FORSCHUNG AKTUELL
JARED SISLER/HARVARD SEAS
Im frühen 19. Jahrhundert waren
Linsen in Teleskopen und sonsti
gen optischen Instrumenten
bereits verbreitet, doch um das Licht
von Leuchttürmen effizient hinaus aufs
Meer zu bündeln, wären die dafür
nötigen riesigen Glaslinsen zu schwer
gewesen. Der französische Physiker
Augustin Jean Fresnel erkannte je
doch, dass Licht erst beim Übergang
von einem Medium ins andere gebro
chen wird. In seinen Plänen schnitt er
deswegen das entbehrliche Material in
der Mitte einer Linse scheibenweise
OPTIK
PAPIERDÜNNE LINSEN
DANK NANOSTRUKTUREN
Physiker wollen herkömmlichen Glaslinsen mit 1000-mal flacheren
Bauteilen Konkurrenz machen. Nun funktioniert eine solche
»Meta linse« erstmals mit dem größten Teil des sichtbaren Lichts
und unabhängig von dessen Schwingungsrichtung.
Ein nanostrukturiertes Plättchen
bündelt alle Farben aus dem Spektrum
des weißen Lichts auf einen Punkt. Das
soll etwa Untersuchungen an Gewebe
erleichtern, wie in dieser Illustration.
heraus und ließ nur die gekrümmten
Oberflächen stehen (siehe »Aus rund
mach flach«, rechts). Die Erfindung
funktionierte, und Seefahrer konnten
das Leuchtfeuer weiter vor der Küste
erkennen als je zuvor.
Noch heute leiten Linsen nach
Fresnels Prinzip die Helligkeit einer
nahen Quelle gezielt in die Ferne: Ihre
typische Rillenstruktur findet sich
beispielsweise im transparenten
Plastik jedes Fahrzeugscheinwerfers.
Derlei Bauteile lassen sich jedoch nur
dann sinnvoll anwenden, wenn es eher
auf die Intensität und weniger auf die
Qualität der Abbildung ankommt. Sie
können hochwertige normale Linsen
nicht generell ersetzen, denn ihre
mehrfach durch steile Kanten unter
brochene Oberfläche streut Teile des
Lichts auf störende Weise.
Rund 200 Jahre nach Fresnel sollen
flache Linsen nach dem Willen einiger
Forscher nun doch noch klassischen
Glasoptiken Konkurrenz machen. Mit
einem Trick lassen sich die Stufen
völlig entfernen, die Linse wird einheit
lich flach – und trotzdem beeinflusst
die Oberfläche das Licht so, als wäre
sie gekrümmt. Der paradoxe Kniff
gelingt den Physikern, indem sie an ein
anderes Vermächtnis Fresnels anknüp
fen: die Wellennatur des Lichts, zu
deren Enthüllung der Franzose eben
falls maßgeblich beitrug.
Die Wissenschaftler platzieren
nämlich Rillen und Säulen auf der
Oberfläche, die nur wenige zehn bis
hunderte Nanometer dünn sind. Derart
schmale Strukturen fangen die einzel
nen Wellen des Lichts gewissermaßen
zwischen sich ein und führen sie durch
das Medium. Die individuellen Elemen
te unterscheiden sich leicht voneinan
der. Dadurch halten einige Abschnitte
das Licht länger gefangen und verzö
gern seine Ausbreitung stärker. So tritt
es an manchen Stellen früher wieder
aus, an anderen später. Die Lichtwel
len überlagern sich daraufhin zu einer
neuen Front, die in einer bestimmten
Richtung schräg aus der Oberfläche
herausläuft – obwohl diese eigentlich
flach ist. Hinter einer solchen »Meta
linse« breitet sich das Licht also letzt
lich aus wie die Strahlen bei einer
herkömmlichen Linse.