Beobachter - 13.09.2019

(nextflipdebug5) #1
FOTO: GETTYIMAGES

Emässig mit seinen Motorradkumpels, um eine Bratwurst zu essen. Um zu in Grillstand einer Coop-Filiale im Thurgau, das war der Tatort. Hier traf sich Luigi Bianchi * regel^ -
rauchen und Sprüche zu klopfen. So auch an jenem Samstagvormittag vor ein paar Wochen, als die Sache – harm-los ausgedrückt – aus dem Ruder lief.
schwarz» und dreht eine Zigarette. Er trägt ein Jeanshemd mit Harley-David-Bianchi bestellt einen «Express
son-Schriftzug, darunter eine goldene Halskette. Für Zehntausende Franken habe er Zeit seines Lebens den Most bei Coop gezapft, erzählt der 71-Jährige
jetzt. «Ich bin ein guter Kunde, und so möchte ich auch behandelt werden.»gänge «aus Gründen des PersönWas ist passiert? Coop will die Vor--
lichkeitsschutzes» nicht kommentieren. Bianchi schildert sie so: «Da stand eine Frau -
am Grill, die offensichtlich keine Ahnung von der Materie hatte.» Eine Seite seiner Bratwurst sei ver-
kohlt gewesen, die andere praktisch roh. Als er der Angestellten das Münz für die Wurst
aushändigte, frotzelte er: «Seit wann grillieren hier die Schnupperstifte?»Der neue Chef. Die Situation eskalierte
rasch. «Sind Sie mit dem falschen Bein aufgestanden?», fragte die Frau mit der Grillzange. Nach einem verbalen Geplänkel meinte die Coop-Mitarbeiterin, -
sie müsse sich so was nicht bieten las-sen, und hole nun den Chef. «Tun Sie das!», polterte Bianchi. «Wir beide ken-
nen uns schon lange.» darauf vor dem Tisch der Töfffahrer aufbaute, hatte er allerdings noch nie Den jungen Mann, der sich kurz
gesehen.Chef.»Bianchi: «Wer bist du?»Der neue Chef: «Ich bin der neue

wertesten vorbei.»auf, den Laden zu verlassen. Sonst Bianchi: «Das geht mir am AllerDer Filialleiter forderte Bianchi nun -
erteile er ihm ein Hausverbot. Er trage bestimmt keinen Heiligenschein, sagt Bianchi, doch er krümme keiner Fliege
ein Bein. In dieser Situation aber sagte er zum Coop-Mann: «Mach einen Abgang, du Pausenclown. Sonst erteile ich dir eine Ohrfeige.» Als der Chef keine -

Anstalten machte, die Szene zu verlassen, stichelte Bianchi: «Wo kann man hier zugelaufene Hunde abgeben?» Damit hatte er den Bogen überspannt. -
Der Filialleiter griff zum Telefon und wählte die Nummer der Polizei.Bianchi seine Taschen leeren. «Die Als die Beamten eintrafen, musste
dachten wohl, ich hätte irgendwo noch einen Klumpen versteckt», sagt Bianchi und lacht. Gar nicht witzig fand das
Ganze der Filialleiter. Er bestand auf einem Hausverbot, füllte noch an Ort und Stelle das Formular aus.

Bianchi den Bescheid per Post: landes-weites Hausverbot in sämtlichen Coop-Geschäften für zwei Jahre. «Damit kann Ein paar Wochen später bekam
ich leben», sagt Bianchi, «Bratwürste und Most gibt es auch anderswo.» Dass er aber wegen einer rohen Wurst und
einem Chef, den sie – da sei er felsen- fest davon überzeugt – damals bei der Polizeischule nicht gewollt hätten, einen derartigen Schuh voll heraus-
gezogen habe, das nerve ihn im Nach-hinein schon.Auf Privatgrund. Die Coop-Medien-
stelle sagt nichts zum Thema Laden-verbot. Sicherheitsrelevante Aspekte würden nicht kommuniziert. Die Me-
diensprecherin sagt bloss: «Unsere Mitarbeiter haben sich zu jedem Zeitpunkt korrekt verhalten.» Hausverbote seien bei Coop
sehr selten und würden nur im äussersten Fall erteilt. «Die grosse Mehrheit unserer Kundinnen und
und anständig.»Kunden ist freundlich Rechtlich gesehen hat
Luigi Bianchi wenig Möglichkeiten, gegen das Hausverbot vorzugehen. «Niemand hat das Recht, Privatgrund zu betreten», sagt Beobachter-Experte
Davor Smokvina. «Schon gar nicht in diesem Fall, wo der Kunde eine klare Drohung ausgesprochen hat.» Anders sähe es bei öffentlichen Einrichtungen
aus. Dort könnte man sich etwa die Frage nach der Verhältnismässigkeit stellen. «Ist die Massnahme notwendig?
Gibt es eine mildere Variante, zum Bei-spiel ein Verbot bloss für eine bestimm-te Region?»Für Luigi Bianchi spielt das alles gar
keine Rolle. Nie mehr will er einen Fuss in ein Geschäft des Grossverteilers set-zen: «Es gibt eine Million Läden auf die-
ser Welt – aber nur einen Bianchi.» PETER AESCHLIMANN

HAUSVERBOT. Am Anfang war eine kalte Bratwurst. Dann nahm das Unglück seinen Lauf.

