Beobachter - 13.09.2019

(nextflipdebug5) #1

I


nnert zweier Stunden 1400 Franken
Verlust – weil 91 Badegäste sich die Bäuche
vollschlagen, ohne zu bezahlen. Und das
Por zel langeschirr entsorgen manche im Müll.
Diese Meldung im «Tages-Anzeiger» über
eine «Erhebung» des Restaurantleiters im
Stadt zürcher Schwimmbad Heuried machte
im August die Runde durch die Medien. Auch
andere Freibäder klagten über haufenweise
vermisstes Geschirr und Besteck.
Wirkt die leichte Bekleidung auch befreiend
auf die Moral? Oder sind die Zürcher beson-
ders unverschämt? Nein, sagt Manuela Stock-
meyer, Sprecherin des Gastrounter nehmens
SV Group: «Schwarze Schafe gibt es überall.»
Die SV Group betreibt schweizweit Restaurants
und Mensen. An den Unis etwa spüre man
regelmässig den Semester beginn, wenn die
Studierenden ihre WGs einrichten, sagt Stock-
meyer. Einmal aber erlebte sie das Gegenteil:
«Eine Gruppe von Studenten brachte nach
Studienabschluss einen Sack Besteck zurück.»
Die tatsächliche Zechprellerei bewege sich in
bescheidenem Rahmen. Sie nehme bisweilen
aber subtile Formen an, etwa wenn Gäste den
Salat ohne Sauce wägen.
Beim Zürcher ZFV, der Gastrogenossen-
schaft mit rund 200 Betrieben, davon viele

Selbstbedienungsrestaurants, tönt es ähnlich.
Allein an der Zürcher Uni Irchel verschwinden
jährlich 2000 Kaffeelöffelchen, je 1000 Gabeln
und Esslöffel sowie 400 Messer. «Dahinter
steht aber oft keine böse Absicht. Gerade
in Personalrestaurants nehmen viele das
Geschirr an den Arbeitsplatz mit und verges-
sen dann, es zurückzubringen», so Sprecherin
Claudia Christen.

Der Chef zeigt Verständnis. Warum haben es
die Gäste in der Badi Heuried derart auf die
Spitze getrieben? Die Antwort ist simpel: weil
sie es konnten. Der Restaurantbereich ist von
drei Seiten frei zugänglich. An den beiden un-
günstig platzierten Kassen konnte jeweils nur
der vorderste Gast das Tablett abstellen, um
das Geld hervorzukramen. Es kam zu teils lan-
gen Wartezeiten. «Ich kann sogar verstehen,
wenn der eine oder andere sich sagt: ‹Ich setz
mich lieber mal hin und esse, solange es noch
warm ist›», sagt Restaurantchef Jörg Kümin.
Inzwischen habe man Schwenktüren
eingebaut und die Situation mit den Kassen
verbessert. Das Problem sei gelöst. Und der
Wirbel in den Medien ein Sturm im Wasser-
glas: Die Erhebung fand letztes Jahr statt.
TEXT: CONNY SCHMID | FOTO: MICHELE LIMINA

«Tages-Anzeiger»,



  1. August 2019:
    «In Zürcher
    Bädern nehmen
    es Besucher und
    Besucherinnen
    beim Zahlen
    nicht immer so
    genau. Auch
    sonst erlauben
    sich die Gäste
    einiges.»


ZÜRICH. Sind die Gäste in Freibädern besonders unverschämte Zechpreller?


Medienberichte über Leute, die sich ungeniert bedienen, lassen das vermuten.


Gelegenheit macht Diebe


NACHLESE


Wer jetzt noch nicht
bezahlt hat, tut es
vielleicht gar nicht
mehr: zu Tisch
in der Badi Heuried

Beobachter 19/2019 51
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