am stärksten vertreten sind
die bei Unternehmen gefragten
Bereiche Ingenieurwesen, Fer-
tigung und Bau. 26 Prozent al-
ler Bürger im Alter von 25 bis 64
Jahren mit Hochschul-Back-
ground haben einen entspre-
chenden Abschluss. Damit liegt
Deutschland weit oben im
OECD-Ranking, das einen
Durchschnitt von 16 Prozent
ausweist. Nur Österreich
kommt auf eine noch höhere
Quote.
Der bedenkliche Teil der Bot-
schaft folgt aber schon im


nächsten Satz. „Derzeit lässt
das Interesse an diesen Fächern
in den OECD-Ländern aber ge-
nerell nach, und Deutschland
könnte diesem Trend folgen“,
schreiben die Autoren. Grund
für diese Annahme sind die

jüngsten Absolventenzahlen:
2017 erwarben nur noch 22 Pro-
zent aller deutschen Hoch-
schulabsolventen einen Ab-
schluss im Bereich Ingenieur-
wesen, Fertigung und Bau. Die
junge Generation verliert of-

fenbar ausgerechnet das Inte-
resse an Fächern, die für die
deutschen Schlüsselbranchen
so wichtig sind.
Bundesbildungsministerin
Anja Karliczek (CDU) sah das
bei der Vorstellung des Berichts
in Berlin nicht als Problem. Die
Fächergruppen des MINT-Be-
reichs vernetzten sich zuneh-
mend. „Wir werden in den
nächsten Jahren erleben, dass
die einzelnen Disziplinen stär-
ker zueinander finden“, so Kar-
liczek. „Wir müssen uns also
nicht so viele Sorgen machen
um die Entwicklung in einzel-
nen Disziplinen, sondern den
Gesamtbereich betrachten.“
Die Ministerin hat einen Akti-
onsplan auf den Weg gebracht,
der auch darauf ausgerichtet
ist, schon Schüler an die Fach-
richtungen heranzuführen.
Wie erfolgreich es tatsäch-
lich sein wird, dass sich zum
Beispiel Naturwissenschaftler
oder Mathematiker in ihrem
Studium stärker mit Inge-
nieursinhalten auseinanderset-
zen, wird sich zeigen. Klar sein
dürfte aber schon jetzt, dass der
Zuwachs in den anderen MINT-
Bereichen allzu üppig nun auch
wieder nicht sein wird. Die
deutsche Wirtschaft kann
schon jetzt zahlreiche Stellen
nicht besetzen. Für den lang-
fristigen Erfolg der Unterneh-
men ist das ein Problem.
Besonders deutlich zeigt sich
das im Bereich IT. Hier spricht
die OECD-Statistik zwar von
einer „positiven Entwicklung“.
Das heißt aber nur: Der Anteil
der Absolventen erhöht sich.
Um die hohe Nachfrage zu de-
cken, reicht es aber längst
nicht. „Die Fachkräftelücke bei
IT-Experten ist am stärksten
gestiegen von allen Berufen“,
sagt Bildungsökonom Axel
Plünnecke. Er arbeitet am In-
stitut der deutschen Wirtschaft
(IW) Köln, das regelmäßig Eng-
passanalysen veröffentlicht.
Die jüngste zeigt die rasante
Veränderung im IT-Bereich:
Konnten im Jahr 2014 rund
19.000 Stellen nicht besetzt
werden, sind es in diesem Jahr
schon 59.000. Hintergrund ist,
dass längst nicht mehr nur Di-

gitalunternehmen – von denen
die deutsche Wirtschaft we-
sentlich weniger geprägt ist als
etwa die US-amerikanische –
entsprechende Fachleute brau-
chen. „Der Umgang mit Daten
wird auch in der klassischen In-
dustrie immer wichtiger“, sagt
Plünnecke. Bisher federten
ausländische Fachkräfte hier
einen Großteil des Problems
ab. Doch auch die zieht es nicht
unbedingt in ländliche Gebiete,
in denen viele Mittelständler
sitzen.
Für Plünnecke gibt es des-
halb vor allem eine Konse-
quenz: „Deutschland muss viel
stärker zum Ausbilder im IT-
Bereich werden.“ Er fordert,
dass Hochschulen mehr Studi-
enplätze anbieten – und neue
Hochschulen mit entsprechen-
den Schwerpunkten entstehen.
„Diese sollten verstärkt in länd-
lichen Gebieten angesiedelt
werden“, sagt der IW-Experte.
„Denn wer einmal in einer
Großstadt ist, ist schwierig von
dort wegzubekommen.“ Umge-
kehrt ist die Wahrscheinlich-
keit, im ländlichen Raum zu
bleiben, natürlich höher, wenn
man sich dort über Jahre ein
Netzwerk aufgebaut hat.
Beim Versuch, jungen Men-
schen die Mangelstudiengänge
schmackhaft zu machen, ist
der zu erwartende Arbeits-
markterfolg ein starkes Argu-
ment. „Die Perspektiven für
MINT-Studenten sind exzel-
lent“, sagt Plünnecke. Das
spiegelt sich in den OECD-
Zahlen. 91 Prozent der Men-
schen mit Hochschulabschluss
im Ingenieur-, Fertigungs- und
Baubereich sind erwerbstätig.
Sie verdienen 116 Prozent mehr
als ihre Kollegen mit niedrige-
rem Abschluss. Dies entspricht
einem der höchsten Lohnvor-
teile in den OECD-Ländern.
Zum Vergleich: Die Gruppe mit
den schlechtesten Arbeits-
marktergebnissen – Künstler,
Geistes- und Sozialwissen-
schaftler, Journalisten und
Mitarbeiter des Informations-
wesens – kommt auf einen Er-
werbstätigenanteil von 86 Pro-
zent und einen Lohnvorteil
von nur 33 Prozent.

Auf Ingenieur


hat die Jugend


keine Lust


Noch hat Deutschland


vergleichsweise viele Absolventen.


Doch das könnte sich ändern




So verteilen sich die Akademiker auf die Fächergruppen

Quelle: OECD

Anteil an den ��- bis ��-jährigen Hochschulabsolventen und an den kürz-
lichen Hochschulabsolventen von ���� in den OECD-Ländern in Prozent
Wirtschaft, Verwaltung und Recht
Geistes- und Sozialwissenschaften,
Künste, Journalismus, Informationswesen
Ingenieurwesen, verarbeitendes
Gewerbe und Baugewerbe
Gesundheit und Sozialwesen

Pädagogik

Sonstige
Naturwissenschaften,
Mathematik und Statistik
Informatik und Kom-
munikationstechnologie

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Interesse am Ingenieurstudium nimmt ab

Quelle: OECD

Anteil der Ingenieur-Absolventen unter den ��- bis ��-jährigen
und unter den kürzlichen Absolventen von ���� in Prozent

��,� ��

     

Russland
Österreich
Deutschland
Litauen
Tschechien
Schweden
Großbritannien
Schweiz
OECD-Durchschnitt
Frankreich
Türkei
Griechenland
Italien
Norwegen
Australien
USA

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