Spektrum der Wissenschaft - 05.2019

(Sean Pound) #1

Kamele und andere Transporttiere geschickt. Quintus
Curtius Rufus, ein römischer Biograf des Welteroberers,
ergänzte dazu, der parthische Satrap hätte zubereitete
Lebensmittel auf Kamele laden lassen, als er von der Not­
lage der Armee erfuhr. Auch durch solche bruchstückhaf­
ten Informationen schimmert ein gut strukturiertes imperia­
les Netzwerk durch. Beispielsweise waren bereits zuberei­
tete Lebensmittel im heißen und feuchten Klima des
südlichen Iran länger haltbar als frische Produkte. Und dass
es möglich war, eine große Zahl von Tieren in kurzer Zeit
zur Ver fügung zu stellen, setzte ein hoch entwickeltes
System der Logistik und Tierzucht voraus.
Die zeitliche Lücke zwischen den elamischen Dokumen­
ten und diesen Schilderungen antiker Biografen überbrü­
cken teilweise Texte aus anderen Gebieten des Reichs. Zum


Beispiel besitzt ein privater Sammler aramäische Schriften
aus Baktrien, darunter den Brief eines Akhvamazda, Mitte
des 4. Jahrhunderts v. Chr. Satrap von Baktrien. Darin
kritisierte Akhvamazda eine Gebühr für königliche Kamel­
treiber. Man erfährt dabei, dass diesem Berufsstand Rinder,
Vieh und Land zur Verfügung standen, wohl um eine Konti­
nuität der Zucht und Beweidung der Tiere und damit den
Karawanenverkehr selbst abzusichern.
Die Dokumente aus Baktrien behandeln zahlreiche
weitere Wirtschaftsfragen und verraten Forschern die
Strukturen und Hierarchien, Begrifflichkeiten und Protokolle
der jeweiligen Administration. Ganz offensichtlich hatte
man in den Provinzen ähnliche Institutionen etabliert wie im
Kernland, und diese funktionierten gut 150 Jahre nach
Daraios I. immer noch.
Mehr noch: Der förmliche Ton der baktrischen Briefe, die
Art, wie das Leder gefaltet und versiegelt wurde, sowie
einige sprachliche Besonderheiten ähneln dem ebenfalls
aramäischen Schriftverkehr eines gewissen Arschama.
Dieser war in der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts v. Chr.
Satrap von Ägypten. Die Einheitlichkeit lässt zentralisierte
Schreiberschulen vermuten und bestätigt die Annahme
reichsweiter Modelle der Administration nach dem Muster
von Persepolis.
In dessen »Schatzhaus« hortete man Tribute, die von
den Satrapien entrichtet wurden. Ihr Transport in die
Persis taucht in Dokumenten des Festungsarchivs auf,
doch wie die Abgaben erstellt wurden, verrät eine andere
Quelle: Bei Grabungen in den Ruinen des Schatzhauses
waren Teller, Mörser, Stößel und andere Objekte aus einem
harten grünen Stein, vermutlich Hornstein, ans Licht ge­
kommen. Auf den meisten wurden aramäische Worte mit
Tinte geschrieben, zum Beispiel Namen, Orts­ und Jahres­
angaben.

Eine Hierarchie von Schatzmeistern
Analysen verraten, dass es sich um Tribute aus Arachosien
handelt, das in den Inschriften mehrmals erwähnt wird.
Des Weiteren sprechen sie für ein Netz von befestigten
Produktionszentren; jedes wurde von einem Präfekten und
seinem Unterschatzmeister verwaltet. Sie alle standen
unter der Aufsicht des »Schatzmeisters von Arachosien«,
der letztlich die Produktion der Steinobjekte und ihren
Export nach Persepolis verantwortete. Das entspricht der
Hierarchie von »Reichsschatzhäusern« – tatsächlich handel­
te es sich eher um Werkstätten – in der Persis, an deren
Spitze ein zentraler Schatzmeister stand, der in Persepolis
residierte.
Gut 60 Dokumente des Festungsarchivs über den
Transport von Tributen bestätigen die Vermutung der
Wissenschaftler: Arachosien war wie die Persis auf Verwal­
tungsebene in kleinere Gebiete unterteilt. Damit das
funktio nierte, gab es wahrscheinlich Beamte mit über­
regionalen Befugnissen, beispielsweise Inspektoren und
Gutachter, welche die Produktionskapazität vor Ort ein­
schätzten oder dafür Sorge trugen, dass gegebenenfalls
Arbeiter und spezialisierte Handwerker aus anderen Teilen
der Satrapie Engpässe ausglichen. Mit anderen Worten:
Die institutionellen Strukturen der einzelnen Verwaltungs­

Dieser Stößel, vermutlich aus grünem Hornstein, war
Teil des Schatzes von Persepolis und stammt aus
der Satrapie Arachosien. Er ist in Aramäisch beschrif-
tet, unter anderem mit dem Namen der Werkstatt
und des Verfassers. Das Artefakt unterstreicht die
Bedeutung des Aramäischen in der altpersischen
Administration.


UNIVERSITY OF CHICAGO / ORIENTAL INSTITUTE
Free download pdf