Eskalation
am Wurststand

* Name geändert

Kunde und möchte auch so behandelt «Ich bin ein guter
Luigi Bianchi, Töfffahrer und Rentnerwerden.»

Beobachter 18/2019 35

78 Beobachter 19/2019


Professionell reagiert


Eskalation am Wurststand (Nr. 18)
Coop und ihr Personal haben sich das
unflätige Benehmen des Töfffahrers zu
Recht nicht gefallen lassen, und sie ha­
ben auf seine beleidigenden Sprüche
korrekt und professionell reagiert. Der
vermeintliche Wortwitz des Bikers ist
in Tat und Wahrheit aggressive Anpö­
belung. Unklar ist die Haltung des
Beobachters: Er kritisiert das streitbare
Auftreten des selbst ernannten Scherz­
boldes nicht.
Markus Poltera, Bad Ragaz SG


Zufällig habe ich diesen Vorfall mit­
erlebt. Die im Bericht erwähnte Coop­
Mitarbeiterin kenne ich als aufgestellte
und äusserst kompetente Person. Am
Anfang der Geschichte steht nicht die
Bratwurst, sondern die Coop­Super­
card: Dieser «Luigi Bianchi» hat die Frau
am Grill angeschnauzt, weil sie ihn
nicht nach der Supercard gefragt hat.
Obwohl die junge Mitarbeiterin seit
mehreren Jahren in dieser Filiale arbei­
tet, wurde sie als Schnupperstift ange­
sprochen. Unerhört. Wer von sich sagt:
«Ich bin ein guter Kunde, und so möchte
ich auch behandelt werden», sollte
auch fähig sein, Respekt im Alltag
umzusetzen.
H. M. (Name der Redaktion bekannt)


Voll selber schuld. Selbst das versuchte
Schönreden im Text nutzt nix, klar ag­
gressiv und beleidigend, klar von einer


Seite ausgehend. Man könnte ja auch
einfach anständig eine etwas gleich­
mässiger gebratene Wurst verlangen.
Walter Hinden, via Social Media

Ich hätte als Verkäuferin gelacht,
schliesslich hatte er recht. Wenn man
im Verkauf alles für bare Münze nimmt,
ist man am falschen Platz.
Sabine Keller, via Social Media

Dass Coop den Kunden offensichtlich
unfachmännisch zubereitete Bratwürs­
te zumutet, ist eine Frechheit. Man

weiss doch von der gesundheitsschä­
digenden Wirkung von verkohltem
Fleisch.
Bob J. Lagrange, via Social Media

Wie etwas erreichen?
Das Elend am Handgelenk (Nr. 18)
Es ist unglaublich, dass das Parlament
selbst leichteste Verschärfungen für
extreme Luxusprodukte wie Reptilien­
leder ablehnt. Wie bloss will es dann
etwas erreichen gegen alle anderen
unzähligen Tierausbeutungen, die we­
niger offensichtlich dem Luxus dienen?
Etwa bei der Fleischproduktion oder bei
Tierversuchen?
Renato Werndli, Eichberg SG

Kostenneutral gelöst
«Wir müssen alles tun, was wir tun
können» (Nr. 18)
«Klima: Die eine Lösung für die Krise
gibt es nicht», schreibt der Beobachter
auf der Titelseite. Fakt ist – es gibt eine
einfache und kostenneutrale Lösung.
Sie funktioniert, wie immer, über das
Portemonnaie. Ab 2020 oder 2021 wird
der Energiepreis jedes Jahr um bei­
spielsweise fünf Prozent erhöht. Das
Geld, das dadurch eingenommen wird,
bekommen alle Steuerzahlerinnen und
Steuer zahler zu gleichen Teilen auf
ihrer Steuerrechnung gut geschrieben.
Eine solche Energiepreiserhöhung wä­
re kostenneutral. Wegen des exponen­
tiellen Charakters des jährlichen Ener­

Zoff am Grill:

«Der vermeintliche
Wortwitz des Bikers
ist in Wahrheit
aggressive
Anpöbelung.»
Markus Poltera, Bad Ragaz SG

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Er hat einen super Service geboten: Desmond Strebel

Kurz nach meiner Hochzeit vor 50 Jahren
tauchten zwei Verkäufer der Firma Just bei uns
auf. Ich kaufte einen Handbesen aus Rosshaar.
Jahrzehntelang war er in perfekter Verfassung.
Kürzlich aber zersplitterte der Kunststoffgriff in
tausend Teile. Bei Just hiess es, ein Ersatzgriff
sei leider nicht mehr erhältlich. Doch dann kam
die grosse Überraschung: In der Firma hatte
man sich auf die Suche gemacht und ein Exem-
plar desselben Wischers gefunden. Desmond
Strebel vom Kundendienst sandte ihn mir gleich
zu – kostenlos. Dazu wünschte er mir und
meinem Mann, dass uns der neue Besen min-
destens solange erhalten bleibe wie der
aktuelle. Wir finden diese Reaktion einfach toll.
Annemarie Gschwind, Lupsingen BL

Wer sucht, der findet –
einen neuen Besen

BRAVO!

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