Frankfurter Allgemeine Zeitung - 06.09.2019

(Nandana) #1

NR. 207·SEITE I 1


FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG Immobilien FREITAG, 6. SEPTEMBER 2019

ols. STUTTGART,5. September. Noch
ist es eher eine Szene mit Seltenheits-
wert: Der Mitarbeiter öffnet die Tür des
Bürogebäudes anstatt mit Schlüssel oder
Chipkarte mit seinem Mobiltelefon, und
er wird dann zugleich freundlich begrüßt
und bekommt auf der entsprechenden
App angezeigt, wo es einen freien Arbeits-
platz gibt. Die Digitalisierung von Immo-
bilien steckt noch ganz am Anfang. Gera-
de werden in Deutschland die ersten Pro-
jekte von Bürogebäuden mit komplett di-
gitaler Infrastruktur umgesetzt. „Da geht
es nicht darum, mit dem Handy das Licht
anzuschalten“, sagt Klaus Dederichs, der
beim auf Immobilien spezialisierten Pro-
jektsteuerer und Beratungsunternehmen
Drees & Sommer mit Sitz in Stuttgart die
Themen Informationstechnologie, Kom-
munikation sowie Digitalisierung verant-
wortet. Die digitale Infrastruktur werde
immer wichtiger und habe somit oberste
Priorität, nicht nur für den Mieter. Mittels
Künstlicher Intelligenz werden künftig
technische Anlagen, Sensoren sowie Pla-
nungs- und Betriebs- und Nutzerdaten
miteinander verknüpft. Die gesammelten
Daten können dann ausgelesen und auf
dieser Basis dann Nutzung und Verbrauch
optimiert werden.
Die zusätzlichen Kosten bei der Pla-
nung eines digital ausgestatteten Gebäu-
des halten sich nach Einschätzung von
Architekt und Drees-&-Sommer-Vor-
stand Steffen Szeidl in Grenzen. „Aktu-
ell betragen die Mehrkosten durch die Di-


gitalisierung etwa 2 bis drei Prozent der
Gesamtinvestition.“ Aktuell ist das Bera-
tungsunternehmen bei dem digitalisier-
ten Bürogebäude Cube Berlin mit von
der Partie. Dort investiert der Bauherr
in den Neubau rund 100 Millionen Euro.
Zum Einsatz kommen rund 3750 Senso-
ren, um die digitalen Technologien um-
zusetzen. Die reichen von der Bedie-
nung der Gebäudetechnik bis hin zu Zu-
gangskontrolle durch Personenerken-
nung, die Nachverfolgung von Personen
oder Gegenständen bis zur Navigation
im Gebäude über eine entsprechende
Gebäude-App.
Doch bis die Sensoren erst einmal im
Gebäude verbaut werden können, sind
zahlreiche Schritte im Vorfeld notwen-
dig. Bereits in der Planungsphase wird
praktisch ein digitaler Zwilling des Ge-
bäudes geschaffen, der eine Immobilie
über den gesamten Lebenszyklus hinweg
begleitet, wie Szeidl erläutert. Und bevor
die Technik verbaut wird, gilt es, diese
auf Herz und Nieren zu prüfen. Im Fall
des Neubaus in Berlin wurde damit zwei
Jahre zuvor begonnen. Neben der Funk-
tionalität steht dabei auch der Sicher-
heitsaspekt im Mittelpunkt. Dafür richte-
te Drees & Sommer in Aachen ein eige-
nes Testlabor ein. „Wir suchen gezielt
nach Sicherheitslücken“, sagt Physiker
Dederichs. Denn rund 85 Prozent der
Sensoren, die man heute kaufen könne,
seien nicht sicher. Ferner wird die Kom-
patibilität der Produkte geprüft.
„Sensorik und weitere Technologien
zur Datenerfassung sind also eine not-
wendige Bedingung, um die Verwaltung
teilweise automatisieren zu können“,
sagt Alexander Hellmuth vom Beratungs-
unternehmen EY Real Estate GmbH.
„Insbesondere in der Verwaltungsphase
finden sich zahlreiche Ansätze zur Auto-
matisierung und Effizienzsteigerung. Au-
tonome Prozesse können repetitive Auf-
gaben unter Zuhilfenahme von Künstli-
cher Intelligenz und in Verbindung mit
Plattformen sukzessive ersetzen.“
Dederichs sagt einen tiefgreifenden
Wandel der Immobilienwirtschaft vor-
aus, wenn die Gebäude über die Zeit hin-
weg immer besser digital ausgestattet
werden. Heute definierten sich Immobi-

