Spektrum der Wissenschaft - 05.2019

(Sean Pound) #1

Wer Aufbau und Funktionsweise dieser Infrastruktur
erforscht, findet in Verwaltungsdokumenten aufschlussrei­
che Informationen. Die größte bekannte Sammlung stammt
aus dem königlichen Bezirk von Persepolis, einem der
wirtschaftlichen und politischen Zentren des achämenidi­
schen Kernlands, der Persis (siehe »Kurz erklärt«, rechts).
1933 hatten Archäologen des Oriental Institute der Universi­
ty of Chicago das »Festungsarchiv« in zwei Gewölben des
Mauersystems der Terrasse entdeckt. Die Gewölbe hatten
der Verwaltung offenbar als Lagerräume für ihre Akten
gedient. Als Alexanders Soldaten Feuer legten, begruben
einstürzende Mauern das Archiv. Der Schutt bewahrte 7000
bis 8000 voll ständige Keilschrifttafeln und noch verwert­
bare Fragmente vor dem Zahn der Zeit (die Zahl kleinerer
Bruchstücke und schlecht erhaltener Tafeln geht in die
Zehntausende).
Von 1937 bis zu seinem Tod im Jahr 1980 untersuchte
der Chicagoer Assyriologe Richard Hallock die einzigartige
Sammlung fast im Alleingang, 2005 hat ein internationales
Team diese Aufgabe übernommen. Es rekonstruiert die
Keilschriftzeichen, übersetzt, publiziert und kommentiert
die Texte. Dank des Festungsarchivs hat sich unser Bild
vom altpersischen Reich radikal verändert.
Die meisten Dokumente sind in Elamisch verfasst, das
spätestens seit dem 3. Jahrtausend v. Chr. im Südwesten


WOUTER HENKELMAN

In der Antike bildeten Dromedare das Rückgrat des
Warentransports durch die trockenen Regionen des
persischen Weltreichs. Dementsprechend wird ihre
Haltung und Zucht in Verwaltungsdokumenten
immer wieder erwähnt.


des heutigen Iran gebräuchlich war. Als Elam im 6. Jahr­
hundert v. Chr. im achämenidischen Reich aufging, über­
nahmen die neuen Herrscher nicht nur sein Knowhow
in Sachen Verwaltung und Ökonomie, sondern behielten
Elamisch auch als Sprache der Administration bei.

Altpersisch, Elamisch und Aramäisch fließend,
Phrygisch und Griechisch erwünscht
Außer den elamischen Texten enthält das Festungsarchiv
etwa 850 Dokumente in Aramäisch – einer Sprache, die
man spätestens im Zuge der Eroberung aus Babylonien
übernommen hatte. Sie wurde für den reichsweiten Schrift­
verkehr verwendet, aber insbesondere in Persepolis auch
von dessen Beamten. Dabei zeigen falsche grammatikali­
sche Konstruktionen und sprachliche Vereinfachungen in
den elamischen Texten, dass die Muttersprache der meis­
ten Altpersisch war; das Gleiche gilt wohl für einen Teil der
Autoren der aramäischen Texte. Vereinzelte Dokumente in
Altpersisch, Phrygisch und Griechisch unterstreichen den
Eindruck eines komplexen sprachlichen Umfelds im Regie­
rungsbezirk von Persepolis.
Die meisten der Tafeln wurden mit einem Siegelabdruck
versehen. Sie identifizierten einst beispielsweise Getreide­
händler, Priester, Vorarbeiter und anderes mehr. Gut 5000
gesiegelte Tafeln tragen keine Schrift, waren aber vermut­
lich über Schnüre mit Textdokumenten verknüpft. Die
Abdrücke entsprechen heutigen Unterschriften und Stem­
peln, sie sind mithin Ausdruck administrativer Macht.
Trotz seiner Zuständigkeit für die Persis bietet das Fes­
tungsarchiv auf Grund seiner Größe und Komplexität sowie
der zentralen Bedeutung von Persepolis für das gesamte
Reich Einblicke in viele Aspekte der achämenidischen
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