Neue Zürcher Zeitung - 08.09.2019

(John Hannent) #1

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NZZamSonntag8. September 2019
SportFussball

Diskussionsbedarf 1: Die Schweizer nach
dem 1:1 in Dublin mit dem späten Gegen-
treffer (r.). Diskuss ionsbedarf2: Xhe rdan
Shaqiri sagte der Schweiz ab (unten).


Siewolltensichbessern

VorzehnMonatenversprachder


Fussballverband,dieStrukturen


umdieNationalmannschaft zu


stärken.DasVersprechenhatsich


insGegent eilverkehrt.Das Team


ist schwachgeführtundwirkt


konfus.VonStephanRamming


S


amuelBeckett war ein berühmter
Schriftsteller aus Irland.«Warten
aufGodot» heisst sein bekann-
testesWerk. Es gilt als klassi-
scherText des absurden Thea-
ters. Daringehtes um dieexis-
tenzielle Erfahrung derLeere,
um die unerfüllteHoffnung auf ein erlösendes
Ereignis. Und um dieSchwierigkeiten in der
menschlichenKommunikation.
Als dieSchweizer Nationalmannschaft am
Dienstag nach Dublin reiste, dürften die
wenigsten Spieler undFunktionäreSamuel
Beckett im Sinngehabt haben. Und dochge-
schah es, dass sie ohne bewusstes Zutun an
derMedienkonferenzvor dem Spielgegen
Irland ein Stück aufführten, das in seiner ab-
surdenKomik dem Zuschauer in derfernen
Schweiz erschienwie vom irischen Literatur-
nobelpreisträger ausgedacht.Der Anfanggeht
so –Vorhang auf:
Mediensprecher:«Willkommen zurPresse-
konferenz. In der Mitte unser Nationaltrainer
VladimirPetkovic, zu seiner linken Seite
unserCaptain Granit Xhaka.. .»
Übersetzer(unterbricht,zeigt auf Xhaka):
«Das ist also VladimirFretkovic?»
Mediensprecher: «Petkovic, das ist Vladi-
mirPetkovic. Und das ist unserCaptain Granit
Xhaka.»
(Petkovic neigt denKopf, schmunzelt.)
Übersetzer (zeigt auf Xhaka): «Aha, das ist
also Granit Xha... entschuldigen Sie, dass ich
Ihren Namen nicht.. .»
Xhaka(sarkastisch): «KeinProblem, ich
kenne mich bereits.»
(FabianSchärreibt sich die Nase undver-
sucht, ein Grinsen zuverstecken.)
Mediensprecher: «Und rechts, das ist
FabianSchär.»
Übersetzer: «Undrechts istFabianSchär.

Sorry, onthe right isFabianSchär.»
Mediensprecher: «Bitte zuerst dieFragen
an die Spieler.»
Übersetzer: «Questionsfor theteam.»
EinJournalist: «Granit, mitwelchenGefüh-
lengehst du morgen in das Spiel?»
Xhaka (resolut): «Mit sehr gutenGefühlen.»
EinJournalist: «Undwieso?»
Xhaka (resoluter): «Und warum nicht?»
(Vorhang fällt. Cut.)

InnereLeere
AlsBernhardHeusler am 24. November 2018
im Haus desFussballs die Erkenntnisse aus
der Untersuchung der Strukturenrund um
das Nationalteamvorstellte, nannteer als
zweitwichtigstenPunkt «Defizite in derKom-
munikation», die mit einem «gewissen Image-
Problem derSchweizer Nationalmannschaft»
einhergehen. Um das «gewisse Imagepro-
blem» zu beheben, schlugHeusler als ersten
undwichtigstenPunkt denPosten eines
Direktors der Nationalmannschaftenvor, der
nach innen alsVorgesetzter des Trainers das
Team führt und nach aussen dieKommunika-
tion bestimmt.Der damaligePräsidentPeter
Gilliéron applaudierte und sagte, man «wäre
ja blöd,würde man einenBericht inAuftrag
geben und die Ergebnisse nicht umsetzen».
ZehnMonate sind seithervergangen, statt
Gilliéron steht seit Ende MaiDominique Blanc
an derVerbandsspitze, und auch anderePos-
ten sind neu besetzt(siehe Grafik). Hat sich
die Situation alsoverbessert? Ist das Ansehen
der Mannschaftgestiegen, sind die Strukturen
rund ums Nationalteamgestärktworden? Das
war eigentlich dieIdee nach demVersagen der
Verbandsführungrund um dieDoppeladler-
Affäre an der WM 2018.
Die –vorläufige – Antwort lautet: Nein.
Statt Fortschritt passierte einRückschritt.

Die kleine Beckett-Nummer vor dem
Irland-Match ist eine amüsante Episode, die
in den sozialen Netzwerken eifrig mitLach-
Smileys und Ähnlichemkommentiertworden
ist. Natürlichkönnen dieSchweizer nichts da-
für,wenn ihnen der irischeVerband statt
einenÜbersetzer einen Clown zurSeite stellt.
Aber die Episode passt in einMuster an Unzu-
länglichkeiten in derAussendarstellung, die
sich statt zuverbessern zuverschlechtern
scheint. Daswurde auch am letztenMontag
deutlich, als sich die Mannschaft im Zürcher
Hotel Atlantis für dieVorbereitung der Spiele
gegen Irland und Gibraltar traf.
DreiTagelanghatte dieFussball-Schweiz
spekuliert,weshalb Xherdan Shaqiri demAuf-
gebot nichtFolge leistet.Der 82-fache Natio-
nalspieler habe sich «in Anbetracht seiner
aktuellen Situation dazu entschieden, sich
vollumfänglich auf seinen Klub Liverpool zu
konzentrieren», hatte derVerband alsBegrün-
dungverlauten lassen, sonst nichts.Was ist
los mit Shaqiri, immerhin der Spieler, der den
Unterschied machen kann, der kleine Mann
mit demTalent für dasgewisse Extra?
Als dann amMontag der Trainer Vladimir
Petkovic undPierluigiTami, der neue «Direk-
tor Nationalmannschaft»,vor den Mikrofonen
Platz nahmen, stand dieseFrage drängend im
Raum.Tami ergriff dasWort, nestelte am
Horn seiner imposanten Lesebrille und gab

Die Aufgabevon
Petkovicund vonTami
wäre es, Launenund
Verstimmungenwiebei
Shaqirizuspürenund
vora bzureagieren.

ACTION IMAGE

S / REUTERS
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