Neue Zürcher Zeitung - 08.09.2019

(John Hannent) #1

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Fran cesco Benini


Es ist ein neuer Ansatz: Im Flug­
zeug zureisen, sollteurer wer­
den.Der Aufschlag wäre aber
gering. Und dasGeld soll nicht an
die Bevölkerung zurückfliessen,
wie das beiLenkungsabgaben
vorgesehen ist. Diegewonnenen
Mittel würden ganz für die Ent­
wicklungvon sogenannt synthe­
tischemKerosin verwendet. Es
verursacht zwarSchadstoffe bei
der Verbrennung im Flugbetrieb,
hingege n wäre es umweltscho­
nendbeiderHerstellung,weilda­
bei kein Erdöl eingesetzt wird.
Ausgearbeitet haben den
Vorschlag Anthony Patt, Martin
BäumleundPeterMetzinger. Patt
ist Professor an der ETH Zürich
und hat sich amDepartement für
Umweltsystemwissenschaften
auf dasGebiet der Klimapolitik
spezialisiert. MartinBäumle ist
Chemiker und grünliberaler Na­
tionalrat.PeterMetzingeristPhy­
siker und FDP-Gemeinderat in
Dietikon im Kanton Zürich. «In
der Umweltpolitikfehlt es oft an
Fakten», kritisiertMetzinger.
DiedreihabendarumvieleBe­
rechnungen an gestellt. Und sie
sind zumSchluss gekommen,
dass die Abgabe für die Entwick­
lung von synthetischemKerosin
tief angesetzt werd en könnte:
70 Franken für einen Flugvon
ZürichnachNewYorkundzurück
würden in einer ersten Stufe
genügen, bei Flügen innerhalb


NeuerVorschlag füreinetiefeFlugticket-Abgabe


Europas wären dieAufschläge
nochwesentlich tiefer.
Das Verfahren für dieGewi n­
nungvon synthetischemKerosin
istbekannt:CO2wird aus derLuft
abgesaugt, man spaltetWasser
und bringt denWasserstoff in
eine Reaktion mitKohlendioxid.
Dafür istviel Strom erforderlich.
Die Produktion von syntheti­
schem Treibstoff ist darum drei­
bis viermalteurer als dieHerstel­
lung von Kerosin mit Erdöl.Vor­
gesehen ist derBau grosserSo­
laranlagen, mit denen der Strom
gewonnenwerd en soll. DiePro­
duktion des synthetischen Treib­
stoffes sollte darum inLändern
geschehen, in denen dieSonne
mehr scheint als in derSchweiz.
In der Nähevon Madrid ist un­
längst einBetrieb eröffnetwor­
den, in dem mitSonnenenergie,
WasserundKohlendioxidsynthe­
tischesKerosin hergestelltwird.

GegenAusweichverkehr
MartinBäumle und seine Mit­
strei tererwarten,dassdieKosten
für dieProduktion des Treibstof­
fes sinkenwerd en. Werde Geld
für dieWeiterentwicklung der

neuenTechnologieaufgewendet,
sei mitFortschritten zurechnen.
Mit der grösseren Effizienzredu­
ziere sich derAufwand. Ausser­
demgingendie KostenfürdieGe­
winnungvon Solarstrom zurück.
Der synthetische Treibstoff
kann dem herkömmlichenKe­
rosin beigemischtwerd en. Zu­
nächst wäre der Anteil tief,
wenige Prozent, dannwürde er
schrittwe iseerhöht.Bis2050soll
das synthetische Kerosin den
Treibstoff, der mit Erdöl produ­
ziert wird, ganz ersetzt haben.
Die drei Initianten halten ih­
ren Vorschlag für besser als eine
Lenkungsabgabe,weil er sofort
Investitionen in eine umwelt­
schonendeProduktion auslösen
würde. «Eine Lenkungsabgabe
müsste imÜbrigen sehr hoch
angesetzt werd en, damit die
Menschenwenigerfliegen», sagt
NationalratBäumle. Es sei auch
zubefürchten,dassdieBewohner
des Landes auf ausländische
Flughäfen in Grenznähe aus­
weichenwürden.
Weil für dieGewi nnungvon
synthetischem Treibstoff grosse
Industrieanlagen nötig sind,
müssten internationaleProjekte
vorangetriebenwerd en.Hierliegt
möglicherweise ein Haken. Es
braucht lange und aufwendige
Vorarbeiten.
Die Reaktionen der Luftfahrt­
betriebe fallen überraschend
positiv aus. Philipp Bircher, Spre­
cher des Flughafens Zürich, er­

Geld so ll fürEntwicklung von sa uberemKerosin eingesetztwerden – Flughafen undSwiss reagieren positiv


70FrankenZuschlag
füreinenFlugvon
ZürichnachNew
Yorkund zurück
würdengenügen.

JASPER JUINEN

/ BLOOMBER

G / GETTY IMAGES

Der Treibstoff sollkünftig
umweltschonender produziert
werden: Ein Flugzeug auf dem
Flughafen von Amsterdam wird
betankt.(15. August2017)

klärt:«Wir sind überzeugt, dass
dieSchweizinihrerinternationa­
lenAnbindungwett bewerbsfähig
bleiben muss und deshalb natio­
nale Alleingänge nicht zielfüh­
rend sind.»Der Flughafen Zürich
unterstütze aber eine moderate
nationale Abgabe der Luftfahrt,
wenn diese auch effektiv der
Reduktionvon CO2 in der Luft­
fahrt an der Quelle diene. «Eben­
so teilen wir die Ansicht, dass
mittelfristig synthetische Kraft­

stoffe dasrealistischste und des­
halb zielführendste Mittel sind,
damit die Luftfahrt schrittwe ise
CO2­neutral wird. In diesem
Sinne ist der erwähnte Vorschlag
zu begrüssen», meint Bircher.

KooperationüberGrenzen
Auch die FluggesellschaftSwiss
reagiertwohlwollend:«Sollte es
zu einer Flugticketabgabe in der
Schweizkommen,sosindwirder
Meinung, dass dieGelder in die
Förderung von synthetischen
Treibstoffenfliessen sollten. Das
ist unseres Erachtens die einzige
Option, die in Zukunft das Flie­
gen klimaneutral machenkönn­
te», sagt Sprecherin KarinMüller.
Aus Sicht derSwiss seien eher
globale Initiativen – oder zumin­
dest europäische – anzustreben
als nationale Alleingänge.
FDP-Ständerat Ruedi Noser
hält fest, die Mittel aus derLen­
kungsabgabe,welchenichtandie
Bevölkerung rückverteiltwür­
den, sollten für dieFörderung
von innovativen Technologien
zugunsten der CO2­Reduktion
eingesetztwerd en.Synthetisches
Kerosin könne eine dergeförder­
tenTechnologienseinundseiein
spannendes Projekt, um den
Flugverkehr langfristig CO2­neu­
tral zugestalten. MartinBäumle
will nun aber dafür sorgen, dass
der Nationalrat auf eine andere
Linie einschwenkt als der Stän­
derat: synthetischesKerosin för­
dern, ohneLenkungsabgabe.

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