lienbetreiber vor allem noch über die Ver-
mietung von Flächen. Die Entwicklung
gehe dahin, dass sich die Unternehmen
zu Plattformbetreibern hin entwickelten,
die ihren Kunden spezifische Dienstleis-
tungen anbieten könnten. So ist der Physi-
ker davon überzeugt, dass künftig auch
die fest und für einen gewissen Zeitraum
vereinbarte Miethöhe entfallen wird. Es
spielen dann andere Faktoren mit eine
Rolle, beispielsweise softwarebasierte
Dienstleistungen. So werden der Ein-
schätzung des Fachmannes zufolge Un-
ternehmen Parkplätze nicht mehr dauer-
haft für einen gesamten Monat mieten,
sondern es wird nach der tatsächlichen
Nutzung abgerechnet.
EY-Immobilienfachmann Hellmuth
meint: „Neben der Prozessautomatisie-
rung kann Künstliche Intelligenz auch
den Mieterservice verbessern. Zudem
entstehen neue Produkte im gesamten
Wertschöpfungszyklus von Immobilien,
die das Arbeiten erleichtern. Die Progno-
se von zukünftigen Entwicklungen wird
verbessert, die Markttransparenz wird er-
höht. Entsprechende Entscheidungen
werden auf Basis einer breiteren Daten-
grundlage getroffen. Transaktionen wer-
den durch deutlich agilere Vertrags- und
Verwaltermodelle dezentralisiert und
entsprechend vereinfacht. Das lohnt sich
sowohl für private als auch institutionel-
le und professionelle Immobilieninvesto-
ren.“
In Köln gibt es ähnlich wie in Berlin
gleichfalls ein neues Bürogebäude, mit ei-
nem hohen Grad an Digitalisierung. Das
Gebäude namens The Ship setzt wie das
Pendant in Berlin unter anderem auf
eine intelligente Parkhaussteuerung so-
wie eine Gebäudenavigation für externe
Gäste. Alte Gebäude nachzurüsten ist na-
türlich gleichfalls möglich, aber gar nicht
so einfach. Es reiche nicht einfach aus,
den Glasfaseranschluss legen zu lassen,
sagt Szeidl.
Ein Knackpunkt ist den Angaben zufol-
ge bei Bestandsgebäuden die Wandstärke
der Außenfassade. Ist sie mit zusätzli-
cher Dämmung versehen, gibt es oftmals
Probleme mit dem Mobilfunkempfang.
Auch besonders beschichtete Glasschei-
ben an der Außenfassade können hier
Probleme bereiten. Lösungen aus dem

Privatbereich für Smart-Home können
im professionellen Immobilienmanage-
ment nicht immer eingesetzt werden.
Denn der Privatnutzer überfrachtet oft-
mals sein Eigenheim mit verschiedenen
Systemen, die dann gar nicht in der Lage
sind, miteinander zu kommunizieren,
und somit keinem Mehrwert bringen.
Am Ende gibt es dann viele individuelle
Einzellösungen und mehrere App-An-
wendungen, und der ganzheitliche Ge-
danke bleibt auf der Strecke. Dieser Feh-
ler sei in der Vergangenheit oftmals auch
bei der Gebäudeautomatisierung began-
gen worden.
Doch die Digitalisierung hält natür-
lich nicht nur bei der Gebäudeausstat-

