Süddeutsche Zeitung - 06.09.2019

(Michael S) #1
von franz kotteder

W


enn’s um das Oktoberfest geht,
regt sich die Bayernpartei gerne
mal ein bisschen auf. Gerade
eben witterte Stadtrat Mario Schmidbauer
wieder Unrat, weil die städtische Tochter-
firma, die das Internetportal „muen-
chen.de“betreibt,auchGeschäftsbezie-
hungen mit der Vereinigung der Wiesn-
wirte unterhält und Inhalte für deren Web-
Auftritte und in sozialen Netzwerken er-
stellt hat. Schmidbauer vermutet da „ein
Gschmäckle“, wie er sagt, und will jetzt wis-
sen, ob die Leistungen „zu marktüblichen
Preisen“ erstellt wurden oder ob es gar
„Freundschaftspreise“ für Wiesnwirte
gab? Jetzt stellte die Bayernpartei auch ei-
ne offizielle Anfrage im Stadtrat.

„Natürlich gab es keine Freundschafts-
preise“, sagt Christian Schottenhamel, der
stellvertretende Sprecher der Wiesnwirte,
„wir haben ganz normal dafür bezahlt.“
Mit der städtischen Portal-Gesellschaft ar-
beite man schon deshalb zusammen, „weil
die sich gut mit dem Oktoberfest ausken-
nen und es schon lange betreuen“. Das ist
nicht weiter verwunderlich, schließlich ist
das Oktoberfest eine Veranstaltung der
Stadt. Und dass auf den städtischen Inter-
net-Seiten auch Wiesnwirte und Bierzelte
vorkommen, ist insofern nur logisch, denn
die sind ein wesentlicher Bestandteil die-
ser Veranstaltung.
Neu ist freilich, dass die Wiesnwirte so
massiv an die Öffentlichkeit gehen. Seit et-
wa einem Jahr gibt es den eigenen Web-
Auftritt unter der Adresse „wiesnwirte.de“,
und seit dem Beginn des Zeltaufbaus auf
der Theresienwiese vor knapp zwei Mona-
ten gibt es nahezu täglich kurze Videose-
quenzen mit den einzelnen Wirten über
den Stand der Arbeiten in sozialen Netzwer-
ken wie Instagram und Facebook. Betreu-
en lassen sie sich darüber hinaus von der
professionellen Agentur Van Almsick +
Team, die dem altgedienten PR-Mann Mi-
chael van Almsick gehört. Van Almsick hat-
te unter anderem beim Konzertveranstal-
ter Mama Concerts (unter anderem Micha-
el Jackson, Tina Turner, Bon Jovi) die PR-
Abteilung geleitet. Nach der Verurteilung

des Mama-Chefs Marcel Avram wegen
Steuerhinterziehung betreute er zahlrei-
che Künstler Avrams bei dem Nachfolgeun-
ternehmen Global Concerts, war eine Zeit-
lang auch Manager und Berater von Peter
Maffay.
Zu regelrechten Popstars wird van Alm-
sicks Agentur die Münchner Wiesnwirte
wohl nicht machen können. Sie wären aber
auch schon mit weniger zufrieden, meint
Christian Schottenhamel: „Es hat uns Wir-
te schon gestört, dass wir immer nur im Ge-
spräch sind, wenn es um die Erhöhung der
Bierpreise geht.“ Schließlich rede niemand
davon, dass Brauereien, Stromlieferanten
und Handwerker ja auch die Preise erhöh-
ten. „Wir sind alle sehr dankbar, dass wir
auf der Wiesn ein Zelt betreiben dürfen“,
sagt Schottenhamel, „aber wir wollen auch
zeigen, dass wir der Stadt etwas zurückge-
ben.“ Da gebe es seit 20 Jahren nicht nur
die Stiftung der Wiesnwirte, die seither
nicht weniger als 725 000 Euro für soziale
Projekte ausgegeben hat.

Die Charme-Offensive der Wiesnwirte
dürfte auch damit zusammenhängen, dass
der damalige Zweite Bürgermeister und
Wiesnchef Josef Schmid (CSU) vor zwei Jah-
ren die Idee hatte, einen Bierpreisdeckel zu
fordern. Der scheiterte nach längerer De-
batte dann zwar an einer Mehrheit im
Stadtrat, ein Alarmsignal war er für die Wir-
te aber doch. Man wollte dann doch nicht
nur als Großkopferte dastehen, die nach
Belieben den Preis für die Wiesnmass nach
oben schrauben. Kann also nichts scha-
den, wenn das Image der großen Zeltbaro-
ne etwas besser wird: Dann ist die Gefahr
für Sanktionen doch geringer.
So lernen die Münchner also nun ihre
Oktoberfestwirte hautnah auf Facebook
und Instagram kennen – jeder kommt dort
mal mit einem kleinen Beitrag dran und
darf sich von seiner sympathischsten Seite
zeigen. „Die sozialen Netzwerke sind sehr
wichtig für uns“, sagt Christian Schottenha-
mel, „das lässt sich jetzt schon sagen.“ Klas-
sische Werbeformen, wie beispielsweise
die Rundfunkwerbung für die „Mittags-
wiesn“ mit Familienangeboten auf der
Speisekarte, habe man dagegen stark zu-
rückgefahren.