tung Einzug, sondern schon weit im Vor-
feld im Bereich der Planung. Denn mit
der unter der Überschrift „Building
Information Modelling“ (kurz BIM, Bau-
werksdatenmodellierung) firmierenden
Methode lassen sich die Daten aller Ar-
beitsschritte von der Planung bis zur
Bauausführung in einem virtuellen Com-
putermodell zusammenfassen – und die
Bauwerke anschaulich visualisieren –,
ohne dass ein Stein bewegt werden
muss. Heute werden schon die meisten
Großprojekte erst einmal im Rechner
dargestellt, lange Zeit bevor Bagger die
Baugrube ausheben. Ab 2020 muss diese
Methode einsetzen, wer an Infrastruktur-
ausschreibungen der öffentlichen Hand
teilnehmen will.

D


er bevorstehende Börsengang des
amerikanischen Bürovermieters We-
work verspricht spektakulär zu werden.
Beobachter erwarten, dass der Konzern
mit bis zu 50 Milliarden Dollar bewertet
wird – ein gewaltiger Wert für ein Start-
up, das noch Milliardenverluste macht.
Möglicherweise honorieren Anleger den
offensiven Wachstumskurs und die Er-
schaffung eines neuen Trends, dem soge-
nannten Coworking, der die Büromärkte
auch in Deutschland verändert. Dabei
geht so mancher Mieter dazu über, Büros
mit flexiblen, also schnell kündbaren Ver-
trägen zu beziehen und diese Flächen mit
anderen Nutzern zu teilen. Das wird als
Modetrend angepriesen, der sogar die
Kreativität fördern soll. Die handfesteren
Vorteile für die Mieter dürften indes darin
liegen, dass sie die Fläche je Mitarbeiter

bei geschickter Kalkulation – einschließ-
lich großzügiger Heimarbeit – drücken
und vor allem schnell wieder aus dem
Mietvertrag aussteigen können, wenn sich
ihr Geschäft abschwächt. Diese Überle-
gungen zeigen die Kehrseite für Wework
und Konkurrenten auf: Sie selbst mieten
die Büros meist langfristig an und vermie-
ten sie kurzfristig. Falls sich die Wirt-
schaft abschwächt, haben sie ein Problem,
weil sie dann auf leeren Büros sitzenblei-
ben. Die Erfahrung zeigt, dass Büromärk-
te relativ schnell auf eine Konjunkturab-
schwächung reagieren, wie sie in Deutsch-
land derzeit zu beobachten ist. Das dürfte
für den hochflexiblen Coworking-Markt
umso mehr gelten. Beobachter halten es
nicht für ausgeschlossen, dass hier bald
die ersten Anbieter ausfallen. Für Wework
spricht da, dass das erst einmal für die klei-
nen, kapitalschwachen Konkurrenten gilt.
Längerfristig wird sich aber auch Wework
den hohen Risiken seines Geschäftsmo-
dells kaum entziehen können.

Bisher haben Sie fast ausschließlich in
Gewerbeimmobilien wie Büros, Ein-
kaufszentren oder Hotels investiert.
Jetzt wenden Sie sich auch den Wohnim-
mobilien zu. Warum?
Weil wir so unser Portfolio weiter di-
versifizieren können. Dies insbesondere
vor dem Hintergrund einer langfristig
großen Nachfrage nach bezahlbarem
Wohnraum bei gleichzeitig knappem An-
gebot. Und mit Wertgrund haben wir ei-
nen Partner, der uns dabei optimal unter-
stützt. Unsere Anleger profitieren so
gleich zweifach: einerseits von der Erfah-
rung und dem Marktzugang eines erfolg-
reichen Asset-Spezialisten und anderer-
seits von der gewohnten Qualität unseres
Fondsmanagements.


Gehen Sie damit nicht hohe Risiken ein,
weil die Warnungen vor dem Platzen ei-
ner Preisblase zunehmen?
Nein, keineswegs. Sicherlich gibt es an
bestimmten Standorten Preisübertreibun-
gen, aber keine flächendeckende Blase.
Zudem werden mögliche Preisrückgänge
nur dann zum Problem, wenn man zum
Verkauf von Immobilien zu niedrigeren
Preisen gezwungen ist oder nur spekula-
tiv eingekauft hat. Das tun wir aber dezi-


diert nicht, und wir gehen auch nicht in
die Lagen mit Preisübertreibungen. Im
Gegenteil: Wir sind in der komfortablen
Situation, mit dem Hausinvest sehr lang-
fristig planen zu können, und setzen auf
nachhaltig erzielbare Mieterträge statt
kurzfristige Verkaufsgewinne. Weil wir
über ausreichend Liquidität verfügen
und Fremdkapital zu günstigen Konditio-
nen aufnehmen können, werden wir
auch nicht plötzlich zum Verkauf gezwun-
gen sein. Zudem steigen wir frühzeitig in
den Lebenszyklus der Immobilien ein
und können deshalb auch im aktuellen
Zyklus noch zu attraktiven Konditionen
erwerben. Entscheidend ist letztlich,
dass wir immer Mieter für unsere Objek-
te finden. Deshalb investieren wir neben
den deutschen Metropolen auch in wach-
senden Mittel- und Universitätsstädten.
Ist das wirklich eine gute Idee, ausge-
rechnet zu einer Zeit in den Wohnungs-
markt einzusteigen, in der die Diskussi-
on immer aufgeheizter wird und sogar
Enteignungen von Wohnungskonzernen
kein Tabu mehr sind?
Ich halte das für eine ausgezeichnete
Idee. Wann wenn nicht jetzt sollten wir
in bezahlbare Wohnungen investieren?

Nur so können wir dem Nachfrage- und
Preisdruck begegnen. Die Kommunen
mit ihren Förderprogrammen sind für
uns dabei natürlich sehr wichtige Part-
ner. Wir zeigen ihnen, dass wir bereit
sind, auch in öffentlich geförderten Woh-
nungsbau zu investieren, und dass dies
entgegen landläufiger Meinung durchaus
rentabel sein kann. Und wir überzeugen
sie von uns als verlässlichen Partner. Wie
das gelingen kann, haben wir gerade bei
unseren ersten Ankäufen in Darmstadt
und Dresden bewiesen.
Wie wollen Sie vermeiden, als „Miet-
hai“ öffentlich diskreditiert zu werden?
Spekulation ist nicht unser Geschäft.
Wir kaufen keine Bestandswohnungen,
um sie aufzuteilen, zu entmieten oder zu
sanieren und dann die Mieten hochzutrei-
ben. Hausinvest agiert absolut konserva-
tiv als langfristiger Bestandshalter. Des-
halb schenken uns unsere Anleger ihr
Vertrauen, und das seit über vier Jahr-
zehnten. Wir wollen Neubauwohnungen
bieten, die Spaß machen, und das zu fai-
ren Mieten. In die die Menschen ziehen,
weil sie es wollen, nicht weil sie es müs-
sen.
Die Fragen stellteMichael Psotta.

Riskantes Wework-Modell
Von Michael Psotta

Architekten müssen Baukosten
zwingend einhalten.Seite I 3

Licht anknipsen per


Handy; Sensoren, die


helfen, die Temperatur


zu regeln; und der


Aufzug meldet den


nächsten Wartungs-


termin. Digitalisierung


und Künstliche Intelli-


genz halten Einzug in


die Immobilienbranche.


Vier Fragen an:Andreas Muschter, Commerz Real


Bürogebäude werden schlauer


„Wir wollen faire Mieten bieten“


Über den Einstieg in den Wohnungsmarkt und das Risiko, zum „Miethai“ zu werden


Soll auch morgen noch Stand der Technik sein:Das digitalisierte Bürogebäude Cube Berlin Foto Reuters

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