In der aktuell recht heißen Debatte, wem
denn nun der öffentliche Straßenraum ge-
hört, kommen die Fußgänger nicht so häu-
fig vor. Meistens geht es um Autofahrer ge-
gen Radler. Jetzt hat die SPD-Stadtrats-
fraktion ein Antragspaket gestellt, mit
dem sie die Situation für Fußgänger in der
Stadt verbessern will. „München – Stadt
zu Fuß“ überschreibt die Partei ihre sieben
Anträge. Der erste schlägt – analog zum
Fahrradbeauftragten – die Position eines
oder einer „Fußverkehrsbeauftragten“
vor, sobald das geplante städtische Mobili-
tätsreferat gegründet ist. Er oder sie soll
sich dann unter anderem mit Verkehrssi-
cherheit und Barrierefreiheit beschäftigen
und die Position der Fußgänger im Kon-
flikt mit anderen Mobilitätsformen be-
haupten. Dann schlägt die SPD eine App
für Fußgänger vor, die zum Beispiel einen
Fußgänger-Stadtplan und ein Spazierwe-
genetz enthält. Um die Bürger bei einer
künftigen Gestaltung oder Verbesserung
im Fußwegenetz einzubinden, soll die
Stadt ferner eine Hotline per Telefon und
E-Mail einrichten, wo die Bürger ihre Anre-
gungen vorbringen können.
Weil es auch an vielen Kreuzungen für
Passanten nicht leicht ist, diese zu überque-
ren, wünscht sich die SPD, dass die Stadt-
verwaltung die Kreuzungen unter die Lupe
nimmt und gegebenenfalls Fußgängeram-
peln einrichtet. Ziel ist dabei auch, direkte
Wegeverbindungen zu schaffen. Als Bei-
spiel nennen die Genossen den Übergang
von der Infanterie- zur Ackermannstraße


in Richtung Olympiagelände, wo ein Über-
gang nur indirekt möglich ist.
Was der SPD auch nicht unbedingt ge-
fällt, sind Unterführungen für Fußgänger.
Diese sind meist nicht barrierefrei, zudem
fühlten sich viele Menschen gerade nachts
in diesen Unterführungen unbehaglich.
Deshalb solle die Verwaltung überprüfen,
wo an großen Straßenkreuzungen die Un-
terführungen durch oberirdische Fußgän-
gerüberwege und -ampeln ersetzt werden
können und diese dann, wenn möglich,
nachrüsten. Wo besonders viele Passanten
unterwegs sind, etwa an öffentlichen oder
sozialen Einrichtungen, sollten Kreuzun-
gen und Übergänge möglichst barrierefrei
gestaltet oder nachgerüstet werden.
Letztlich wünscht sich die SPD dann
auch noch „intelligente“ Ampeln für Fuß-
gänger. Diese sollen von selbst erkennen,
wann sich jemand nähert und dann auf
Grün schalten – eine Art grüne Welle für
Fußgänger also. Druckknöpfe und Warte-
zeiten bei Rot würden dann hinfällig.
„Wir alle sind Fußgänger“, begründet
die SPD ihren Vorstoß. Die Anliegen der
Passanten würden bei Planungen zwar
meist mitgedacht, aber nicht explizit be-
dacht. Fußwege sollten so gestaltet sein,
dass sie Teil eines attraktiven öffentlichen
Raums werden. „Verkehrssicherheit und
Barrierefreiheit müssen für Fußgänger je-
den Alters, mit und ohne Mobilitätsein-
schränkungen, mit Rollatoren, Rollstüh-
len oder Kinderwagen gewährleistet sein“,
heißt es im Antrag.andreas schubert

Charme-Offensive


Die Wiesnwirte haben das Gefühl, dass sie immer nur im Gespräch sind, wenn die Bierpreise erhöht werden.
Jetzt haben sie das Internet für sich entdeckt und werben auf verschiedenen Kanälen für sich und ihre Zelte

Instagram, Facebook und Twitter statt klassischer Werbung: Die Wiesnwirte
setzen auf eine neue PR-Strategie. COLLAGE: SZ; SCREENSHOT: FACEBOOK/WIESNWIRTE

„Wir alle sind Fußgänger“


Die SPD fordert etliche Verbesserungen für Passanten


Sicherheit, Barrierefreiheit oder eigene Stadtpläne für Fußgänger gehören zu den
Zielen, die die Rathaus-SPD auf die Agenda gesetzt hat. FOTO: JAN STAIGER


Die Debatte um einen Bierpreis-
deckel alarmierte die Wirte, jetzt
feilen sie an ihrem Image

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